Schelmuffskys wahrhaftige, kuriöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und z | Page 3

Christian Reuter
hernachmals wohl über hundert Mal: Eine Ratte! Eine
Ratte! denn sie meinte nicht anders, es nistelte eine Ratte bei ihr unten
zu ihren Füßen. Ich war aber her und kroch sehr artig an meiner Frau
Mutter hinauf, guckte bei ihr oben zum Deckbett heraus und sagte:
Frau Mutter, Sie fürchte sich nur nicht, ich bin keine Ratte, sondern ihr
lieber Sohn; daß ich aber so frühzeitig bin auf die Welt gekommen, hat
solches eine Ratte verursacht. Als dieses meine Frau Mutter hörte, Ei
sapperment! wie war sie froh, daß ich so unvermutet war auf die Welt
gekommen, daß sie ganz nichts davon gewußt hatte. Indem sie sich nun
so mit mir eine gute Weile in ihren Armen gehätschelt hatte, stund sie
mit mir auf, zog mir ein weiß Hemde an und rief die Mietsleute im
ganzen Hause zusammen, welche mich alle miteinander höchst
verwundernd ansahen und wußten nicht, was sie aus mir machen
sollten, weil ich schon so artig schwatzen kunnte. Herr Gerge, meiner
Frau Mutter damaliger Präzeptor, meinte, ich wäre gar von dem bösen
Geiste besessen, denn sonst könnte es unmöglich von rechten Dingen
mit mir zugehen, und er wollte denselben bald von mir austreiben. Lief
hierauf eiligst in seine Studierstube und brachte ein groß Buch unter
dem Arme geschleppt, damit wollte er den bösen Geist nun von mir
treiben. Er machte in die Stube einen großen Kreis mit Kreide, schrieb
einen Haufen kauderwelsche Buchstaben hinein und machte hinter und
vor sich ein Kreuz, trat hernachmals in den Kreis hinein und fing
folgendes an zu reden:

[1] Hafenstadt in der Bretagne.
[2] der Teufel hole mich.
Hokus pokus schwarz und weiß, Fahre stracks auf mein Geheiß Schuri
muri aus dem Knaben, Weils Herr Gerge so will haben.
Wie Herr Gerge diese Worte gesprochen hatte, fing ich zu ihm an und
sagte: Mein lieber Herr Präzeptor, warum nehmet Ihr doch solche
Köckelpossen vor und vermeinet, ich sei von dem bösen Geiste
besessen; wenn Ihr aber wissen wolltet, was die Ursache wäre, daß ich
flugs habe reden lernen und weswegen ich so frühzeitig bin auf die
Welt gekommen, Ihr würdet wohl solche närrische Händel mit Eurem
Hokuspokus nicht vorgenommen haben. Als sie mich dieses nun so
reden höreten, O sapperment! was erweckte es vor Verwunderung vor
den Leuten im Hause. Herr Gerge stund, der Tebel hol mer, da in
seinem Kreise mit Zittern und Beben, daß auch die um ihn
Herumstehenden alle aus der Luft mutmaßen kunnten, der Herr
Präzeptor müßte wohl in keinem Rosengarten stehn.
Ich kunnte aber seinen erbärmlichen Zustand nicht länger mit ansehen,
sondern fing da an, meine wunderliche Geburt zu erzählen, und wie es
niemand anders als diejenige Ratte verursacht hätte, welche das seidene
Kleid zerfressen, daß ich so frühzeitig auf die Welt gekommen wäre
und flugs reden können. Nachdem ich nun mit vielen Umständen den
sämtlichen Hausgenossen die ganze Begebenheit von der Ratte erzählt
hatte, so glaubten sie hernach allererst, daß ich meiner Frau Mutter ihr
Sohn wäre. Herr Gerge aber, der schämte sich wie ein Hund, daß er
meinetwegen solche Narrenpossen vorgenommen hatte und vermeint,
ein böser Geist müßte aus mir reden. Er war her, löschte seinen
Hokuspokuskreis wieder aus, nahm sein Buch und ging stillschweigend
immer zur Stubentüre hinaus. Wie auch die Leute hernach alle mit mir
taten, und mich zu herzten und zu poßten, weil ich so ein schöner Junge
war und mit ihnen flugs schwatzen kunnte, das wäre, der Tebel hol mer,
auf keine Kuhhaut zu schreiben; ja sie machten auch alle miteinander
flugs Anstalt, daß mir selben Tag noch bei großer Menge Volks der
vortreffliche Name Schelmuffsky beigelegt wurde. Den zehnten Tag
nach meiner wunderlichen Geburt lernte ich allmählich, wiewohl etwas

langsam, an den Bänken gehn, denn ich war ganz malade, weil ich auf
der Welt gar noch nichts weder gefressen noch gesoffen hatte. Was trug
sich zu? Meine Frau Mutter, die hatte gleich selben Tag ein groß Faß
voll Ziegenmolken auf der Ofenbank stehn; über dasselbe gerate ich so
ohngefähr und titsche mit dem Finger hinein und koste es. Weil mir das
Zeug nun sehr wohl schmeckte, kriegte ich das ganze Faß bei dem
Leibe und soffs, der Tebel hol mer, halb aus. Wovon ich hernach ganz
lebend wurde und zu Kräften kam. Als meine Frau Mutter sah, daß mir
das Ziegenmolken so wohl bekam, war sie her und kaufte hernach noch
eine Ziege, denn eine hatte sie schon, die mußten mich also bis in das
zwölfte Jahr meines Alters mit lauter solchem Zeuge ernähren und
auferziehen. Ich kanns wohl sagen, daß ich denselben Tag, als ich
gleich zwölf Jahr alt war, der Tebel hol mer, Speck ellendicke auf
meinem Rücken hatte, so fett war ich von dem Ziegenmolken
geworden. Bei Anfange des dreizehnten Jahres lernte ich auch alle
sachte die gebratenen Kramsvögelchen und die jungen gespickten
Hühnerchen abknaupeln, welche mir endlich
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