Schatzkaestlein des rheinischen | Page 8

Johann Peter Hebel

und, wenn nun der Pfeil an etwas hinfuhr, wo er Habung hatte, so blieb
er stecken, manchmal wo niemand zukommen konnte, und die
Feuermaterie zündete an, was brennen konnte. Auch diese
Brandraketen flogen die ganze Nacht in das arme Kopenhagen hinein.
Kopenhagen hatte damals 4000 Häuser, 85’965 Einwohner, 22 Kirchen,
4 königliche Schlösser, 22 Krankenspitäler, 30 Armenhäuser, einen
reichen Handel und viele Fabriken. Da kann man denken, wie mancher
schöne Dachstuhl in dieser angstvollen Nacht zerschmettert wurde, wie
manches bange Mutterherz sich nicht zu helfen wusste, wie manche
Wunde blutete, und wie die Stimme des Gebets und der Verzweiflung,
das Sturmgeläute und der Kanonendonner durcheinander ging. Am 3.
September, als der Tag kam, hörte das Schiessen auf, und der
Engländer fragte, ob sie noch nicht wollten gewonnen geben. Der
Kommandant von Kopenhagen sagte: "Nein!" Da fing das Schiessen
nachmittags um vier Uhr von neuem an, und dauerte bis den 4.
September mittags fort, ohne Unterlass und ohne Barmherzigkeit. Und
als der Kommandant noch nicht wollte Ja sagen, fing abends das Feuer
wieder an, und dauerte die ganze Nacht bis den 5. des Mittags. Da
lagen mehr als 300 schöne Häuser in der Asche; ganze Kirchtürme
waren eingestürzt, und noch überall wütete die Flamme. Mehr als 800
Bürger waren schon getötet und mehrere schwer verwundet. Ganz
Kopenhagen sah hier einer Brandstätte, oder einem Steinhaufen, da
einem Lazarett, und dort einem Schlachtfeld gleich. Als endlich der
Kommandant von Kopenhagen nirgends mehr Rettung noch Hülfe und
überall nur Untergang und Verderben sah, hat er am 7. September
kapituliert, und der Kronprinz hat's nicht einmal gelobt. Das erste war,
die Engländer nahmen die ganze Seeflotte von Kopenhagen in Besitz
und führten sie weg: 18 Linienschiffe, 15 Fregatten und mehrere
kleinere bis auf eine Fregatte, welche der König von England ehemals

dem König von Dänemark zum Geschenk gemacht hatte, als sie noch
Freunde waren. Diese liessen sie zurück. Der König von Dänemark
schickte sie ihnen aber auch nach, und will nichts Geschenktes mehr
zum Andenken haben. Im Land selbst und auf den Schiffen hausten die
Engländer als böse Feinde, denn der Soldat weiss nicht, was er tut,
sondern denkt: Wenn sie es nicht verdient hätten, so führte man keinen
Krieg mit ihnen. Zum Glück dauerte ihr Aufenthalt nicht lange; denn
sie schifften sich am 19. Oktober wieder ein, und fuhren am 21. mit der
dänischen Flotte und dem Raub davon, und der Congreve ist unterwegs
ertrunken und hat Frau und Kinder nimmer gesehen. Von dem an
hielten die Dänen gemeinschaftlich mit den Franzosen, und Kaiser
Napoleon will nicht eher mit den Engländern Friede machen, als bis sie
die Schiffe wieder zurückgegeben, und Kopenhagen bezahlt haben.
Dies ist das Schicksal von Dänemark, und die Freunde der Engländer
sagen, es sei nicht so schlimm gemeint gewesen; andere aber sagen, es
hätte nicht können schlimmer sein, und die Dänen meinen's auch.

Das Branntweingläslein
Ein Unteroffizier trat im Roten Rösslein ein von der Parade. Der Wirt
sagt zu ihm: "Aber den habt Ihr nicht schlecht getroffen heut in dem
Kasernenhof. Was hat er angestellt?"--"Nicht wahr, ich hab' ihn gut
getroffen?" sagte der Unteroffizier. "Es ist ein ausgelernter Spitzbube,
gegen den keine Vorsicht hilft. Er ist imstand und stiehlt Euch ein Rad
vom Wagen, während Ihr darauf sitzt und Wein holt im Ramstal.
Kommt Ihr herein, so habt Ihr noch drei Räder." Der Wirt sagt: "Mir ist
keiner schlau genug. Der ist noch nicht auf der Welt." Denn der Wirt
war ein wenig dumm. Es ist fast immer ein Zeichen von Unverstand,
wenn man allein klüger zu sein glaubt als alle andern. Deswegen sagte
er: mir ist keiner schlau genug. Der Unteroffizier sagte: "Gilt's einen
Taler, er führt Euch an?" Der Wirt geht die Wette ein. Nachmittags
kommt der Soldat mit einem Branntweinfläschlein in der Hand und
verlangt für einen Sechser Branntenwein. Er habe daheim einen
kranken Kameraden. Er hatte aber noch ein anderes Fläschlein von
gleicher Grösse und Gestalt in der Tasche, darin war Brunnenwasser,
so viel als man Branntwein bekommen mag für sechs Kreuzer. Als er in
das leere Fläschlein den Branntwein bekommen hatte, steckte er es zu
dem andern in die nämliche Tasche und gab dem Wirt einen Sechser,

der war falsch. Als er aber schon an der Türe war, während der Wirt
den Sechser umkehrte, ruft er dem Soldaten: "Guter Freund, Euer
Sechser ist falsch auf der untern Seite. Gebt mir einen andern." Der
Soldat stellte sich schrecklich erbost über den Spitzbuben, der ihm den
falschen Sechser gegeben hatte, und zum Unglück habe er keinen
andern bei sich. Er wolle aber sogleich einen holen.--"Nein", sagte der
Wirt, "so ist's nicht gewettet. Gebt den Branntwein wieder heraus, und
holt zuerst das Geld." Da stellte ihm der Soldat das Fläschlein auf den
Tisch, wo das Brunnenwasser drin war, und ging und kam nicht wieder.
Abends kam der Unteroffizier.
"Ei,
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