Schatzkaestlein des rheinischen | Page 8

Johann Peter Hebel
Mutterherz sich nicht zu helfen wusste, wie manche Wunde blutete, und wie die Stimme des Gebets und der Verzweiflung, das Sturmgel?ute und der Kanonendonner durcheinander ging. Am 3. September, als der Tag kam, h?rte das Schiessen auf, und der Engl?nder fragte, ob sie noch nicht wollten gewonnen geben. Der Kommandant von Kopenhagen sagte: "Nein!" Da fing das Schiessen nachmittags um vier Uhr von neuem an, und dauerte bis den 4. September mittags fort, ohne Unterlass und ohne Barmherzigkeit. Und als der Kommandant noch nicht wollte Ja sagen, fing abends das Feuer wieder an, und dauerte die ganze Nacht bis den 5. des Mittags. Da lagen mehr als 300 sch?ne H?user in der Asche; ganze Kirchtürme waren eingestürzt, und noch überall wütete die Flamme. Mehr als 800 Bürger waren schon get?tet und mehrere schwer verwundet. Ganz Kopenhagen sah hier einer Brandst?tte, oder einem Steinhaufen, da einem Lazarett, und dort einem Schlachtfeld gleich. Als endlich der Kommandant von Kopenhagen nirgends mehr Rettung noch Hülfe und überall nur Untergang und Verderben sah, hat er am 7. September kapituliert, und der Kronprinz hat's nicht einmal gelobt. Das erste war, die Engl?nder nahmen die ganze Seeflotte von Kopenhagen in Besitz und führten sie weg: 18 Linienschiffe, 15 Fregatten und mehrere kleinere bis auf eine Fregatte, welche der K?nig von England ehemals dem K?nig von D?nemark zum Geschenk gemacht hatte, als sie noch Freunde waren. Diese liessen sie zurück. Der K?nig von D?nemark schickte sie ihnen aber auch nach, und will nichts Geschenktes mehr zum Andenken haben. Im Land selbst und auf den Schiffen hausten die Engl?nder als b?se Feinde, denn der Soldat weiss nicht, was er tut, sondern denkt: Wenn sie es nicht verdient h?tten, so führte man keinen Krieg mit ihnen. Zum Glück dauerte ihr Aufenthalt nicht lange; denn sie schifften sich am 19. Oktober wieder ein, und fuhren am 21. mit der d?nischen Flotte und dem Raub davon, und der Congreve ist unterwegs ertrunken und hat Frau und Kinder nimmer gesehen. Von dem an hielten die D?nen gemeinschaftlich mit den Franzosen, und Kaiser Napoleon will nicht eher mit den Engl?ndern Friede machen, als bis sie die Schiffe wieder zurückgegeben, und Kopenhagen bezahlt haben. Dies ist das Schicksal von D?nemark, und die Freunde der Engl?nder sagen, es sei nicht so schlimm gemeint gewesen; andere aber sagen, es h?tte nicht k?nnen schlimmer sein, und die D?nen meinen's auch.

Das Branntweingl?slein
Ein Unteroffizier trat im Roten R?sslein ein von der Parade. Der Wirt sagt zu ihm: "Aber den habt Ihr nicht schlecht getroffen heut in dem Kasernenhof. Was hat er angestellt?"--"Nicht wahr, ich hab' ihn gut getroffen?" sagte der Unteroffizier. "Es ist ein ausgelernter Spitzbube, gegen den keine Vorsicht hilft. Er ist imstand und stiehlt Euch ein Rad vom Wagen, w?hrend Ihr darauf sitzt und Wein holt im Ramstal. Kommt Ihr herein, so habt Ihr noch drei R?der." Der Wirt sagt: "Mir ist keiner schlau genug. Der ist noch nicht auf der Welt." Denn der Wirt war ein wenig dumm. Es ist fast immer ein Zeichen von Unverstand, wenn man allein klüger zu sein glaubt als alle andern. Deswegen sagte er: mir ist keiner schlau genug. Der Unteroffizier sagte: "Gilt's einen Taler, er führt Euch an?" Der Wirt geht die Wette ein. Nachmittags kommt der Soldat mit einem Branntweinfl?schlein in der Hand und verlangt für einen Sechser Branntenwein. Er habe daheim einen kranken Kameraden. Er hatte aber noch ein anderes Fl?schlein von gleicher Gr?sse und Gestalt in der Tasche, darin war Brunnenwasser, so viel als man Branntwein bekommen mag für sechs Kreuzer. Als er in das leere Fl?schlein den Branntwein bekommen hatte, steckte er es zu dem andern in die n?mliche Tasche und gab dem Wirt einen Sechser, der war falsch. Als er aber schon an der Türe war, w?hrend der Wirt den Sechser umkehrte, ruft er dem Soldaten: "Guter Freund, Euer Sechser ist falsch auf der untern Seite. Gebt mir einen andern." Der Soldat stellte sich schrecklich erbost über den Spitzbuben, der ihm den falschen Sechser gegeben hatte, und zum Unglück habe er keinen andern bei sich. Er wolle aber sogleich einen holen.--"Nein", sagte der Wirt, "so ist's nicht gewettet. Gebt den Branntwein wieder heraus, und holt zuerst das Geld." Da stellte ihm der Soldat das Fl?schlein auf den Tisch, wo das Brunnenwasser drin war, und ging und kam nicht wieder. Abends kam der Unteroffizier.
"Ei, seid Ihr es?" sagte der Wirt und lachte aus vollem Halse. "Was gilt's, Ihr wollt mir einen Taler bringen." Der Unteroffizier aber l?chelte nur, zwar etwas sp?ttisch und sagte: "Nein, ich will einen holen. Versucht einmal Euern Branntwein, ob er nicht schmeckt akkurat wie Brunnenwasser." Da wusste der Wirt vor Verwunderung und Besch?mung nicht, was er sagen wollte. Der Unteroffizier aber sagte sp?ttisch: "Euch ist keiner schlau genug." Also hatte er den Taler gewonnen, doch durfte der Wirt sechs Kreuzer davon abziehen,
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