Satyros oder Der vergoetterte Waldteufel | Page 2

J.W. Goethe
und Kaes' genug. - Kann doch wohl wieder den Fuss betreten? - Da ist dem Kerl sein Platz, zu beten. Es tut mir in den Augen weh, Wenn ich dem Narren seinen Herrgott seh'. Wollt' lieber eine Zwiebel anbeten, Bis mir die Traen in die Augen traeten, Als oeffnen meines Herzens Schrein Einem Schnitzbildlein, Querhoelzelein. Mir geht in der Welt nichts ueber mich: Denn Gott ist Gott, und ich bin ich. Ich denk, ich schleiche so hinaus; Der Teufel hol den Herrn vom Haus! Koennt' ich nicht etwa brauchen was? Das Leinwand nu waer' so ein Spass. Die Maidels laufen so vor mir; Ich denk, ich bind's so etwa fuer. Seinen Herrgott will ich runter reissen Und draussen in den Giessbach schmeissen.
Ende des zweiten Akts.

Dritter Akt
Satyros. Ich bin doch mued; 's ist hoellisch schwuel. Der Brunn, der ist so schattenkuehl. Hier hat mir einen Koenigsthron Der Rasen ja bereitet schon; Und die Lueftelein laden mich all Wie lose Buhlen ohne Zahl. Natur ist rings so liebebang; Ich will dich letzen mit Floet und Sang.
[Zwei Maegdlein mit Wasserkruegen.]
Arsinoe. Hoer, wie's daher so lieblich schallt! Es koemmt vom Brunn oder aus 'm Wald.
Psyche. Es ist kein Knab von unsrer Flur; So singen Himmelsgoetter nur. Komm, lass uns lauschen!
Arsinoe. Mir ist bang.
Psyche. Mein Herz, ach! lechzt nach dem Gesang.
Satyros [singt]. Dein Leben, Herz, fuer wen erglueht's? Dein Adlerauge, was ersieht's? Dir huldigt ringsum die Natur, 's ist alles dein; Und bist allein, Bist elend nur!
Arsinoe. Der singt wahrhaftig gar zu schoen!
Psyche. Mir will das Herz in meiner Brust vergehn.
Satyros [singt]. Hast Melodie vom Himmel gefuehrt Und Fels und Wald und Fluss geruehrt; Und wonnlicher war dein Lied der Flur Als Sonneschein; Und bist allein, Bist elend nur!
Psyche. Welch goettlich hohes Angesicht!
Arsinoe. Siehst denn seine langen Ohren nicht?
Psyche. Wie gluehend stark umher er schaut!
Arsinoe. Moecht drum nicht sein des Wunders Braut.
Satyros. O Maedchen hold, der Erde Zier! Ich bitt euch, fliehet nicht vor mir.
Psyche. Wie kommst du an den Brunnen hier?
Satyros. Woher ich komm, kann ich nicht sagen, Wohin ich geh, muesst ihr nicht fragen. Gebenedeit sind mir die Stunden, Da ich dich, liebes Paar! gefunden.
Psyche. O lieber Fremdling! sag uns recht, Welch ist dein Nam und dein Geschlecht?
Satyros. Meine Mutter hab ich nie gekannt, Hat niemand mir mein'n Vater genannt. Im fernen Land hoch Berg und Wald Ist mein beliebter Aufenthalt. Hab weit und breit meinen Weg genommen.
Psyche. Sollt er wohl gar vom Himmel kommen?
Arsinoe. Von was, o Fremdling, lebst du dann?
Satyros. Vom Leben, wie ein andrer Mann. Mein ist die ganze weite Welt, Ich wohne, wo mir's wohlgefaellt. Ich herrsch uebers Wild und Voegelheer, Fruecht auf der Erden und Fisch im Meer. Auch ist auf'm ganzen Erdenstrich Kein Mensch so weis und klug als ich. Ich kenn die Kraeuter ohne Zahl, Der Sterne Namen allzumal, Und mein Gesang, der dringt ins Blut Wie Weines Geist und Sonnen Glut.
Psyche. Ach Gott! ich weiss, wie's einem tut.
Arsinoe. Hoer, das waer meines Vaters Mann.
Psyche. Ja freilich!
Satyros. Wer ist dein Vater dann?
Arsinoe. Er ist der Priester und Aeltest im Land, Hat viele Buecher und viel Verstand, Versteht sich auch auf Kraeuter und Sternen; Ihr muesst ihn wahrhaftig kennen lernen.
Psyche. So lauf und bring ihn schwind herbei!
[Arsinoe ab.]
Satyros. So sind wir denn allein und frei. O Engelskind! Dein himmlisch Bild Hat meine Seel mit Wonn erfuellt.
Psyche. O Gott! seitdem ich dich gesehn, Kann kaum auf meinen Fuessen stehn.
Satyros. Von dir glaenzt Tugend-Wahrheits-Licht Wie aus eines Engels Angesicht.
Psyche. Ich bin ein armes Maegdelein, Dem du, Herr! wollest gnaedig sein.
[Er umfasst sie.]
Satyros. Hab alles Glueck der Welt im Arm So Liebe-Himmels-Wonne warm!
Psyche. Dies Herz mir schon viel Weh bereit't, Nun aber stirbt's in Seligkeit.
Satyros. Du hast nie gewusst, wo mit hin?
Psyche. Nie, - als seitdem ich bei dir bin.
Satyros. Es war so ahnungsvoll und schwer, Dann wieder aengstlich arm und leer; Es trieb dich oft in Wald hinaus, Dort Bangigkeit zu atmen aus; Und wollustvolle Traenen flossen, Und heilge Schmerzen sich ergossen, Und um dich Himmel und Erd verging?
Psyche. O Herr! Du weissest alle Ding. Und aller Seligkeit Wahntraumbild Fuehl ich erbebend voll erfuellt.
[Er kuesst sie maechtig.]
Psyche. Lass ab! - mich schaudert's - Wonn und Weh - O Gott im Himmel! ich vergeh -
[Hermes und Arsinoe kommen.]
Hermes. Willkommen, Fremdling, in unserm Land!
Satyros. Ihr tragt ein verflucht weites Gewand.
Hermes. Das ist nun so die Landesart.
Satyros. Und einen laecherlich krausen Bart.
Arsinoe [leise zu Psyche]. Dem Fratzen da ist gar nichts recht.
Psyche. O Kind! er ist von einem Goettergeschlecht.
Hermes. Ihr scheint mir auch so wunderbar.
Satyros. Siehst an mein ungekaemmtes Haar, Meine nackte Schultern, Brust und Lenden, Meine lange Naegel an den Haenden; Da ekelt dir's vielleicht dafuer?
Hermes. Mir nicht!
Psyche. Mir auch nicht.
Arsinoe [fuer sich]. Aber mir!
Satyros. Ich wollt sonst schnell von hinnen eilen Und in dem Wald mit den Woelfen heulen, Wenn ihr euer unselig Geschick Wolltet waehnen fuer Gut und Glueck,
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