denn Ich habe stets als Kinder sie geliebt.
Wenn ich die Sklavenbande nicht zerreiße, So ist es nur, da die Natur
uns süßre Versagt, um jene Eltern-, Heimatlosen Nicht vor der Zeit
dem Aug' der Lehrerin, Der Mutter zarter Sorgfalt zu entziehn. So war
ich's stets gewohnt, und in dem Kreise Von Mytilenes besten
Bürgerinnen Ist manche die in freudiger Erinnrung Sich Sapphos Werk
aus frühern Tagen nennt.
Phaon. Recht schön, recht schön!
Sappho. Von all den Mädchen Die je ein spielend Glück mir zugeführt,
War keine teurer mir als sie, Melitta, Das liebe Mädchen mit dem
stillen Sinn. Obschon nicht hohen Geists, von mäß'gen Gaben Und
unbehilflich für der Künste Übung, War sie mir doch vor andern lieb
und wert Durch anspruchsloses, fromm-bescheidnes Wesen, Durch jene
liebevolle Innigkeit, Die langsam, gleich dem stillen Gartenwürmchen,
Das Haus ist und Bewohnerin zugleich, Stets fertig bei dem leisesten
Geräusche Erschreckt sich in sich selbst zurückzuziehn, Und um sich
fühlend mit den weichen Fäden Nur zaudernd waget Fremdes zu
berühren, Doch fest sich saugt, wenn es einmal ergriffen, Und sterbend
das Ergriffne nur verläßt.
Phaon. Recht schön, fürwahr, recht schön!
Sappho. Ich wünschte nicht, Verzeih mein teurer Freund! ich wünschte
nicht, Daß je ein unbedachtsam flücht'ger Scherz In dieses Mädchens
Busen Wünsche weckte Die unerfüllt mit bitterm Stachel martern,
Ersparen möcht ich gern ihr die Erfahrung, Wie ungestillte Sehnsucht
sich verzehret, Und wie verschmähte Liebe nagend quält. Mein
Freund!--
Phaon. Wie sagtest du?
Sappho. Du hörst mich nicht!
Phaon. Ich höre: Liebe quält!
Sappho. Wohl quält sie! Mein Freund, du bist jetzt nicht gestimmt, wir
wollen Ein andermal noch diesen Punkt besprechen!
Phaon. Ganz recht, ein andermal!
Sappho. Für jetzt, leb wohl! Ich pflege diese Stunde sonst den Musen
In jener stillen Grotte dort zu weihn. Hoff ich gleich nicht die Musen
heut zu finden, So ist doch mind'stens Stille mir gewiß Und ich bedarf
sie. Leb indessen wohl!
Phaon. So gehst du also?
Sappho. Wünschest du--
Phaon. Leb wohl!
Sappho (sich rasch umwendend). Leb wohl! (Ab in die Höhle.)
Siebenter Auftritt
Phaon (allein, nachdem er eine Weile starr vor sich hingesehen). Und
hast du wirklich?--(Sich umsehend.) Sie ist fort!-- Ich bin verwirrt,
mein Kopf ist wüst und schwer! (Auf die Rasenbank blickend.) Hier
saß sie, hier, das heiter blühnde Kind, (Setzt sich.) Hierher will ich
mein Haupt zur Ruhe legen! (Legt ermattet den Kopf in die Hand.)
(Der Vorhang fällt.)
Dritter Aufzug
Gegend wie in den vorigen Aufzügen. Phaon liegt schlummernd auf der
Rasenbank.
Erster Auftritt
Sappho (kömmt aus der Grotte). Es ist umsonst! Weit schwärmen die
Gedanken Und kehren ohne Ladung mir zurück! Was ich auch tue, was
ich auch beginne, Doch steht mir jenes tiefverhaßte Bild, Dem ich
entfliehen möchte, wär' es auch Weit über dieser Erde dunkle Grenzen,
Mit frischen Farben vor der heißen Stirn! Wie er sie hielt! Wie sie sein
Arm umschlang! Und nun, dem Drange weichend hingegeben Auf
seinen Mund sie--fort! ich will's nicht denken! Schon der Gedanke tötet
tausendfach!--
Doch bin ich denn nicht töricht mich zu quälen Und zu beklagen was
wohl gar nicht ist. Wer weiß welch leichtverwischter, flücht'ger
Eindruck, Welch launenvolles Nichts ihn an sie zog, Das, schnell
entschwunden so wie schnell geboren, Der Vorwurf wie der Vorsatz
nicht erreicht? Wer heißt den Maßstab denn für sein Gefühl In dieser
tiefbewegten Brust mich suchen?
Nach Frauenglut mißt Männerliebe nicht Wer Liebe kennt und Leben,
Mann und Frau! Gar wechselnd ist des Mannes rascher Sinn, Dem
Leben untertan, dem wechselnden. Frei tritt er in des Daseins offne
Bahn, Vom Morgenrot der Hoffnung rings umflossen, Mit Mut und
Stärke wie mit Schild und Schwert Zum ruhmbekränzten Kampfe
ausgerüstet. Zu eng dünkt ihm des Innern stille Welt, Nach außen geht
sein rastlos wildes Streben, Und findet er die Lieb', bückt er sich wohl,
Das holde Blümchen von dem Grund zu lesen, Besieht es, freut sich
sein und steckt's dann kalt Zu andern Siegeszeichen auf den Helm. Er
kennet nicht die stille, mächt'ge Glut Die Liebe weckt in eines Weibes
Busen! Wie all ihr Sein, ihr Denken und Begehren, Um diesen einz'gen
Punkt sich einzig dreht, Wie alle Wünsche, jungen Vögeln gleich, Die
angstvoll ihrer Mutter Nest umflattern, Die Liebe, ihre Wiege und ihr
Grab Mit furchtsamer Beklemmung schüchtern hüten; Das ganze
Leben als ein Edelstein Am Halse hängt der neugebornen Liebe! Er
liebt, allein in seinem weiten Busen Ist noch für andres Raum als bloß
für Liebe! Und manches was dem Weibe Frevel dünkt Erlaubt er sich
als Scherz und freie Lust. Ein Kuß, wo er ihm immer auch begegnet,
Stets glaubt er sich berechtigt ihn zu nehmen. Wohl schlimm, daß es so
ist, doch ist es so! (Sich umwendend und Phaon erblickend.) Ha sieh
dort in des Rosenbusches Schatten-- Er ist es, ja, der liebliche Verräter!
Er schläft, und Ruh' und stille Heiterkeit Hat
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