Melitta.
Phaon. War denn dein Los so schwer in Sapphos Händen?
Melitta. O nein. Sie nahm mich gütig, freundlich auf; Sie trocknete die
Tränen mir vom Aug Und pflegte mein und lehrte mich voll Liebe,
Denn wenn auch heftig manchmal, rasch und bitter, Doch gut ist
Sappho, wahrlich lieb und gut.
Phaon. Und doch kannst du die Heimat nicht vergessen.
Melitta. Ach, ich vergaß sie leider nur zu bald, In Tanz und Spiel und
bei des Hauses Pflichten Dacht' ich gar selten der verlaßnen Lieben.
Nur manchmal wenn mich Schmerz und Kummer drückt, Dann
schleicht die Sehnsucht mir ins bange Herz Und die Erinnerung mit
schmerzlich süßer Hand Enthüllt die goldumflorte, lichte Ferne. Und so
auch heut! Mir war so schwer und ängstlich, Ein jedes leisgesprochne
Wort fiel schmerzend Hernieder wie auf fleischentblößte Fibern,
Da--Doch jetzt ist es gut und ich bin froh.
Man ruft drinnen. Melitta!
Phaon. Horch, man ruft!
Melitta. Man ruft?--Ich gehe.
(sie liest den angefangenen Kranz und die Blumen auf.)
Phaon. Was hast du hier?
Melitta. Ei Blumen!
Phaon. Und für wen?
Melitta. Für dich!--Für dich und Sappho.
Phaon. Bleib!
Melitta. Man ruft!
Phaon. Du sollst so finstern Blicks nicht von mir gehn! Zeig deine
Blumen!
Melitta. Hier!
Phaon (eine Rose herausnehmend). Nimm diese Rose! (Er steckt sie ihr
an den Busen.) Sie sei Erinnrung dir an diese Stunde, Erinnerung, daß
nicht bloß in der Heimat Daß auch in fernem Land es--Freunde gibt.
(Melitta, die bei seiner Berührung zusammengefahren, steht jetzt mit
hoch klopfender Brust, beide Arme hinabhängend, mit gesenktem
Haupt und Aug' unbeweglich da. Phaon hat sich einige Schritte entfernt
und betrachtet sie von weitem.)
Man ruft von innen. Melitta!
Melitta. Riefst du mir?
Phaon. Ich nicht!--Im Hause!
Melitta (die Kränze, die ihr entfallen sind, zusammenraffend). Ich
komme schon!
Phaon. Bist du so karg, Melitta? Verdient denn meine Gabe kein
Geschenk?
Melitta. Ich, ein Geschenk? Was hätt' ich Arme wohl?
Phaon. Gold schenkt die Eitelkeit, der rauhe Stolz, Die Freundschaft
und die Liebe schenken Blumen. Hier hast du Blumen ja--
Melitta (die Blumen von sich werfend). Wie? diese hier, Die jene
wilden Mädchen dort gepflückt, Sie die bestimmt für--Nimmermehr!
Phaon. Was sonst?
Melitta. Daß sie doch diese Sträuche so geplündert! Da ist auch
nirgends einer Blume Spur, (Am Rosenstrauche emporblickend.) An
jenem Zweige hängt wohl eine Rose, Doch ist sie allzu hoch, ich reiche
nicht!
Phaon. Ich will dir helfen!
Melitta. Ei, nicht doch!
Phaon. Warum? So leicht geb ich nicht meinen Anspruch auf!
Melitta (auf die Rasenbank steigend). So komm; ich beuge dir den
Zweig!
Phaon. Ganz recht!
Melitta (auf den Zehen emporgehoben, den Zweig, an dessen
äußerstem Ende die Rose hängt, herabbeugend). Reichst du?
Phaon (der, ohne auf die Rose zu achten, nur Melitten betrachtet hat).
Noch nicht!
Melitta. Doch jetzt!--Weh mir, ich gleite! Ich falle!
Phaon. Nein, ich halte dich!
(Der Zweig ist ihren Händen emporschnellend entschlüpft, sie taumelt
und sinkt in Phaons Arme, die er ihr geöffnet entgegenhält.)
Melitta. O laß mich!
Phaon (sie an sich haltend). Melitta!
Melitta. Weh mir, laß mich! Ach!
Phaon. Melitta! (Er drückt rasch einen Kuß auf ihre Lippen.)
Fünfter Auftritt
Sappho, einfach gekleidet, ohne Kranz und Leier. Vorige.
Sappho (eintretend). Du läßt dich suchen, Freund!--Doch ha, was seh
ich?
Melitta. Horch, die Gebieterin?
Phaon. Wie, Sappho hier? (Er läßt sie los.)
(Pause.)
Sappho. Melitta!
Melitta. Hohe Frau!
Sappho. Was suchst du hier?
Melitta. Ich suchte Blumen.
Sappho. Und nicht ohne Glück!
Melitta. Die Rose hier--
Sappho. Sie brennt auf deinen Lippen.
Melitta. Sie hängt so hoch.
Sappho. Vielleicht nicht hoch genug! Geh!
Melitta. Soll ich etwa?--
Sappho. Geh nur immer, geh!
(Melitta ab.)
Sechster Auftritt
Sappho. Phaon.
Sappho (nach einer Pause). Phaon!
Phaon. Sappho!
Sappho. Du standst so früh Von unserm Mahle auf. Du wardst vermißt!
Phaon. Den Becher lieb ich nicht, noch laute Freuden!
Sappho. Nicht laute. Das scheint fast ein Vorwurf.
Phaon. Wie?
Sappho. Ich habe wohl gefehlt, daß ich die Feier Der Ankunft laut und
rauschend angestellt!--
Phaon. So war es nicht gemeint!
Sappho. Das volle Herz Es sucht oft lauter Freude vollen Jubel, Um in
der allgemeinen Lust Gewühl Recht unbemerkt, recht stille sich zu
freun.
Phaon. Ja, so!
Sappho. Auch mußt' ich unsern guten Nachbarn Für ihre Liebe wohl
mich dankbar zeigen, Das freut sich nur bei Wein! Du weißt es wohl!
In Zukunft stört kein lästig Fest uns wieder Die Stille, die du mehr
nicht liebst, als ich!
Phaon. Ich danke dir.
Sappho. Du gehst?
Phaon. Willst du? Ich bleibe!
Sappho. Zu gehn oder zu bleiben bist du Herr!
Phaon. Du zürnest!
Sappho (bewegt). Phaon!
Phaon. Willst du etwas?
Sappho. Nichts.-- Doch eins! (Mit Überwindung.) Ich sah dich mit
Melitten scherzen--
Phaon. Melitta? Wer? Ei ja ganz recht! Nur weiter!
Sappho. Es ist ein liebes Kind!
Phaon. So scheint's, o ja!
Sappho. Die Liebste mir von meinen Dienerinnen, Von meinen
Kindern möcht ich sagen,
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