Salambo | Page 9

Gustave Flaubert
Mauern, deren verlassene Zinnen in den Himmel schnitten.
Pl?tzlich vernahmen die Barbaren lautes Geschrei. Da sie nicht einmal wu?ten, wie viele ihrer waren, dachten sie, da? einige von ihnen in der Stadt zur��ckgeblieben seien und sich das Vergn��gen machten, einen Tempel zu pl��ndern. Diese Vermutung belustigte sie, und sie setzten ihren Marsch fort. Sie freuten sich, wieder wie einst die weite Ebene gemeinsam zu durchziehen. Die Griechen stimmten den alten Sang der Mamertiner an:
?Mit meiner Lanze und meinem Schwert pfl��g ich und ernt ich. Ich bin der Herr des Hauses. Der Waffenlose f?llt mir zu F��?en und nennt mich Herr und Gro?k?nig.?
Sie schrien und h��pften. Die Lustigsten fingen an Geschichten zu erz?hlen. Die Zeiten der Not waren vor��ber. Als man Tunis erreichte, bemerkten einige, da? ein F?hnlein balearischer Schleuderer fehlte. ?Die werden nicht weit sein! Sicherlich!? Weiter gedachte man ihrer nicht.
Die einen suchten Unterkunft in den H?usern, die andern kampierten am Fu?e der Mauern. Die Leute aus der Stadt kamen heraus und plauderten mit den Soldaten.
Die ganze Nacht hindurch sah man am Horizont in der Richtung auf Karthago Feuer brennen. Der Lichtschein--wie von Riesenfackeln--spiegelte sich auf dem regungslos liegenden Haff. Keiner im Heere wu?te zu sagen, welches Fest man dahinten feierte.
Am n?chsten Tag durchzogen die Barbaren eine allenthalben bebaute Gegend. An der Stra?e folgten die Meierh?fe der Patrizier, einer auf den andern. Durch Palmenhaine rannen Wassergr?ben. Olivenb?ume standen in langen gr��nen Reihen. Rosiger Duft schwebte ��ber dem H��gelland. Dahinter d?mmerten blaue Berge. Ein hei?er Wind ging. Cham?leons schl��pften ��ber die breiten Kaktusbl?tter.
Die Barbaren verlangsamten ihren Marsch.
Sie zogen in Abteilungen oder schlenderten einzeln in weiten Abst?nden voneinander hin. Man pfl��ckte sich Trauben am Rande der Weinberge. Man streckte sich ins Gras und betrachtete erstaunt die m?chtigen, k��nstlich gewundenen H?rner der Ochsen, die zum Schutze ihrer Wolle mit H?uten bekleideten Schafe, die Bew?sserungsrinnen, die sich in Rhombenlinien kreuzten, die Pflugschare, die Schiffsankern glichen, und die Granatb?ume, die mit Silphium ged��ngt waren. Die ��ppigkeit des Bodens und die Erfindungen kluger Menschen kamen allen wunderbar vor.
Am Abend streckten sie sich auf die Zelte hin, ohne sie aufzuschlagen. Das Gesicht den Sternen zugekehrt, schliefen sie ein und tr?umten von dem Feste in Hamilkars G?rten.
Am Mittag des dritten Tages machte man in den Oleanderb��schen am Gestade eines Flusses halt. Die Soldaten warfen hurtig Lanzen, Schilde und Bandoliere ab und wuschen sich unter lautem Geschrei, sch?pften die Helme voll Wasser oder tranken, platt auf dem Bauche liegend, inmitten der Maultiere, denen das Gep?ck vom R��cken glitt.
Spendius, auf einem aus Hamilkars St?llen geraubten Dromedare, erblickte von weitem Matho, der, den Arm in der Binde, barh?uptig und kopfh?ngerisch ins Wasser starrte, indes er sein Maultier trinken lie?. Sofort eilte der Sklave mit dem Rufe: ?Herr, Herr!? schnurstracks durch die Menge auf ihn zu. Matho dankte kaum f��r den Gru?. Spendius nahm ihm das nicht ��bel, begann vielmehr seinen Schritten zu folgen und warf nur von Zeit zu Zeit einen besorgten Blick nach Karthago zur��ck.
Er war der Sohn eines griechischen Lehrers der Redekunst und einer kampanischen Buhlerin. Anfangs hatte er durch M?dchenhandel Geld verdient, dann aber, als er bei einem Schiffbruch sein ganzes Verm?gen verloren, hatte er mit den samnitischen Hirten gegen Rom gek?mpft. Man hatte ihn gefangen genommen; er war entflohen. Wiederergriffen, hatte er in den Steinbr��chen gearbeitet, in den B?dern geschwitzt, unter Mi?handlungen geschrien, vielfach den Herrn gewechselt und allen Jammer des Daseins erfahren. Aus Verzweiflung hatte er sich einmal vom Bord der Triere, auf der er Ruderer war, ins Meer gest��rzt. Matrosen Hamilkars hatten ihn halbtot aufgefischt und nach Karthago ins Gef?ngnis von Megara gebracht. Weil die ��berl?ufer an Rom ausgeliefert werden mu?ten, hatte er die allgemeine Verwirrung benutzt, um mit den S?ldnern zu entfliehen.
W?hrend des ganzen Marsches blieb er bei Matho. Er brachte ihm zu essen, half ihm beim Absitzen und breitete nachts eine Decke unter sein Haupt. Durch diese kleinen Dienste ward Matho schlie?lich ger��hrt, und nach und nach sprach er mit dem Griechen.
Matho war an der Gro?en Syrte geboren. Sein Vater hatte ihn auf einer Pilgerfahrt zum Ammontempel mitgenommen. Dann hatte er in den W?ldern der Garamanten Elefanten gejagt. Sp?ter war er in karthagischen S?ldnerdienst gegangen. Bei der Einnahme von Drepanum war er zum Offizier bef?rdert worden. Die Republik schuldete ihm vier Pferde, zw?lfhundert Liter Getreide und den Sold f��r einen Winter. Er war gottesf��rchtig und w��nschte, dermaleinst in seiner Heimat zu sterben.
Spendius erz?hlte ihm von seinen Reisen, von den V?lkern und Tempeln, die er besucht hatte. Er verstand sich auf viele Dinge. Er konnte Sandalen, Jagdger?t und Netze anfertigen, wilde Tiere z?hmen und Gifte bereiten.
Bisweilen unterbrach er sich und stie? einen heisern Schrei aus. Daraufhin beschleunigte Mathos Maultier seinen Gang, und die andern beeilten sich zu folgen. Dann erz?hlte Spendius weiter, aber immer voll Angst und Furcht. Erst am Abend des vierten Tages ward er ruhiger.
Die beiden ritten nebeneinander her, seitw?rts rechts vom Heer,
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