Salambo | Page 5

Gustave Flaubert
Zeit zu Zeit griffen die Priester auf ihren Leiern halb erstickte Akkorde, und wenn diese Musik schwieg, vernahm man das leise Geklirr des Goldkettchens und das taktm??ige Klappen der Papyrussandalen Salambos.
Niemand kannte sie bis dahin. Man wu?te nur, da? sie zur��ckgezogen in frommer Andacht lebte. Soldaten hatten sie manchmal nachts auf dem flachen Dache des Palastes gesehen, wie sie zwischen den Wirbeln qualmender R?ucherpfannen vor den Sternen auf den Knien lag. Der Mondschein hatte sie bla? gemacht, und etwas G?ttliches umwob sie wie leiser Duft. Ihre Augen schienen ��ber das Irdische hinweg in weite Fernen zu schauen. Gesenkten Hauptes schritt sie dahin, in der Rechten eine kleine Lyra aus Ebenholz.
?Tot! Alle tot!? h?rte man sie murmeln. ?Nie mehr werdet ihr, meinem Rufe gehorsam, zu mir eilen wie einst, wenn ich am Rande des Wassers sa? und euch Melonenkerne zuwarf. Der Tanit Geheimnis kreiste auf dem Grunde eurer Augen, die klarer waren als die Wasserblasen der Str?me.? Und sie rief sie bei ihren Namen, den Namen der Monate: ?Sivan, Thammus, Elul, Tischri, Schebar ... O G?ttin, erbarme dich meiner!?
Die S?ldner umdr?ngten sie, ohne ihre Rede zu verstehen. Sie staunten ihren Schmuck an. Salambo aber lie? einen langen erschrockenen Blick ��ber die Menge gleiten, zog dann den Kopf zwischen die Schultern und rief, indem sie die Arme erhob, mehrere Male:
?Was habt ihr getan! Was habt ihr getan! Hattet ihr nicht Brot und Fleisch und ?l und alles Malobathron aus den Speichern, um euch zu erlaben? Aus Hekatompylos hatte ich Ochsen kommen lassen. J?ger hatte ich in die W��ste geschickt ...? Ihre Stimme schwoll an, ihre Wangen r?teten sich. ?Wo seid ihr denn hier? In einer eroberten Stadt oder im Schlosse eines Herrschers? Und welches Herrschers? Meines Vaters, des Suffeten Hamilkar, des Dieners der G?tter! Er war es, der sich weigerte, eure Waffen dem Lutatius auszuliefern, eure Waffen, an denen jetzt das rote Blut seiner Sklaven klebt! Kennt ihr einen in euern Heimatlanden, der besser Schlachten zu lenken wei?? Schaut empor! Die Treppenstufen unsres Schlosses strotzen von den Zeichen unsrer Siege. Fahrt nur fort! Verbrennt es! Ich werde den Genius meines Hauses mit mir nehmen, meine schwarze Schlange, die da oben auf Lotosbl?ttern schlummert. Ich pfeife, und sie wird mir folgen. Und wenn ich in die Galeere steige, wird sie im Kielwasser meines Schiffs auf dem Schaume der Wogen hinter mir hereilen ...?
Ihre feinen Nasenfl��gel bebten. Sie zerbrach ihre Fingern?gel an den Juwelen auf ihrer Brust. Der Glanz ihrer Augen ermattete. Abermals begann sie:
?O, armes Karthago! Beweinenswerte Stadt! Du hast zu deinem Schutze nicht mehr die Helden der Vorzeit, die ��ber die Ozeane schifften, um an fernen K��sten Tempel zu erbauen! Alle L?nder arbeiteten f��r dich, und die Meeresfl?che, von deinen Rudern gepfl��gt, wiegte deine Beute!?
Dann begann sie von den Abenteuern Melkarths zu singen, des Gottes der Sidonier und des Ahnherrn ihres Hauses.
So erz?hlte sie von der Besteigung der ersiphonischen Berge, von der Fahrt nach Tartessus und dem Krieg gegen die Masisabal, um die K?nigin der Schlangen zu r?chen.
?Er verfolgte im Walde die Unholdin, deren Schweif sich ��ber das d��rre Laub schl?ngelte wie ein silberner Bach. Und er kam auf eine Wiese, wo Frauen auf den Flossen ihrer Drachenleiber um ein gro?es Feuer standen. Der Mond, rot wie Blut, leuchtete in einem bleichen Lichtkreis, und ihre scharlachroten Zungen, wie Fischerharpunen gespalten, schnellten gierig bis an die Flammen ...?
Ohne innezuhalten, berichtete Salambo, wie Melkarth die Masisabal bezwang und ihr abgeschlagenes Haupt am Bug seines Schiffes befestigte. ?Bei jedem Schlage der Wellen tauchte es in den Schaum! Doch die Sonne balsamierte es ein, und es ward h?rter denn Gold. Die Augen aber h?rten nicht auf zu weinen, und die Tr?nen rollten best?ndig in das Meer ...?
Das alles sang Salambo in einer alten kanaanitischen Mundart, die keiner der Barbaren verstand. Sie fragten sich, was sie ihnen mit den furchtbaren Geb?rden, die ihren Gesang begleiteten, wohl sagen wollte. Aber sie lauschten ihr, indem sie auf die Tische, die Liegeb?nke und in die ?ste der Sykomoren stiegen, mit offenem Mund und vorgestrecktem Kopfe, und m��hten sich, die geheimnisvolle Sage zu fassen. Das Dunkel, das ��ber dem Ursprung der G?tter liegt, wallte vor ihrer Phantasie, wie Gespenster in den Wolken.
Nur die bartlosen Priester verstanden Salambo. Ihre welken H?nde hingen zitternd in den Saiten der Leiern und entlockten ihnen von Zeit zu Zeit einen dumpfen Akkord. Schw?cher als alte Weiber, bebten sie gleichzeitig in mystischen Schauern und in Furcht vor den Kriegern. Die Barbaren achteten ihrer nicht. Sie lauschten dem Gesange der Jungfrau.
Keiner aber sah sie so unverwandt an wie ein junger numidischer H?uptling, der am Tische der Hauptleute unter den Soldaten seines Volkes sa?. Sein G��rtel starrte derma?en von Wurfspie?en, da? er unter dem weiten Mantel, der mit einem Lederriemen um seine Schl?fen befestigt war, einen H?cker bildete. Der Mantel bauschte sich auf seinen Schultern und beschattete sein Gesicht,
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