Schönheit an den Wangen
Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen. Sie stellt sich unter
den Gespielen dar Als weiße Taub in einer Krähenschar. Schließt sich
der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken Der zarten Hand soll meine Hand
beglücken. Liebt ich wohl je? Nein, schwör es ab, Gesicht! Du sahst bis
jetzt noch wahre Schönheit nicht.
TYBALT Nach seiner Stimm ist dies ein Montague. (Zu einem Diener.)
Hol meinen Degen, Bursch!--Was? Wagt der Schurk, Vermummt in
eine Fratze, herzukommen Zu Hohn und Schimpfe gegen unser Fest?
Fürwahr, bei meines Stammes Ruhm und Adel, Wer tot ihn schlüg,
verdiente keinen Tadel!
CAPULET Was habt Ihr, Vetter? Welch ein Sturm? Wozu?
TYBALT Seht, Oheim, der da ist ein Montague! Der Schurke drängt
sich unter Eure Gäste Und macht sich einen Spott an diesem Feste.
CAPULET Ist es der junge Romeo?
TYBALT Der Schurke Romeo!
CAPULET Seid ruhig, Herzensvetter! Laßt ihn gehn! Er hält sich wie
ein wackrer Edelmann; Und in der Tat, Verona preiset ihn Als einen
sittgen, tugendsamen Jüngling. Ich möchte nicht für alles Gut der Stadt
In meinem Haus ihm einen Unglimpf tun. Drum seid geduldig; merket
nicht auf ihn. Das ist mein Will, und wenn du diesen ehrst, So zeig dich
freundlich, streif die Runzeln weg, Die übel sich bei einem Feste
ziemen.
TYBALT Kommt solch ein Schurk als Gast, so stehn sie wohl. Ich leid
ihn nicht.
CAPULET Er soll gelitten werden, Er soll!--Herr Junge, hört Er das?
Nur zu! Wer ist hier Herr? Er oder ich? Nur zu! So, will Er ihn nicht
leiden?--Helf mir Gott!-- Will Hader unter meinen Gästen stiften? Will
sich als starken Mann hier wichtig machen?
TYBALT Ists nicht 'ne Schande, Oheim?
CAPULET Zu! Nur zu! Ihr seid ein kecker Bursch. Ei, seht mir doch!
Der Streich mag Euch gereun; ich weiß schon was. Ihr macht mirs bunt!
Ja, das käm eben recht!-- Brav, Herzenskinder!--Geht, vorwitzig seid
Ihr! Seid ruhig, sonst--Mehr Licht, mehr Licht, zum Kuckuck!-- Will
ich zur Ruh Euch bringen!--Lustig, Kinder!
TYBALT Mir kämpft Geduld aus Zwang mit willger Wut Im Innern
und empört mein siedend Blut. Ich gehe.--Hand ist frommer Waller
Kuß.
ROMEO Haben nicht Heilge Lippen wie die Waller?
JULIA Ja, doch Gebet ist die Bestimmung aller.
ROMEO O so vergönne, teure Heilge nun, Daß auch die Lippen wie
die Hände tun. Voll Inbrunst beten sie zu dir: erhöre, Daß Glaube nicht
sich in Verzweiflung kehre!
JULIA Du weißt, ein Heilger pflegt sich nicht zu regen, Auch wenn er
eine Bitte zugesteht.
ROMEO So reg dich, Holde, nicht, wie Heilge pflegen, Derweil mein
Mund dir nimmt, was er erfleht.
(Er küßt sie.)
Nun hat dein Mund ihn aller Sünd entbunden.
JULIA So hat mein Mund zum Lohn Sünd für die Gunst?
ROMEO Zum Lohn die Sünd? O Vorwurf, süß erfunden! Gebt sie
zurück!
(Küßt sie wieder.)
JULIA Ihr küßt recht nach der Kunst.
WÄRTERIN (tritt heran.) Mama will Euch ein Wörtchen sagen,
Fräulein.
ROMEO Wer ist des Fräuleins Mutter?
WÄRTERIN Ei nun, Junker, Das ist die gnädge Frau vom Hause hier,
Gar eine wackre Frau und klug und ehrsam. Die Tochter, die Ihr
spracht, hab ich gesäugt. Ich sag Euch, wer ihr' habhaft werden kann,
Ist wohl gebettet.
ROMEO Sie eine Capulet? O teurer Preis! Mein Leben Ist meinem
Feind als Schuld dahingegeben!
BENVOLIO Fort, laßt uns gehn; die Lust ist bald dahin.
ROMEO Ach, leider wohl! Das ängstet meinen Sinn.
CAPULET Nein, liebe Herrn, denkt noch ans Weggehn nicht! Ein
kleines, schlichtes Mahl ist schon bereitet.-- Muß es denn sein? Nun
wohl, ich dank Euch allen; Ich dank Euch, edle Herren: Gute Nacht!--
Mehr Fackeln her!--Kommt nun, bringt mich zu Bett.
(Zum zweiten Capulet.)
Wahrhaftig, es wird spät, ich will zur Ruh.
(Alle ab, außer Julia und Wärterin.)
JULIA Komm zu mir, Amme; wer ist dort der Herr?
WÄRTERIN Tiberios, des alten, Sohn und Erbe.
JULIA Wer ists, der eben aus der Türe geht?
WÄRTERIN Das, denk ich, ist der junge [Marcellin] Petruchio.
JULIA Wer folgt ihm da, der gar nicht tanzen wollte?
WÄRTERIN Ich weiß nicht.
JULIA Geh, frage, wie er heißt!--Ist er vermählt, So ist das Grab zum
Brautbett mir erwählt.
WÄRTERIN (kommt zurück.) Sein Nam ist Romeo, ein Montague
Und Eures großen Feindes einzger Sohn.
JULIA So einzge Lieb aus großem Haß entbrannt! Ich sah zu früh, den
ich zu spät erkannt. O Wunderwerk: ich fühle mich getrieben, Den
ärgsten Feind aufs zärtlichste zu lieben.
WÄRTERIN Wieso, wieso?
JULIA Es ist ein Reim, den ich von einem Tänzer Soeben lernte.
(Man ruft drinnen: Julia!)
WÄRTERIN Gleich, wir kommen ja! Kommt, laßt uns gehn; kein
Fremder ist mehr da.
(Ab.)
(Der Chorus tritt auf.)
CHORUS Die alte Liebe stirbt in ihm dahin, Und junge Zuneigung
beerbt sie da; Die Schöne, nach der schmachtend stand sein Sinn,
Scheint nicht mehr schön nun neben Julia. Er wird
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