Romanzero | Page 9

Heinrich Heine
die Spanier?Jeden Sturm zurück. Doch t?glich?Ward berennt die Burg aufs neue,?Und ermüdend war das Kampfspiel.
Nach dem Tod des K?nigs stockte?Auch der Lebensmittel Zufuhr;?Kürzer wurden die Rationen,?Die Gesichter wurden l?nger.
Und mit langen Angesichtern?Sahn sich an Hispaniens S?hne,?Und sie seufzten und sie dachten?An die traute Christenheimat,
An das teure Vaterland,?Wo die frommen Glocken l?uten?Und am Herde friedlich brodelt?Eine Ollea-Potrida,
Dick verschmoret mit Garbanzos,?Unter welchen, schalkhaft duftend,?Auch wohl kichernd, sich verbergen?Die geliebten Knoblauchwürstchen.
Einen Kriegsrat hielt der Feldherr,?Und der Rückzug ward beschlossen;?In der n?chsten Tagesfrühe?Soll das Heer die Stadt verlassen.
Leicht gelangs hineinzukommen?Einst durch List dem klugen Cortez,?Doch die Rückkehr nach dem Festland?Bot fatale Schwierigkeiten.
Mexiko, die Inselstadt,?Liegt in einem gro?en See,?Inder Mitte, flutumrauscht:?Eine stolze Wasserfestung,
Mit dem Uferland verkehrend?Nur durch Schiffe, Fl??e, Brücken,?Die auf Riesenpf?hlen ruhen;?Kleine Inseln bilden Furten.
Noch bevor die Sonne aufging,?Setzten sich in Marsch die Spanier;?Keine Trommel ward gerühret,?Kein Trompeter blies Reveille.
Wollten ihre Wirte nicht?Aus dem sü?en Schlafe wecken -?(Hunderttausend Indianer?Lagerten in Mexiko).
Doch der Spanier machte diesmal?Ohne seinen Wirt die Rechnung;?Noch frühzeitger aufgestanden?Waren heut die Mexikaner.
Auf den Brücken, auf den Fl??en,?Auf den Furten harrten sie,?Um den Abschiedstrunk alldorten?Ihren G?sten zu kredenzen.
Auf den Brücken, Fl??en, Furten,?Hei! da gabs ein toll Gelage!?Rot in Str?men flo? das Blut,?Und die kecken Zecher rangen -
Rangen Leib an Leib gepre?t,?Und wir sehn auf mancher nackten?Indianerbrust den Abdruck?Spanscher Rüstungsarabesken.
Ein Erdrosseln wars, ein Würgen,?Ein Gemetzel, das sich langsam,?Schaurig langsam, weiter w?lzte,?über Brücken, Fl??e, Furten.
Die Indianer sangen, brüllten,?Doch die Spanier fochten schweigend;?Mu?ten Schritt für Schritt erobern?Einen Boden für die Flucht.
In gedr?ngten Engpa?k?mpfen?Boten gringen Vorteil heute?Alteuropas strenge Kriegskunst,?Feuerschlünde, Harnisch, Pferde.
Viele Spanier waren gleichfalls?Schwer bepackt mit jenem Golde,?Das sie jüngst erpre?t, erbeutet -?Ach, die gelbe Sündenlast
L?hmte, hemmte sie im Kampfe,?Und das teuflische Metall?Ward nicht blo? der armen Seele,?Sondern auch dem Leib verderblich.
Mittlerweile ward der See?Ganz bedeckt von K?hnen, Barken;?Schützen sa?en drin und schossen?Nach den Brücken, Fl??en, Furten.
Trafen freilich im Getümmel?Viele ihrer eignen Brüder,?Doch sie trafen auch gar manchen?Hochvortrefflichen Hidalgo.
Auf der dritten Brücke fiel?Junker Gaston, der an jenem?Tag die Fahne trug, worauf?Konterfeit die heilge Jungfrau.
Dieses Bildnis selber trafen?Die Geschosse der Indianer;?Sechs Geschosse blieben stecken?Just im Herzen - blanke Pfeile,
?hnlich jenen güldnen Schwertern,?Die der Mater dolorosa?Schmerzenreiche Brust durchbohren?Bei Karfreitagsprozessionen.
Sterbend übergab Don Gaston?Seine Fahne dem Gonzalvo,?Der zu Tod getroffen gleichfalls?Bald dahinsank. - Jetzt ergriff
Cortez selbst das teure Banner,?Er, der Feldherr, und er trug es?Hoch zu Ro? bis gegen Abend,?Wo die Schlacht ein Ende nahm.
Hundertsechzig Spanier fanden?Ihren Tod an jenem Tage;?über achtzig fielen lebend?In die H?nde der Indianer.
Schwer verwundet wurden viele,?Die erst sp?ter unterlagen.?Schier ein Dutzend Pferde wurde?Teils get?tet, teils erbeutet.
Gegen Abend erst erreichten?Cortez und sein Heer das sichre?Uferland, ein Seegestade,?Karg bepflanzt mit Trauerweiden.
II
Nach des Kampfes Schreckenstag?Kommt die Spuknacht des Triumphes;?Hunderttausend Freudenlampen?Lodern auf in Mexiko.
Hunderttausend Freudenlampen,?Waldharzfackeln, Pechkranzfeuer?Werfen grell ihr Tageslicht?Auf Pal?ste, G?tterhallen,
Gildenh?user und zumal?Auf den Tempel Vitzliputzlis,?G?tzenburg von rotem Backstein,?Seltsam mahnend an ?gyptisch,
Babylonisch und assyrisch?Kolossalen Bauwerk-Monstren,?Die wir schauen auf den Bildern?Unsers Britten Henri Martin.
Ja, das sind dieselben breiten?Rampentreppen, also breit,?Da? dort auf und nieder wallen?Viele tausend Mexikaner,
W?hrend auf den Stufen lagern?Rottenweis die wilden Krieger,?Welche lustig bankettieren,?Hochberauscht von Sieg und Palmwein.
Diese Rampentreppen leiten,?Wie ein Zickzack, nach der Plattform,?Einem balustradenartgen?Ungeheuern Tempeldach.
Dort auf seinem Thronaltar?Sitzt der gro?e Vitzliputzli,?Mexikos blutdürstger Kriegsgott.?Ist ein b?ses Ungestüm,
Doch sein ?u?res ist so putzig,?So verschn?rkelt und so kindisch,?Da? er trotz des innern Grausens?Dennoch unsre Lachlust kitzelt -
Und bei seinem Anblick denken?Wir zu gleicher Zeit etwa?An den blassen Tod von Basel?Und an Brüssels Mannke-Pi?.
An des Gottes Seite stehen?Rechts die Laien, links die Pfaffen;?Im Ornat von bunten Federn?Spreizt sich heut die Klerisei.
Auf des Altars Marmorstufen?Hockt ein hundertj?hrig M?nnlein,?Ohne Haar an Kinn und Sch?del;?Tr?gt ein scharlach Kamis?lchen.
Dieses ist der Opferpriester,?Und er wetzet seine Messer,?Wetzt sie l?chelnd, und er schielet?Manchmal nach dem Gott hinauf.
Vitzliputzli scheint den Blick?Seines Dieners zu verstehen,?Zwinkert mit den Augenwimpern?Und bewegt sogar die Lippen.
Auf des Altars Stufen kauern?Auch die Tempelmusici,?Paukenschl?ger, Kuhhornbl?ser -?Ein Gerassel und Getute -
Ein Gerassel und Getute,?Und es stimmet ein des Chores?Mexikanisches Tedeum -?Ein Miaulen wie von Katzen -
Ein Miaulen wie von Katzen,?Doch von jener gro?en Sorte,?Welche Tigerkatzen hei?en?Und statt M?use Menschen fressen!
Wenn der Nachtwind diese T?ne?Hinwirft nach dem Seegestade,?Wird den Spaniern, die dort lagern,?Katzenj?mmerlich zu Mute.
Traurig unter Trauerweiden,?Stehen diese dort noch immer?Und sie starren nach der Stadt,?Die im dunkeln Seegew?sser
Widerspiegelt, schier verh?hnend,?Alle Flammen ihrer Freude -?Stehen dort wie im Parterre?Eines gro?en Schauspielhauses,
Und des Vitzliputzli-Tempels?Helle Plattform ist die Bühne,?Wo zur Siegesfeier jetzt?Ein Mysterium tragiert wird.
?Menschenopfer? hei?t das Stück.?Uralt ist der Stoff, die Fabel;?In der christlichen Behandlung?Ist das Schauspiel nicht so gr??lich.
Denn dem Blute wurde Rotwein,?Und dem Leichnam, welcher vorkam,?Wurde eine harmlos dünne?Mehlbreispeis transsubstituieret -
Diesmal aber, bei den Wilden,?War der Spa? sehr roh und ernsthaft?Aufgefa?t: man speiste Fleisch,?Und das Blut war Menschenblut.
Diesmal war es gar das Vollblut?Von Altchristen, das sich nie,?Nie vermischt hat mit dem Blute?Der Moresken und der Juden.
Freu dich, Vitzliputzli, freu dich,?Heute gibt es Spanierblut,?Und am warmen Dufte wirst du?Gierig laben deine Nase.
Heute werden dir geschlachtet?Achtzig Spanier, stolze Braten?Für die Tafel deiner Priester,?Die sich an dem Fleisch erquicken.
Denn der Priester ist ein Mensch,?Und der Mensch, der arme Fresser,?Kann nicht blo? vom Riechen leben?Und vom Dufte, wie die G?tter.
Horch!
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 29
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.