Romanzen vom Rosenkranz | Page 5

Clemens Brentano
mit bunten Farben,
Schmückt sie auch mit Punkten
Goldes;
Brennen soll sie am Altare
Bei der Totenmesse morgen.
Und so hat er still gemalet,
Bis zum Garten ging des Mondes

Blanke Sichel, und des Abends
Rosen streute für Auroren.
0. Romanze III: Meliore und Apone
Ruhig steht mit seinem Buche
Schon Meliore auf der Straße,
Vor

dem Haus der hohen Schule
auf die Mitgenossen harrend.
Er bedenkt die tiefsten Punkte,
Die Apone vorgetragen,
Wünscht
ihm eine leichtre Zunge
Und sich schärfere Gedanken.
Daß die Welt aus Gott entsprungen,
Und doch nicht von ihm
erschaffen;
Daß Gott sei im Mittelpunkte,
Wo auch nichts sei und
doch alles --
Dieses scheint ihm höchstens dunkel;
Aber da er Apo fragte,
Sprach
der Lehrer: "Es war dunkel,
Da das Licht noch war im Schaffen.
Bildend in den Kreaturen,
Hatte es nicht Zeit zu strahlen;
Also sei
es dir kein Wunder,
Daß es noch bei dir nicht taget.
Fühlst du erst die Macht des Dunkels,
Dann magst du nach Licht
recht schmachten,
Nur der Durstgen Wünschelrute
Wird auf kühle
Brunnen schlagen.
Ist es mir erst recht gelungen
Euch ins Dunkle einzufangen,
Dann
zu sehn des Lichtes Wunder,
Mögt ihr selbst ins Aug euch schlagen."
--
Und so gab er sich zur Ruhe,
Wollte nicht mehr weiter fragen,
Ließ
ergeben sich hinunter
In der Weisheit Stollen fahren.
Harmoniam der Naturen,
Welche auf smaragdner Tafel
Nach der
Sündflut aufgefunden
Zara, in Hermetis Grabe,
Und der Dinge Signaturen
Hat schon Apo vorgetragen,
Und
beinahe ists schon dunkel,
Daß man sich ins Aug möcht schlagen.
Aber heute in der Stunde
Wird er hohe Dinge sagen,
Von der Töne
Macht und Wunder
Und der Kunst des Liebestrankes.
O, daß er die ganze Stunde
Lehrte von dem Liebestranke,
Denn

Meliore kennt die Wunder
Harfenklanges und Gesanges.
Denn es schlug die Liebeswunden
Ihm Biondettas Wunderharfe,

Die um Tanz und Sang und Tugend
Man die heilge Tänzrin nannte.
Doch nun hört an dem Turme
Eine Viertelstunde schlagen,
Und
durchs Fenster in der Schule
Apos Stimme lehrend schallen.
Da er so versäumt die Stunde
Von der Kunst des Liebestrankes,

Will er eilen zu dem Brunnen,
Wo der Trank lebendig wallet.
Trunken schlugen seine Pulse,
Da er ihrer Wohnung nahet;
Wie
durch dunkle Grüfte, rufend
Sich, verwandte Quellen wandeln,
Sich in ewiger Unruh suchen,
Aber fest in Stein gefangen,

Murmelnd ungeduldig sprudeln,
Können nicht zusammenfallen.
An Biondettens Fenster duftet
Einer blühnden Linde Schatten,
In
den Zweigen gehn zur Schule
Gern die süßen Nachtigallen.
Lauschen in den Dämmerungen
Auf der Jungfrau Sang und Harfe,

Wenn die Meisterin verstummet
Wiederholen sie es lallend.
In Bewundrung ganz betrunken
Singt das Bölklein durcheinander,

Die Studentlein ohne Ruhe
Mit dem Federmantel schlagen.
Oft auch mischt ein frecher Kunde
Drein den ungewaschnen
Schnabel,
Und die Sänger all im Sturme
Fassen, rupfen ihm den
Kragen.
Und entflohn zum nahen Turme
Lehrt der Star die andern Stare

Eines höhern Standpunkts Schule,
Gründend auf der Wetterfahne.
Klagt auch, daß die andern drunten
Seine Hauptideen stahlen,

Macht ein kunterbunt Gemunkel,
Läßt in alle Welt es tragen.

Doch in den Begeisterungen
Weiß die Jungfrau nichts von allem,

Sie hat nur vor Gott gesungen,
Lauschen gleich die Nachtigallen.
So vergleicht der hohen Schule
Er der hohen Linde Schatten,
Wo in
überflüssgen Zungen
Ihm Biondettens Sang verhallet.
Ach! er möchte hin zum Grunde
Stürzen dieses Baumes Schatten,

Oder in den Zweigen ruhend,
Die ihm bloß ertönt, betrachten.
Doch ein Bild von Gottes Mutter
Steht auf einsamen Altare
Bei der
Linde, ihre Kuppel
Wölbet ihm des Tempels Halle.
Ihm zur Seite steht ein Brunnen
Einsam wie das Bild, es fallen
Leis
der Linde Blüten runter
Auf den Spiegel seines Wassers.
Arm ist wohl das Bild an Schmucke,
Handel-, wandellos die Straße,

Aber nächtlich hört die Mutter
Hell Biondettens süßes: Ave!
Und geht sie, im bunten Putze
Schimmernd, zu der Bühne abends,

Teilt sie fromm die Flitterblumen
Mit Marien, voll der Gnaden.
Auf des Altars öder Stufe
Keimen Blümlein in dem Grase;
Nahe ist
das Tor, hier ruhen
Gern, sich ordnend, müde Wandrer.
Denn hier steht ein kühler Brunnen
Einsam wie das Bild, es fallen

Leis der Linde Blüten runter
Auf den Spiegel seines Wassers.
Still an des Altares Stufen
Kniet Meliore und betrachtet
Glaubend,
was mit Dämmerungen
Ihm der Schule Geist umnachtet.
Eine Jungfrau kömmt zum Brunnen;
Zu der Stadt trägt Rosablanke

Einen Korb mit Wachs und Blumen,
Sprengt die Rosen an mit
Wasser.
Sitzt zu ruhn dann auf die Stufen
Bei dem Jüngling am Altare,
Ihre

züchtgen Augen wurzeln
Bang auf der Gestalt des Mannes.
Die erfrischten Rosen rufen,
Und er blickt nach Rosablanken;
Wie
der Born geweckt die Blumen,
Weckt sein Blick die Rosenwange.
Von geheimer Macht bezwungen
Spricht die Jungfrau: "Herr, im
Garten
Bot ich heut dir diese Blumen,
Und du hast sie
ausgeschlagen.
Grubst dir emsig eine Grube,
Und empor schoß eine Schlange;
Du
gingst in der Grube unter,
Ach in mir ist dieser Garten!
Es erschien mir Gottes Mutter
Und zertrat die böse Schlange,
Und
doch fühl ich mich verwundet,
Da ich lebend dich betrachte!"
Und Meliore spricht verwundert:
"Du klagst einem kranken Arzte,

Rettung müßte ich sonst suchen
Vor der Schönheit meiner Kranken.
Du sagst wahr: Längst ging ich unter
In der Wangen Rosengarten,

Der Gesang des süßten Mundes
War mir eine bunte Schlange.
Aber hier steht Gottes Mutter.
Daß sie unser sich erbarme,
Lasse
um die Stirn ihr duftend
Einen Kranz von Rosen prangen!"
Und er sitzet auf den Stufen,
Flichten den Kranz mit Rosablanken;

Da bricht durch der Linde Dunkel
Zu dem Bild Biondettens: Ave!
Und es krönet Gottes Mutter
Schon Meliore mit dem Kranze,
Und
Biondettens Lied verstummet,
Bitter weinet Rosablanke.
Ihr zum Herzen hingedrungen
Sind die Fluten des Gesanges,
Ihr im
Busen ist
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