Romanzen vom Rosenkranz | Page 3

Clemens Brentano
ausgestreckt,
Da
kamen sie, dich boshaft mir zu rauben,
Die Unverständ'gen haben
mich geweckt.
Nie blüht ihr wieder mir, ihr Jugendlauben,
Im

Fackelschimmer nie betrogner Lust!
Die Liebe starb, die Hoffnung
und der Glauben.
Was füllet jetzt die narbenvolle Brust?
Verbrannt
das Herz! wie knirscht die tote Kohle!
Das habt ihr stillen Tränen
wohl gewußt.
Zur Stube mußt ich, harte Worte holen,
Zur Strafe
büßt ich ein mein Abendbrot,
Als hätte ich, was Gott mir gab,
gestohlen:
Des selgen Traumes tiefes Abendrot.
Da war mein Herz
im Innersten ergrimmet,
Ich fühlte recht, was mir zum Dasein not:

Ein Himmel blau, in dem die Hoffnung schwimmet,
Ein Schmerz in
meiner freien starken Hand,
Die ihn nach ihren Melodien stimmet.

Und alles dies, was da zuerst ich fand,
Ward mit Moralien und
trocknen Blicken
Zertrümmert mir, was niemals ich verstand.

Entschuldigend erzählt ich mein Entzücken;
Da lachte man den
armen Träumer aus,
Den Scherbenkönig, drehte mir den Rücken;

Und als ich weinte, bracht man mich hinaus
Zum dunklen Gartensaal
voll Malereien,
Der immer mich erfüllet hat mit Graus.
Es schienen
da in traurig langen Reihen
Die Bilder von den Schatten überbebt,

Die mondumspielte Rebenlauben streuen.
Den Richter sah ich, der
das Schwert erhebt,
Vor Salomon das Kindlein zu zerspalten;
Es
schwankt das Laub, er zuckt, er scheint belebt.
Ich schauderte und
konnte mich nicht halten
Und kniete nieder vor Mariens Bild.
Die
Hände hab ich innig da gefalten
Und flehte kindisch zu der Mutter
mild:
"O, Mutter Gottes, hilf dem armen Kinde!"
Da deckte sie
mich mit allgütgem Schild;
Mein Schmerz zerfloß im Beten hin
gelinde,
Es senkte nieder sich der ernste Traum,
Ich schlummert ein
im Schatten jener Linde.
0. Romanzen vom Rosenkranz ** Romanze I: Rosablankens Traum
"Bitte für uns arme Sünder
Jetzt und in dem Tode, Amen!"
Spricht sie -- und vom Stern der Frühe

Weissagt auch die fromme
Schwalbe,
Und des Traumes schwülen Flügel
Spannt sie über
Rosablanken.
Auf der goldnen Locke Fülle,
Schwer vom blanken Nacken wallend,


Sinkt ihr schlummernd Haupt zurücke,
Himmelsspiegel wird die
Wange.
Schüchtern um die rosgen Füße
Ihr der Tau die Traumflut sammelt,

Und der West mit kühlem Flüstern
Dunkle Schlummersegel
spannet.
Und der Traum spielt, sie berückend,
Auf der Wimpern goldnen
Strahlen,
Die zum Schlummer sind entzücket
In des Morgensternes
Glanze.
Und es kreuziget die Süße
Fromm gewohnt sich Stirn und Wange,

Legt in Gottes Hand die Zügel
Der nachtwandelnden Gedanken.
Von den lichtergrauten Hügeln
Nieder zu des Tales Garten
Durch
die Nebelwege düster
Sieht sie einen Jüngling wallen.
Zu des Gartens Rosengrüften,
Wo die Düfte schlummernd schwanken,

Eilet Rosablanka schüchtern;
Jener folget ihrem Pfade,
Wandelt ernsthaft durch die Türe,
In der Rechten einen Spaten,
Und
sie wagt nicht, ihn zu grüßen,
Also hell und finster war er.
Und sie pflückt gebückt in Züchten
Süße Blümlein, die noch schlafen,

Die unschuldgen, ohne Sünde,
Ohne Taufe, ihm zum Kranze.
Da sie scheu den Kranz schon ründet,
Steht vor ihr der trübe Wandrer,

Spricht: "Wohl selig sind die Blüten,
Die du tötetest im Schlafe;
Selig in der Nacht gepflücket,
Die in Unschuld sind empfangen,

Die nicht traf der Fluch der Sünde,
Starben selig vor dem Apfel.
Aber uns tut not zu büßen,
Denn das Weib ward durch die Schlange

Zu dem Gottesraub verführet,
Den sie teilte mit dem Manne.
Und so hat der Herr erzürnet
An die Erde uns gebannet;
In der

Mutter muß ich wühlen
Nach dem göttlichen Erbarmen.
Mit dem Fleische ist die Sünde
Aus der Erde aufgegangen;
In der
Mutter muß ich wühlen,
Bis der Vater sich erbarmet!"
Und vor Rosablankens Füßen
Fing der Ernste an zu graben,
Und da
er die Gruft erwühlet,
Hat die Erde ihn umfangen.
Mit ihm zu der Erden Grüften
Sinken auch des Tales Schatten;
Aus
den Gründen zu den Hügeln
Tritt die Nebelwoge wachsend.
Trüb getürmt auf düstern Füßen
Schwankt der Riese auf am Walde,

Schwingt die Nacht auf seinen Rücken,
Kalt die Nebelfäuste
ballend.
Trügend rüstet sich der Lügner
Mit dem Sonnengott zum Kampfe,

Der auf goldnen Flügelfüßen
Flammet aus dem Ozeanen.
Seinen Spiegel stellt er lügend
In der Dünste giftgem Walle

Antichristisch ihm genüber;
Jeder wache, nicht zu fallen!
Wo der Traum in irdschen Gründen
Barg den Mann, will Rosablanke

Ganz in tiefer Angst entzücket
Ihren Blumenkranz begraben.
Aber ihr entgegen züngelnd
Reckt sich eine bunte Schlange,
Und
mit heilgem Mut gerüstet
Betet bebend Rosablanke:
"Sei verflucht, du Geist der Lügen,
Dich zertrat des Weibes Samen;

O Maria, sei gegrüßet,
Mutter Gottes, voller Gnaden!
Amen!" und aus Himmelsflüssen
Gießt sich aus ein Meer des
Glanzes:
__Maris Stella__ sei gegrüßet,
__Semper virgo, ave,
salve!__
Und der Jungfrau Heldenfüße
Traten auf das Haupt der Schlange;

Kindisch ihre Schuld zu sühnen
Gibt dem Kranz ihr Rosablanke.

Aber auf des Tales Hügeln
Glüht die Sonne, und es wallen
Schon
die Bienen nach den Blüten,
Und es eilt die fromme Schwalbe,
Kühlt des Traumes schwülen Flügel
Auf dem Spiegel klarer Wasser,

Und beträufelt mit dem Flügel
Weckend Rosablankens Wange.
0. Romanze II: Kosme und Rosablanka
Auf des Fensters Efeuranken
Spielt der Strahl der jungen Sonne,

Und des Laubes Schatten schwankend
Weckt den greisen Vater
Kosme.
Schlummerstille ist die Kammer
Rosablankens, als er horchet,
Und
er trägt den Krug zum Bache,
Füllet ihn mit frischem Borne.
Aus dem Wasserspiegel mahnet
Ihn des Alters ernster Bote;
"Du
wirst bald die Schuld bezahlen!"
Spricht des Hauptes Silberlocke.
Betend senkt er in dem Schatten
Seine Stirne an den Boden;
Mit
ihm betet auch das Wasser
und des Gartens heilge Rose.
Und des Tales Sänger alle,
Blumen, Bäume, hohe Wolken,

Schallend, wachend, atmend, wandelnd,
Opfern fromm der goldnen
Sonne.
Aber zu der Kinder Lallen
Weint der graue Büßer Kosme,
Denn um
seine Hütte
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