Roemische Geschichte, Band 5 | Page 8

Theodor Mommsen
in seiner Zeit noch
haette es eine klare und ansehnliche Stellung fuer ihn gegeben, wofern
er damit sich genuegen liess, der Feldherr des Rates zu sein, zu dem er
von Haus aus bestimmt war. Es genuegte ihm nicht und so geriet er in
die verhaengnisvolle Lage, etwas anderes sein zu wollen als er sein
konnte. Bestaendig trachtete er nach einer Sonderstellung im Staat und
wenn sie sich darbot, konnte er sich nicht entschliessen, sie
einzunehmen; mit tiefer Erbitterung nahm er es auf, wenn Personen und
Gesetze nicht unbedingt vor ihm sich beugten, und doch trat er selbst
mit nicht bloss affektierter Bescheidenheit ueberall auf als einer von
vielen Gleichberechtigten und zitterte vor dem blossen Gedanken,
etwas Verfassungswidriges zu beginnen. Also bestaendig in
gruendlicher Spannung mit und doch zugleich der gehorsame Diener
der Oligarchie, bestaendig gepeinigt von einem Ehrgeiz, der vor seinem
eigenen Ziele erschrickt, verfloss ihm in ewigem innerem Widerspruch
freudelos sein vielbewegtes Leben. Ebensowenig als Pompeius kann
Marcus Crassus zu den unbedingten Anhaengern der Oligarchie
gezaehlt werden. Er ist eine fuer diese Epoche hoechst charakteristische
Figur. Wie Pompeius, dem er im Alter um wenige Jahre voranging,
gehoerte auch er zu dem Kreise der hohen roemischen Aristokratie,
hatte die gewoehnliche standesmaessige Erziehung erhalten und gleich

Pompeius unter Sulla im Italischen Kriege mit Auszeichnung gefochten.
An geistiger Begabung, literarischer Bildung und militaerischem Talent
weit zurueckstehend hinter vielen seinesgleichen, ueberfluegelte er sie
durch seine grenzenlose Ruehrigkeit und durch die Beharrlichkeit, mit
der er rang, alles zu besitzen und zu bedeuten. Vor allen Dingen warf er
sich in die Spekulation. Gueterkaeufe waehrend der Revolution
begruendeten sein Vermoegen; aber er verschmaehte keinen
Erwerbszweig; er betrieb das Baugeschaeft in der Hauptstadt ebenso
grossartig wie vorsichtig; er ging mit seinen Freigelassenen bei den
mannigfaltigsten Unternehmungen in Kompagnie; er machte in und
ausser Rom, selbst oder durch seine Leute den Bankier; er Schoss
seinen Kollegen Im Senat Geld vor und unternahm es, fuer ihre
Rechnung wie es fiel Arbeiten auszufuehren oder Richterkollegien zu
bestechen. Waehlerisch im Profitmachen war er eben nicht. Schon bei
den Sullanischen Aechtungen war ihm eine Faelschung in den Listen
nachgewiesen worden, weshalb Sulla sich von da an in
Staatsgeschaeften seiner nicht weiter bedient hatte; die Erbschaft nahm
er darum nicht weniger, weil die Testamentsurkunde, in der sein Name
stand, notorisch gefaelscht war; er hatte nichts dagegen, wenn seine
Meier die kleinen Anlieger ihres Herrn von ihren Laendereien
gewaltsam oder heimlich verdraengten. Uebrigens vermied er offene
Kollisionen mit der Kriminaljustiz und lebte als echter Geldmann selbst
buergerlich und einfach. Auf diesem Wege ward Crassus binnen wenig
Jahren aus einem Mann von gewoehnlichem senatorischen, der Herr
eines Vermoegens, das nicht lange vor seinem Tode nach Bestreitung
ungeheurer ausserordentlicher Ausgaben sich noch auf 170 Mill.
Sesterzen (13 Mill. Taler) belief: er war der reichste Roemer geworden
und damit zugleich eine politische Groesse. Wenn nach seiner
Aeusserung niemand sich reich nennen durfte, der nicht aus seinen
Zinsen ein Kriegsheer zu unterhalten vermochte, so war, wer dies
vermochte, kaum noch ein blosser Buerger. In der Tat war Crassus'
Blick auf ein hoeheres Ziel gerichtet als auf den Besitz der gefuelltesten
Geldkiste in Rom. Er liess es sich keine Muehe verdriessen, seine
Verbindungen auszudehnen. Jeden Buerger der Hauptstadt wusste er
beim Namen zu gruessen. Keinem Bittenden versagte er seinen
Beistand vor Gericht. Zwar die Natur hatte nicht viel fuer ihn als
Sprecher getan: seine Rede war trocken, der Vortrag eintoenig, er

hoerte schwer; aber sein zaeher Sinn, den keine Langeweile
abschreckte wie kein Genuss abzog, ueberwand die Hindernisse. Nie
erschien er unvorbereitet, nie extemporierte er, und so ward er ein
allzeit gesuchter und allzeit fertiger Anwalt, dem es keinen Eintrag tat,
dass ihm nicht leicht eine Sache zu schlecht war und dass er nicht bloss
durch sein Wort, sondern auch durch seine Verbindungen und
vorkommenden Falls durch sein Gold auf die Richter einzuwirken
verstand. Der halbe Rat war ihm verschuldet; seine Gewohnheit, den
Freunden Geld ohne Zinsen auf beliebige Rueckforderung
vorzuschiessen, machte eine Menge einflussreicher Maenner von ihm
abhaengig, um so mehr, da er als echter Geschaeftsmann keinen
Unterschied unter den Parteien machte, ueberall Verbindungen
unterhielt und bereitwillig jedem borgte, der zahlungsfaehig oder sonst
brauchbar war. Die verwegensten Parteifuehrer, die ruecksichtslos nach
allen Seiten hin ihre Angriffe richteten, hueteten sich, mit Crassus
anzubinden; man verglich ihn dem Stier der Herde, den zu reizen fuer
keinen raetlich war. Dass ein so gearteter und so gestellter Mann nicht
nach niedrigen Zielen streben konnte, leuchtet ein; und, anders als
Pompeius, wusste Crassus genau wie ein Bankier, worauf und womit er
politisch spekulierte. Seit Rom stand, war daselbst das Kapital eine
politische Macht; die Zeit war von der Art, dass dem Golde wie dem
Eisen alles zugaenglich schien. Wenn in der Revolutionszeit eine
Kapitalistenaristokratie daran hatte denken moegen, die Oligarchie der
Geschlechter zu stuerzen, so durfte auch ein Mann wie Crassus die
Blicke hoeher erheben
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