Nachfolger finden
sollte, so war ein Kampf auf Tod und Leben unvermeidlich; indes fuer
jetzt wenigstens war noch kein Name zu nennen, dessen Traeger ein so
hohes Ziel sich vorgesteckt haette. Derart war die Opposition, mit der
das von Sulla eingesetzte oligarchische Regiment zu kaempfen hatte,
nachdem dasselbe, frueher als Sulla selbst gedacht haben mochte, durch
seinen Tod auf sich selber angewiesen worden war. Die Aufgabe war
an sich nicht leicht und ward noch erschwert durch die sonstigen
sozialen und politischen Uebelstaende dieser Zeit, vor allem durch die
ungemeine Schwierigkeit, teils die Militaerchefs in den Provinzen in
Unterwuerfigkeit gegen die hoechste buergerliche Obrigkeit zu erhalten,
teils in der Hauptstadt mit den Massen des daselbst sich anhaeufenden
italischen und ausseritalischen Gesindels und der in Rom grossenteils
in faktischer Freiheit lebenden Sklaven fertig zu werden, ohne doch
Truppen zur Verfuegung zu haben. Der Senat stand wie in einer von
allen Seiten ausgesetzten und bedrohten Festung, und ernstliche
Kaempfe konnten nicht ausbleiben. Aber auch die von Sulla geordneten
Widerstandsmittel waren ansehnlich und nachhaltig; und wenngleich
die Majoritaet der Nation der Regierung, wie Sulla sie eingesetzt hatte,
offenbar abgeneigt, ja ihr feindselig gesinnt war, so konnte
nichtsdestoweniger gegen die irre und wirre Masse einer Opposition,
welche weder im Ziel noch im Weg zusammen und hauptlos in hundert
Fraktionen auseinanderging, die Regierung sehr wohl noch auf lange
hinaus in ihrer festen Burg sich behaupten. Nur freilich musste sie auch
sich behaupten wollen und wenigstens einen Funken jener Energie, die
ihre Festung gebaut hatte, zu deren Verteidigung heranbringen; fuer
eine Besatzung, die sich nicht wehren will, zieht der groesste
Schanzkuenstler vergebens seine Mauern und Graeben. Je mehr
schliesslich alles ankam auf die Persoenlichkeit der leitenden Maenner
auf beiden Seiten, desto uebler war es, dass es genau genommen auf
beiden Seiten an Fuehrern fehlte. Die Politik dieser Zeit ward durchaus
beherrscht von dem Koteriewesen in seiner schlimmsten Gestalt. Wohl
war dasselbe nichts Neues; die Familien- und Klubgeschlossenheit ist
untrennbar von der aristokratischen Ordnung des Staats und war seit
Jahrhunderten in Rom uebermaechtig. Aber allmaechtig wurde dieselbe
doch erst in dieser Epoche, wie denn ihr Einfluss auch erst jetzt (zuerst
690 64) durch gesetzliche Repressivmassregeln weniger gehemmt als
konstatiert ward. Alle Vornehmen, die popular Gesinnten nicht minder
als die eigentliche Oligarchie, taten sich in Hetaerien zusammen; die
Masse der Buergerschaft, soweit sie ueberhaupt an den politischen
Vorgaengen regelmaessig sich beteiligte, bildete nach den
Stimmbezirken gleichfalls geschlossene und fast militaerisch
organisierte Vereine, die an den Vorstehern der Bezirke, den
"Bezirksverteilern" (divisores tribuum), ihre natuerlichen Hauptleute
und Mittelsmaenner fanden. Feil war diesen politischen Klubs alles: die
Stimme des Waehlers vor allem, aber auch die des Ratsmanns und des
Richters, auch die Faeuste, die den Strassenkrawall machten, und die
Rottenfuehrer, die ihn lenkten - nur im Tarif unterschieden sich die
Assoziationen der Vornehmen und der Geringen. Die Hetaerie
entschied die Wahlen, die Hetaerie beschloss die Anklagen, die
Hetaerie leitete die Verteidigung; sie gewann den angesehenen
Advokaten, sie akkordierte im Notfall wegen der Freisprechung mit
einem der Spekulanten, die den eintraeglichen Handel mit
Richterstimmen im grossen betrieben. Die Hetaerie beherrschte durch
ihre geschlossenen Banden die Strassen der Hauptstadt und damit nur
zu oft den Staat. All diese Dinge geschahen nach einer gewissen Regel
und sozusagen oeffentlich; das Hetaerienwesen war besser geordnet
und besorgt als irgendein Zweig der Staatsverwaltung; wenn auch, wie
es unter zivilisierten Gaunern ueblich ist, von dem verbrecherischen
Treiben nach stillschweigendem Einverstaendnis nicht geradezu
gesprochen ward, so hatte doch niemand dessen ein Hehl, und
angesehene Sachwalter scheuten sich nicht, ihr Verhaeltnis zu den
Hetaerien ihrer Klienten oeffentlich und verstaendlich anzudeuten.
Fand sich hier und da ein einzelner Mann, der diesem Treiben und nicht
zugleich dem oeffentlichen Leben sich entzog, so war er sicher, wie
Marcus Cato, ein politischer Don Quichotte. An die Stelle der Parteien
und des Parteienkampfes traten die Klubs und deren Konkurrenz, an die
Stelle des Regiments die Intrige. Ein mehr als zweideutiger Charakter,
Publius Cethegus, einst einer der eifrigsten Marianer, spaeter als
Ueberlaeufer zu Sulla zu Gnaden aufgenommen, spielte in dem
politischen Treiben dieser Zeit eine der einflussreichsten Rollen, einzig
als schlauer Zwischentraeger und Vermittler zwischen den
senatorischen Fraktionen und als staatsmaennischer Kenner aller
Kabalengeheimnisse; zu Zeiten entschied ueber die Besetzung der
wichtigsten Befehlshaberstellen das Wort seiner Maetresse Praecia.
Eine solche Misere war eben nur moeglich, wo keiner der politisch
taetigen Maenner sich ueber die Linie des Gewoehnlichen erhob; jedes
ausserordentliche Talent haette diese Faktionenwirtschaft wie
Spinnweben weggefegt; aber eben an politischen und militaerischen
Kapazitaeten war der bitterste Mangel. Von dem aelteren Geschlecht
hatten die Buergerkriege keinen einzigen angesehenen Mann
uebriggelassen als den alten, klugen, redegewandten Lucius Philippus
(Konsul 663 91),. der, frueher popular gesinnt, darauf Fuehrer der
Kapitalistenpartei gegen den Senat und mit den Marianern eng
verknuepft, endlich zeitig genug, um Dank und Lohn zu ernten,
uebergetreten zu der siegenden Oligarchie, zwischen den Parteien
durchgeschluepft war. Unter den
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