Roemische Geschichte, Band 5 | Page 6

Theodor Mommsen
Iunius Brutus (Konsul 677 77), Mamercus Aemilius Lepidus Livianus (Konsul 677 77) und andern solchen Nullitaeten, an denen der vollklingende aristokratische Name das gute Beste war. Aber auch jene vier Maenner erhoben sich wenig ueber den Durchschnittswert der vornehmen Adligen dieser Zeit. Catulus war gleich seinem Vater ein feingebildeter Mann und ehrlicher Aristokrat, aber von maessigen Talenten und namentlich kein Soldat. Metellus war nicht bloss ein persoenlich achtbarer Charakter, sondern auch ein faehiger und erprobter Offizier: nicht so sehr wegen seiner engen verwandtschaftlichen und kollegialischen Beziehungen zu dem Regenten, als besonders wegen seiner anerkannten Tuechtigkeit war er im Jahre 675 (79) nach Niederlegung des Konsulats nach Spanien gesandt worden, als dort die Lusitaner und die roemischen Emigranten unter Quintus Sertorius abermals sich regten. Tuechtige Offiziere waren auch die beiden Lucullus, namentlich der aeltere, der ein sehr achtbares militaerisches Talent mit gruendlicher literarischer Bildung und schriftstellerischen Neigungen vereinigte und auch als Mensch ehrenwert erschien. Allein als Staatsmaenner waren doch selbst diese besseren Aristokraten nicht viel weniger schlaff und kurzsichtig als die Dutzendsenatoren der Zeit. Dem aeusseren Feind gegenueber bewaehrten die namhafteren darunter sich wohl als brauchbar und brav; aber keiner von ihnen bezeigte Lust und Geschick, die eigentlich politischen Aufgaben zu loesen und das Staatsschiff durch die bewegte See der Intrigen und Parteiungen als rechter Steuermann zu lenken. Ihre politische Weisheit beschraenkte sich darauf, aufrichtig zu glauben an die alleinseligmachende Oligarchie, dagegen die Demagogie ebenso wie jede sich emanzipierende Einzelgewalt herzlich zu hassen und mutig zu verwuenschen. Ihr kleiner Ehrgeiz nahm mit wenigem vorlieb. Was von Metellus in Spanien erzaehlt wird, dass er nicht bloss die wenig harmonische Leier der spanischen Gelegenheitspoeten sich gefallen, sondern sogar, wo er hinkam, sich gleich einem Gotte mit Weinspenden und Weihrauchduft empfangen und bei Tafel von niederschwebenden Viktorien unter Theaterdonner das Haupt mit dem goldenen Siegeslorbeer sich kraenzen liess, ist nicht besser beglaubigt als die meisten geschichtlichen Anekdoten; aber auch in solchem Klatsch spiegelt sich der heruntergekommene Ehrgeiz der Epigonengeschlechter. Selbst die Besseren waren befriedigt, wenn nicht Macht und Einfluss, sondern das Konsulat und der Triumph und im Rate ein Ehrenplatz errungen war, und traten da, wo sie bei rechtem Ehrgeiz erst angefangen haben wuerden, ihrem Vaterland und ihrer Partei wahrhaft nuetzlich zu sein, von der politischen Buehne zurueck, um in fuerstlichem Luxus unterzugehen. Maenner wie Metellus und Lucius Lucullus waren schon als Feldherren nicht weniger als auf die Erweiterung des roemischen Gebiets durch neu unterworfene Koenige und Voelkerschaften bedacht auf die der endlosen Wildbret-, Gefluegel- und Dessertliste der roemischen Gastronomie durch neue afrikanische und kleinasiatische Delikatessen und haben den besten Teil ihres Lebens in mehr oder minder geistreichem Muessiggang verdorben. Das traditionelle Geschick und die individuelle Resignation, auf denen alles oligarchische Regiment beruht, waren der verfallenen und kuenstlich wiederhergestellten roemischen Aristokratie dieser Zeit abhanden gekommen; ihr galt durchgaengig der Cliquengeist als Patriotismus, die Eitelkeit als Ehrgeiz, die Borniertheit als Konsequenz. Waere die Sullanische Verfassung unter die Obhut von Maennern gekommen, wie sie wohl im roemischen Kardinalskollegium und im venezianischen Rat der Zehn gesessen haben, so ist es nicht zu sagen, ob die Opposition vermocht haben wuerde, sie so bald zu erschuettern; mit solchen Verteidigern war allerdings jeder Angriff eine ernste Gefahr. Unter den Maennern, die weder unbedingte Anhaenger noch offene Gegner der Sullanischen Verfassung waren, zog keiner mehr die Augen der Menge auf sich als der junge, bei Sullas Tode achtundzwanzigjaehrige Gnaeus Pompeius (geb. 29. September 648 106). Es war das ein Unglueck fuer den Bewunderten wie fuer die Bewunderer; aber es war natuerlich. Gesund an Leib und Seele, ein tuechtiger Turner, der noch als Oberoffizier mit seinen Soldaten um die Wette sprang, lief und hob, ein kraeftiger und gewandter Reiter und Fechter, ein kecker Freischarenfuehrer, war der Juengling in einem Alter, das ihn von jedem Amt und vom Senat ausschloss, Imperator und Triumphator geworden und hatte in der oeffentlichen Meinung den ersten Platz naechst Sulla, ja von dem laesslichen, halb anerkennenden, halb ironischen Regenten selbst den Beinamen des Grossen sich erworben. Zum Unglueck entsprach seine geistige Begabung diesen unerhoerten Erfolgen schlechterdings nicht. Er war kein boeser und kein unfaehiger, aber ein durchaus gewoehnlicher Mensch, durch die Natur geschaffen, ein tuechtiger Wachtmeister, durch die Umstaende berufen, Feldherr und Staatsmann zu sein. Ein einsichtiger, tapferer und erfahrener, durchaus vorzueglicher Soldat, war er doch auch als Militaer ohne eine Spur hoeherer Begabung; als Feldherr wie ueberhaupt ist es ihm eigen, mit einer an Aengstlichkeit grenzenden Vorsicht zu Werke zu gehen und womoeglich den entscheidenden Schlag erst dann zu fuehren, wenn die ungeheuerste Ueberlegenheit ueber den Gegner hergestellt ist. Seine Bildung ist die Dutzendbildung der Zeit; obwohl durch und durch Soldat versaeumte er doch nicht, als er nach Rhodos kam, die dortigen Redekuenstler pflichtmaessig zu bewundern und zu beschenken. Seine Rechtschaffenheit war die des reichen Mannes, der mit seinem betraechtlichen ererbten und erworbenen Vermoegen verstaendig Haus haelt;
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