weil das Institut ohne handgreiflichen praktischen Nutzen und in der Tat ein leeres Gespenst war - hat doch der Name des Volkstribuns noch ueber ein Jahrtausend spaeter Rom revolutioniert. Da waren vor allem die zahlreichen und wichtigen Klassen, die die Sullanische Restauration unbefriedigt gelassen oder geradezu in ihren politischen oder Privatinteressen verletzt hatte. Aus solchen Ursachen gehoerte der Opposition an die dichte und wohlhabende Bevoelkerung der Landschaft zwischen dem Po und den Alpen, die natuerlich die Gewaehrung des launischen Rechts im Jahre 665 (89) nur als eine Abschlagszahlung auf das volle roemische Buergerrecht betrachtete und der Agitation einen willfaehrigen Boden gewaehrte. Desgleichen die ebenfalls durch Anzahl und Reichtum einflussreichen und durch ihre Zusammendraengung in der Hauptstadt noch besonders gefaehrlichen Freigelassenen, die es nicht verschmerzen konnten, durch die Restauration wieder auf ihr frueheres, praktisch nichtiges Stimmrecht zurueckgefuehrt worden zu sein. Desgleichen ferner die hohe Finanz, die zwar vorsichtig sich still verhielt, aber ihren zaehen Groll und ihre nicht minder zaehe Macht nach wie vor sich bewahrte. Ebenso missvergnuegt war die hauptstaedtische Menge, die die wahre Freiheit im freien Brotkorn erkannte. Noch tiefere Erbitterung gaerte in den von den Sullanischen Konfiskationen betroffenen Buergerschaften, mochten sie nun, wie zum Beispiel die Pompeianer, in ihrem durch die Sullanischen Kolonisten geschmaelerten Eigentum innerhalb desselben Stadtgebiets mit diesen zusammen und mit ihnen in ewigem Hader leben oder, wie die Arretiner und Volaterraner, zwar noch im tatsaechlichen Besitz ihrer Mark, aber unter dem Damoklesschwert der vom roemischen Volke ueber sie verhaengten Konfiskation sich befinden oder endlich, wie dies besonders in Etrurien der Fall war, als Bettler in ihren ehemaligen Wohnsitzen oder als Raeuber in den Waeldern verkommen. Es war endlich in Gaerung der ganze Familien- und Freigelassenenanhang derjenigen demokratischen Haeupter, die infolge der Restauration das Leben verloren hatten oder in allem Elend des Emigrantenrums teils an den mauretanischen Kuesten umherirrten, teils am Hofe und im Heere Mithradats verweilten; denn nach der von strenger Familiengeschlossenheit beherrschten politischen Gesinnung dieser Zeit galt es den Zurueckgebliebenen als Ehrensache ^1, fuer die fluechtigen Angehoerigen die Rueckkehr in die Heimat, fuer die toten wenigstens Aufhebung der auf ihrem Andenken und auf ihren Kindern haftenden Makel und Rueckgabe des vaeterlichen Vermoegens auszuwirken. Vor allem die eigenen Kinder der Geaechteten, die der Regent von Rechts wegen zu politischen Parias herabgesetzt hatte, hatten damit gleichsam von dem Gesetze selbst die Aufforderung empfangen, gegen die bestehende Ordnung sich zu empoeren. ---------------------------------------------- ^1 Ein bezeichnender Zug ist es, dass ein angesehener Literaturlehrer, der Freigelassene Staberius Eros, die Kinder der Geaechteten unentgeltlich an seinem Kursus teilnehmen liess. ----------------------------------------------- Zu allen diesen oppositionellen Fraktionen kam weiter hinzu die ganze Masse der ruinierten Leute. All das vornehme und geringe Gesindel, dem im eleganten oder im banausischen Schlemmen Habe und Haltung darauf gegangen war; die adligen Herren, an denen nichts mehr vornehm war als ihre Schulden; die Sullanischen Lanzknechte, die der Machtspruch des Regenten wohl in Gutsbesitzer, aber nicht in Ackerbauer hatte umschaffen koennen, und die nach der verprassten ersten Erbschaft der Geaechteten sich sehnten, eine zweite aehnliche zu tun - sie alle warteten nur auf die Entfaltung der Fahne, die zum Kampfe gegen die bestehenden Verhaeltnisse einlud, mochte sonst was immer darauf geschrieben sein. Mit gleicher Notwendigkeit schlossen alle aufstrebenden und der Popularitaet beduerftigen Talente der Opposition sich an, sowohl diejenigen, denen der streng geschlossene Optimatenkreis die Aufnahme oder doch das rasche Emporkommen verwehrte und die deshalb in die Phalanx gewaltsam sich einzudraengen und die Gesetze der oligarchischen Exklusivitaet und Anciennitaet durch die Volksgunst zu brechen versuchten, als auch die gefaehrlicheren Maenner, deren Ehrgeiz nach einem hoeheren Ziel strebte, als die Geschicke der Welt innerhalb der kollegialischen Umtriebe bestimmen zu helfen. Namentlich auf der Advokatentribuene, dem einzigen von Sulla offengelassenen Boden gesetzlicher Opposition, ward schon bei Lebzeiten des Regenten von solchen Aspiranten mit den Waffen der formalen Jurisprudenz und der schlagfertigen Rede lebhaft gegen die Restauration gestritten; zum Beispiel der gewandte Sprecher Marcus Tullius Cicero (geboren 3. Januar 648 106), eines Gutsbesitzers von Arpinum Sohn, machte durch seine halb vorsichtige, halb dreiste Opposition gegen den Machthaber sich rasch einen Namen. Dergleichen Bestrebungen hatten nicht viel zu bedeuten, wenn der Opponent nichts weiter begehrte, als den kurulischen Stuhl damit sich einzuhandeln und sodann als Befriedigter den Rest seiner Jahre auf demselben zu versitzen. Wenn freilich einem populaeren Mann dieser Stuhl nicht genuegen und Gaius Gracchus einen Nachfolger finden sollte, so war ein Kampf auf Tod und Leben unvermeidlich; indes fuer jetzt wenigstens war noch kein Name zu nennen, dessen Traeger ein so hohes Ziel sich vorgesteckt haette. Derart war die Opposition, mit der das von Sulla eingesetzte oligarchische Regiment zu kaempfen hatte, nachdem dasselbe, frueher als Sulla selbst gedacht haben mochte, durch seinen Tod auf sich selber angewiesen worden war. Die Aufgabe war an sich nicht leicht und ward noch erschwert durch die sonstigen sozialen und politischen Uebelstaende dieser Zeit, vor
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