Feldherrn und die Folge derselben,
die von Jahr zu Jahr ueppiger wuchernde Liederlichkeit, Zuchtlosigkeit
und Feigheit der roemischen Soldaten. Das blosse, ueberdies falsche
Geruecht, dass die Kantabrer und Vaccaeer zum Entsatz von Numantia
heranrueckten, bewog das roemische Heer, ungeheissen in der Nacht
das Lager zu raeumen, um sich in den sechzehn Jahre zuvor von
Nobilior angelegten Verschanzungen zu bergen. Die Numantiner, von
dem Aufbruch in Kenntnis gesetzt, draengten der fliehenden Armee
nach und umzingelten sie; es blieb nur die Wahl, mit dem Schwert in
der Hand sich durchzuschlagen oder auf die von den Numantinern
gestellten Bedingungen Frieden zu schliessen. Mehr als der Konsul, der
persoenlich ein Ehrenmann, aber schwach und wenig bekannt war,
bewirkte Tiberius Gracchus, der als Quaestor im Heere diente, durch
sein von dem Vater, dem weisen Ordner der Ebroprovinz, auf ihn
vererbtes Ansehen bei den Keltiberern, dass die Numantiner sich mit
einem billigen, von allen Stabsoffizieren beschworenen Friedensvertrag
genuegen liessen. Allein der Senat rief nicht bloss den Feldherrn sofort
zurueck, sondern liess auch nach langer Beratung bei der Buergerschaft
darauf antragen, den Vertrag zu behandeln wie einst den caudinischen,
das heisst, ihm die Ratifikation zu verweigern und die
Verantwortlichkeit dafuer auf diejenigen abzuwaelzen, die ihn
geschlossen hatten. Von Rechts wegen haetten dies saemtliche
Offiziere sein muessen, die den Vertrag beschworen hatten; allein
Gracchus und die uebrigen wurden durch ihre Verbindungen gerettet;
Mancinus allein, der nicht den Kreisen der hoechsten Aristokratie
angehoerte, ward bestimmt, fuer eigene und fremde Schuld zu buessen.
Seiner Insignien entkleidet, ward der roemische Konsular zu den
feindlichen Vorposten gefuehrt, und da die Numantiner ihn
anzunehmen verweigerten, um nicht auch ihrerseits den Vertrag als
nichtig anzuerkennen, stand der ehemalige Oberfeldherr, im Hemd und
die Haende auf den Ruecken gebunden, einen Tag lang vor den Toren
von Numantia, Freunden und Feinden ein klaegliches Schauspiel.
Jedoch fuer Mancinus' Nachfolger, seinen Kollegen im Konsulat,
Marcus Aemilius Lepidus, schien die bittere Lehre voellig verloren.
Waehrend die Verhandlungen ueber den Vertrag mit Mancinus in Rom
schwebten, griff er unter nichtigen Vorwaenden, eben wie sechzehn
Jahre zuvor Lucullus, das freie Volk der Vaccaeer an und begann in
Gemeinschaft mit dem Feldherrn der jenseitigen Provinz Pallantia zu
belagern (618 136). Ein Senatsbeschluss befahl ihm, von dem Krieg
abzustehen; nichtsdestoweniger setzte er, unter dem Vorwand, dass die
Umstaende inzwischen sich geaendert haetten, die Belagerung fort.
Dabei war er als Soldat gerade so schlecht wie als Buerger; nachdem er
so lange vor der grossen und festen Stadt gelegen hatte, bis ihm in dem
rauhen feindlichen Land die Zufuhr ausgegangen war, musste er mit
Zuruecklassung aller Verwundeten und Kranken den Rueckzug
beginnen, auf dem die verfolgenden Pallantiner die Haelfte seiner
Soldaten aufrieben und, wenn sie die Verfolgung nicht zu frueh
abgebrochen haetten, das schon in voller Aufloesung begriffene
roemische Heer wahrscheinlich ganz vernichtet haben wuerden. Dafuer
ward denn dem hochgeborenen General bei seiner Heimkehr eine
Geldbusse auferlegt. Seine Nachfolger Lucius Furius Philus (618 136)
und Quintus Calpurnius Piso (619 135) hatten wieder gegen die
Numantiner Krieg zu fuehren, und da sie eben gar nichts taten, kamen
sie gluecklich ohne Niederlage heim. Selbst die roemische Regierung
fing endlich an einzusehen, dass man so nicht laenger fortfahren
koenne; man entschloss sich, die Bezwingung der kleinen spanischen
Landstadt ausserordentlicherweise dem ersten Feldherrn Roms, Scipio
Aemilianus, zu uebertragen. Die Geldmittel zur Kriegfuehrung wurden
ihm freilich dabei mit verkehrter Kargheit zugemessen und die
verlangte Erlaubnis, Soldaten auszuheben, sogar geradezu verweigert,
wobei Koterieintrigen und die Furcht, der souveraenen Buergerschaft
laestig zu werden, zusammengewirkt haben moegen. Indes begleitete
ihn freiwillig eine grosse Anzahl von Freunden und Klienten, unter
ihnen sein Bruder Maximus Aemilianus, der vor einigen Jahren mit
Auszeichnung gegen Viriathus kommandiert hatte. Gestuetzt auf diese
zuverlaessige Schar, die als Feldherrnwache konstituiert ward, begann
Scipio das tief zerruettete Heer zu reorganisieren (620 134). Vor allen
Dingen musste der Tross das Lager raeumen - es fanden sich bis 2000
Dirnen und eine Unzahl Wahrsager und Pfaffen von allen Sorten -, und
da der Soldat zum Fechten unbrauchbar war, musste er wenigstens
schanzen und marschieren. Den ersten Sommer vermied der Feldherr
jeden Kampf mit den Numantinern; er begnuegte sich, die Vorraete in
der Umgegend zu vernichten und die Vaccaeer, die den Numantinern
Korn verkauften, zu zuechtigen und zur Anerkennung der Oberhoheit
Roms zu zwingen. Erst gegen den Winter zog Scipio sein Heer um
Numantia zusammen; ausser dem numidischen Kontingent von Reitern,
Fusssoldaten und zwoelf Elefanten unter Anfuehrung des Prinzen
Jugurtha und den zahlreichen spanischen Zuzuegen waren es vier
Legionen, ueberhaupt eine Heermasse von 60000 Mann, die eine Stadt
mit einer waffenfaehigen Buergerschaft von hoechstens 8000 Koepfen
einschloss. Dennoch boten die Belagerten oftmals den Kampf an; allein
Scipio, wohl erkennend, dass die vieljaehrige Zuchtlosigkeit nicht mit
einem Schlag sich ausrotten lasse, verweigerte jedes Gefecht, und wo
es dennoch bei den Ausfaellen der Belagerten dazu kam, rechtfertigte
die feige, kaum durch das persoenliche Erscheinen des Feldherrn
gehemmte Flucht
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