Roemische Geschichte, Band 4 | Page 6

Theodor Mommsen
Galba richtete mehr aus, indem er mit drei lusitanischen Staemmen am rechten Ufer des Tajo einen Vertrag abschloss und sie in bessere Wohnsitze ueberzusiedeln verhiess, worauf die Barbaren, die der gehofften Aecker wegen, 7000 an der Zahl, sich bei ihm einfanden, in drei Abteilungen geteilt, entwaffnet und teils als Sklaven weggefuehrt, teils niedergehauen wurden. Kaum ist je mit gleicher Treulosigkeit, Grausamkeit und Habgier Krieg gefuehrt worden wie von diesen beiden Feldherren, die dennoch durch ihre verbrecherisch erworbenen Schaetze der eine der Verurteilung, der andre sogar der Anklage entging. Den Galba versuchte der alte Cato noch in seinem fuenfundachtzigsten Jahr, wenige Monate vor seinem Tode, vor der Buergerschaft zur Verantwortung zu ziehen; aber die jammernden Kinder des Generals und sein heimgebrachtes Gold erwiesen dem roemischen Volke seine Unschuld. Nicht so sehr die ehrlosen Erfolge, die Lucullus und Galba in Spanien erreicht hatten, als der Ausbruch des Vierten Makedonischen und des Dritten Karthagischen Krieges im Jahre 605 (149) bewirkte, dass man die spanischen Angelegenheiten zunaechst wieder den gewoehnlichen Statthaltern ueberliess. So verwuesteten denn die Lusitaner, durch Galbas Treulosigkeit mehr erbittert als gedemuetigt, unaufhoerlich das reiche turdetanische Gebiet. Gegen sie zog der roemische Statthalter Gaius Vetilius (607/08 147/48) 2 und schlug sie nicht bloss, sondern draengte auch den ganzen Haufen auf einen Huegel zusammen, wo derselbe rettungslos verloren schien. Schon war die Kapitulation so gut wie abgeschlossen, als Viriathus, ein Mann geringer Herkunft, aber wie einst als Bube ein tapferer Verteidiger seiner Herde gegen die wilden Tiere und Raeuber, so jetzt in ernsteren Kaempfen ein gefuerchteter Guerillachef und einer der wenigen, die dem treulosen Ueberfall Galbas zufaellig entronnen waren, seine Landsleute warnte, auf roemisches Ehrenwort zu bauen und ihnen Rettung verhiess, wenn sie ihm folgen wollten. Sein Wort und sein Beispiel wirkten; das Heer uebertrug ihm den Oberbefehl. Viriathus gab der Masse seiner Leute den Befehl, sich in einzelnen Trupps auf verschiedenen Wegen nach dem bestimmten Sammelplatz zu begeben; er selber bildete aus den bestberittenen und zuverlaessigsten Leuten ein Korps von 1000 Pferden, womit er den Abzug der Seinigen deckte. Die Roemer, denen es an leichter Kavallerie fehlte, wagten nicht, unter den Augen der feindlichen Reiter sich zur Verfolgung zu zerstreuen. Nachdem Viriathus zwei volle Tage hindurch mit seinem Haufen das ganze roemische Heer aufgehalten hatte, verschwand auch er ploetzlich in der Nacht und eilte dem allgemeinen Sammelplatz zu. Der roemische Feldherr folgte ihm, fiel aber in einen geschickt gelegten Hinterhalt, in dem er die Haelfte seines Heeres verlor und selber gefangen und getoetet ward; kaum rettete der Rest der Truppen sich an die Meerenge nach der Kolonie Carteia. Schleunigst wurden vom Ebro her 5000 Mann spanischer Landsturm zur Verstaerkung der geschlagenen Roemer gesandt; aber Viriathus vernichtete das Korps noch auf dem Marsch und gebot in dem ganzen karpetanischen Binnenland so unumschraenkt, dass die Roemer nicht einmal wagten, ihn dort aufzusuchen. Viriathus, jetzt als Herr und Koenig der saemtlichen Lusitaner anerkannt, verstand es, das volle Gewicht seiner fuerstlichen Stellung mit dem schlichten Wesen des Hirten zu vereinigen. Kein Abzeichen unterschied ihn von dem gemeinen Soldaten; von der reichgeschmueckten Hochzeitstafel seines Schwiegervaters, des Fuersten Astolpa im roemischen Spanien, stand er auf, ohne das goldene Geschirr und die kostbaren Speisen beruehrt zu haben, hob seine Braut auf das Ross und ritt mit ihr zurueck in seine Berge. Nie nahm er von der Beute mehr als denselben Teil, den er auch jedem seiner Kameraden zuschied. Nur an der hohen Gestalt und an dem treffenden Witzwort erkannte der Soldat den Feldherrn, vor allem aber daran, dass er es in Maessigkeit und in Muehsal jedem der Seinigen zuvortat, nie anders als in voller Ruestung schlief und in der Schlacht allen voran focht. Es schien, als sei in dieser gruendlich prosaischen Zeit einer der Homerischen Helden wiedergekehrt; weit und breit erscholl in Spanien der Name des Viriathus, und die tapfere Nation meinte endlich in ihm den Mann gefunden zu haben, der die Ketten der Fremdherrschaft zu brechen bestimmt sei. Ungemeine Erfolge im noerdlichen wie im suedlichen Spanien bezeichneten die naechsten Jahre seiner Feldherrnschaft. Den Praetor Gaius Plautius (608/09 146) wusste er, nachdem er dessen Vorhut vernichtet hatte, hinueber auf das rechte Tajoufer zu locken und ihn dort so nachdruecklich zu schlagen, dass der roemische Feldherr mitten im Sommer in die Winterquartiere ging - spaeter ward dafuer gegen ihn die Anklage wegen Entehrung der roemischen Gemeinde vor dem Volk erhoben und er genoetigt, die Heimat zu meiden. Desgleichen wurde das Heer des Statthalters - es scheint, der diesseitigen Provinz - Claudius Unimanus vernichtet, das des Gaius Negidius ueberwunden und weithin das platte Land gebrandschatzt. Auf den spanischen Bergen erhoben sich Siegeszeichen, die mit den Insignien der roemischen Statthalter und mit den Waffen der Legionen geschmueckt waren; bestuerzt und beschaemt vernahm man in Rom von den Siegen des Barbarenkoenigs. Zwar uebernahm jetzt ein zuverlaessiger Offizier die Fuehrung des Spanischen Krieges, der
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