die Karthager waren,
wie ein alter Schriftsteller bezeichnend sagt, aus Tyriern Libyer
geworden. Die phoenikische Zivilisation herrschte in Libyen aehnlich
wie in Kleinasien und Syrien die griechische nach den Zuegen
Alexanders, wenn auch nicht mit gleicher Gewalt. An den Hoefen der
Nomadenscheichs ward phoenikisch gesprochen und geschrieben und
die zivilisierteren einheimischen Staemme nahmen fuer ihre Sprache
das phoenikische Alphabet an ^2; sie vollstaendig zu phoenikisieren lag
indes weder im Geiste der Nation noch in der Politik Karthagos.
---------------------------------------------- ^1 Die schaerfste Bezeichnung
dieser wichtigen Klasse findet sich in dem karthagischen Staatsvertrag
(Polyb. 7, 9), wo sie im Gegensatz einerseits zu den Uticensern,
anderseits zu den libyschen Untertanen heissen: oi Karch
/e/doni/o/n ?parch/e/ osoi tois aytois nomois chr/o/ntai. Sonst heissen
sie auch Bundes- symmachides poleis Diod. 20, 10) oder
steuerpflichtige Staedte (Liv. 34, 62; Iust. 22, 7, 3). Ihr Conubium mit
den Karthagern erwaehnt Diodoros 20, 55; das Commercium folgt aus
den "gleichen Gesetzen". Dass die altphoenikischen Kolonien zu den
Libyphoenikern gehoeren, beweist die Bezeichnung Hippos als einer
libyphoenikischen Stadt (Liv. 25, 40); anderseits heisst es hinsichtlich
der von Karthago aus gegruendeten Ansiedlungen zum Beispiel im
Periplus des Hanno: "Es beschlossen die Karthager, dass Hanno
jenseits der Saeulen des Herkules schiffe und Staedte der
Libyphoeniker gruende". Im wesentlichen bezeichnen die
Libyphoeniker bei den Karthagern nicht eine nationale, sondern eine
staatsrechtliche Kategorie. Damit kann es recht wohl bestehen, dass der
Name grammatisch die mit Libyern gemischten Phoeniker bezeichnet
(Liv. 21, 22, Zusatz zum Text des Polybios); wie denn in der Tat
wenigstens bei der Anlage sehr exponierter Kolonien den Phoenikern
haeufig Libyer beigegeben wurden (Diod. 13, 79; Cic. Scaur. 42). Die
Analogie im Namen und im Rechtsverhaeltnis zwischen den Latinern
Roms und den Libyphoenikern Karthagos ist unverkennbar. ^2 Das
libysche oder numidische Alphabet, das heisst dasjenige, womit die
Berber ihre nichtsemitische Sprache schrieben und schreiben, eines der
zahllosen aus dem aramaeischen Uralphabet abgeleiteten, scheint
allerdings diesem in einzelnen Formen naeher zu stehen als das
phoenikische; aber es folgt daraus noch keineswegs, dass die Libyer die
Schrift nicht von den Phoenikern, sondern von aelteren Einwanderern
erhielten, so wenig als die teilweise aelteren Formen der italischen
Alphabete diese aus dem griechischen abzuleiten verbieten. Vielmehr
wird die Ableitung des libyschen Alphabets aus dem phoenikischen
einer Periode des letzteren angehoeren, welche aelter ist als die, in der
die auf uns gekommenen Denkmaeler der phoenikischen Sprache
geschrieben wurden. ------------------------------------------------- Die
Epoche, in der diese Umwandlung Karthagos in die Hauptstadt von
Libyen stattgefunden hat, laesst sich um so weniger bestimmen, als die
Veraenderung ohne Zweifel stufenweise erfolgt ist. Der eben erwaehnte
Schriftsteller nennt als den Reformator der Nation den Hanno; wenn
dies derselbe ist, der zur Zeit des ersten Krieges mit Rom lebte, so kann
er nur als Vollender des neuen Systems angesehen werden, dessen
Durchfuehrung vermutlich das vierte und fuenfte Jahrhundert Roms
ausgefuellt hat. Mit dem Aufbluehen Karthagos Hand in Hand ging das
Sinken der grossen phoenikischen Staedte in der Heimat, von Sidon
und besonders von Tyros, dessen Bluete teils infolge innerer
Bewegungen, teils durch die Drangsale von aussen, namentlich die
Belagerungen durch Salmanassar im ersten, Nabukodrossor im zweiten,
Alexander im fuenften Jahrhundert Roms zugrunde gerichtet ward. Die
edlen Geschlechter und die alten Firmen von Tyros siedelten
groesstenteils ueber nach der gesicherten und bluehenden Tochterstadt
und brachten dorthin ihre Intelligenz, ihre Kapitalien und ihre
Traditionen. Als die Phoeniker mit Rom in Beruehrung kamen, war
Karthago ebenso entschieden die erste kanaanitische Stadt wie Rom die
erste der latinischen Gemeinden. Aber die Herrschaft ueber Libyen war
nur die eine Haelfte der karthagischen Macht; ihre See- und
Kolonialherrschaft hatte gleichzeitig nicht minder gewaltig sich
entwickelt. In Spanien war der Hauptplatz der Phoeniker die uralte
tyrische Ansiedlung in Gades (Cadiz); ausserdem besassen sie westlich
und oestlich davon eine Kette von Faktoreien und im Innern das Gebiet
der Silbergruben, so dass sie etwa das heutige Andalusien und Granada
oder doch wenigstens die Kueste davon innehatten. Das Binnenland
den einheimischen kriegerischen Nationen abzugewinnen war man
nicht bemueht; man begnuegte sich mit dem Besitz der Bergwerke und
der Stationen fuer den Handel und fuer den Fisch- und Muschelfang
und hatte Muehe auch nur hier sich gegen die anwohnenden Staemme
zu behaupten. Es ist wahrscheinlich, dass diese Besitzungen nicht
eigentlich karthagisch waren, sondern tyrisch, und Gades nicht
mitzaehlte unter den tributpflichtigen Staedten Karthagos; doch stand
es wie alle westlichen Phoeniker tatsaechlich unter karthagischer
Hegemonie, wie die von Karthago den Gaditanern gegen die
Eingeborenen gesandte Hilfe und die Anlegung karthagischer
Handelsniederlassungen westlich von Gades beweist. Ebusus und die
Balearen wurden dagegen von den Karthagern selbst in frueher Zeit
besetzt, teils der Fischereien wegen, teils als Vorposten gegen die
Massalioten, mit denen von hier aus die heftigsten Kaempfe gefuehrt
wurden. Ebenso setzten die Karthager schon am Ende des zweiten
Jahrhunderts Roms sich fest auf Sardinien, welches ganz in derselben
Art wie Libyen von ihnen ausgebeutet ward. Waehrend die
Eingeborenen sich
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