Mal, wo sie in
der aelteren Zeit offensiv auf dem Kampfplatze erscheinen, in der
grossen sizilischen Expedition der afrikanischen Phoeniker, welche mit
der Niederlage bei Himera durch Gelon von Syrakus endigte (274 480),
sind sie nur als gehorsame Untertanen des Grosskoenigs und um der
Teilnahme an dem Feldzug gegen die oestlichen Hellenen
auszuweichen, gegen die Hellepen des Westens ausgerueckt; wie denn
ihre syrischen Stammgenossen in der Tat in demselben Jahr sich mit
den Persern bei Salamis mussten schlagen lassen. Es ist das nicht
Feigheit; die Seefahrt in unbekannten Gewaessern und mit bewaffneten
Schiffen fordert tapfere Herzen, und dass diese unter den Phoenikern zu
finden waren, haben sie oft bewiesen. Es ist noch weniger Mangel an
Zaehigkeit und Eigenartigkeit des Nationalgefuehls; vielmehr haben
die Aramaeer mit einer Hartnaeckigkeit, welche kein indogermanisches
Volk je erreicht hat und welche uns Okzidentalen bald mehr, bald
weniger als menschlich zu sein duenkt, ihre Nationalitaet gegen alle
Lockungen der griechischen Zivilisation wie gegen alle Zwangsmittel
der orientalischen und okzidentalischen Despoten mit den Waffen des
Geistes wie mit ihrem Blute verteidigt. Es ist der Mangel an
staatlichem Sinn, der bei dem lebendigsten Stammgefuehl, bei der
treuesten Anhaenglichkeit an die Vaterstadt doch das eigenste Wesen
der Phoeniker bezeichnet. Die Freiheit lockte sie nicht und es geluestete
sie nicht nach der Herrschaft; "ruhig lebten sie", sagt das Buch der
Richter, "nach der Weise der Sidonier, sicher und wohlgemut und im
Besitz von Reichtum". Unter allen phoenikischen Ansiedlungen
gediehen keine schneller und sicherer als die von den Tyriern und
Sidoniern an der Suedkueste Spaniens und an der nordafrikanischen
gegruendeten, in welche Gegenden weder der Arm des Grosskoenigs
noch die gefaehrliche Rivalitaet der griechischen Seefahrer reichte, die
Eingeborenen aber den Fremdlingen gegenueberstanden wie in
Amerika die Indianer den Europaeern. Unter den zahlreichen und
bluehenden phoenikischen Staedten an diesen Gestaden ragte vor allem
hervor die "Neustadt", Karthada oder, wie die Okzidentalen sie nennen,
Karchedon oder Karthago. Nicht die frueheste Niederlassung der
Phoeniker in dieser Gegend und urspruenglich vielleicht
schutzbefohlene Stadt des nahen Utica, der aeltesten Phoenikerstadt in
Libyen, ueberfluegelte sie bald ihre Nachbarn, ja die Heimat selbst
durch die unvergleichlich guenstige Lage und die rege Taetigkeit ihrer
Bewohner. Gelegen unfern der (ehemaligen) Muendung des Bagradas
(Medscherda), der die reichste Getreidelandschaft Nordafrikas
durchstroemt, auf einer fruchtbaren noch heute mit Landhaeusern
besetzten und mit Oliven- und Orangenwaeldern bedeckten
Anschwellung des Bodens, der gegen die Ebene sanft sich abdacht und
an der Seeseite als meerumflossenes Vorgebirg endigt, inmitten des
grossen Hafens von Nordafrika, des Golfes von Tunis, da wo dies
schoene Bassin den besten Ankergrund fuer groessere Schiffe und hart
am Strande trinkbares Quellwasser darbietet, ist dieser Platz fuer
Ackerbau und Handel und die Vermittlung beider so einzig guenstig,
dass nicht bloss die tyrische Ansiedlung daselbst die erste phoenikische
Kaufstadt ward, sondern auch in der roemischen Zeit Karthago, kaum
wiederhergestellt, die dritte Stadt des Kaiserreichs wurde und noch
heute unter nicht guenstigen Verhaeltnissen und an einer weit weniger
gut gewaehlten Stelle dort eine Stadt von hunderttausend Einwohnern
besteht und gedeiht. Die agrikole, merkantile, industrielle Bluete einer
Stadt in solcher Lage und mit solchen Bewohnern erklaert sich selbst;
wohl aber fordert die Frage eine Antwort, auf welchem Weg diese
Ansiedlung zu einer politischen Machtentwicklung gelangte, wie sie
keine andere phoenikische Stadt besessen hat. Dass der phoenikische
Stamm seine politische Passivitaet auch in Karthago nicht verleugnet
hat, dafuer fehlt es keineswegs an Beweisen. Karthago bezahlte bis in
die Zeiten seiner Bluete hinab fuer den Boden, den die Stadt einnahm,
Grundzins an die einheimischen Berber, den Stamm der Maxyer oder
Maxitaner; und obwohl das Meer und die Wueste die Stadt hinreichend
schuetzten vor jedem Angriff der oestlichen Maechte, scheint Karthago
doch die Herrschaft des Grosskoenigs wenn auch nur dem Namen nach
anerkannt und ihm gelegentlich gezinst zu haben, um sich die
Handelsverbindungen mit Tyros und dem Osten zu sichern. Aber bei
allem guten Willen, sich zu fuegen und zu schmiegen, traten doch
Verhaeltnisse ein, die diese Phoeniker in eine energischere Politik
draengten. Vor dem Strom der hellenischen Wanderung, der sich
unaufhaltsam gegen Westen ergoss, der die Phoeniker schon aus dem
eigentlichen Griechenland und von Italien verdraengt hatte und eben
sich anschickte, in Sizilien, in Spanien, ja in Libyen selbst das gleiche
zu tun, mussten die Phoeniker doch irgendwo standhalten, wenn sie
nicht gaenzlich sich wollten erdruecken lassen. Hier, wo sie mit
griechischen Kaufleuten und nicht mit dem Grosskoenig zu tun hatten,
genuegte es nicht, sich zu unterwerfen, um gegen Schoss und Zins
Handel und Industrie in alter Weise fortzufuehren. Schon waren
Massalia und Kyrene gegruendet; schon das ganze oestliche Sizilien in
den Haenden der Griechen; es war fuer die Phoeniker die hoechste Zeit
zu ernstlicher Gegenwehr. Die Karthager nahmen sie auf; in langen und
hartnaeckigen Kriegen setzten sie dem Vordringen der Kyrenaeer eine
Grenze und der Hellenismus vermochte nicht sich westwaerts der
Wueste von Tripolis festzusetzen. Mit karthagischer Hilfe erwehrten
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