weil sie es musste. Wesentlich trug wahrscheinlich bei zu diesen Erfolgen das Aufkommen der Soeldnerei, die in Griechenland etwa um die Mitte des vierten Jahrhunderts der Stadt in Uebung kam, bei den Orientalen aber, namentlich bei den Karern weit aelter ist und vielleicht eben durch die Phoeniker emporkam. Durch das auslaendische Werbesystem ward der Krieg zu einer grossartigen Geldspekulation, die eben recht im Sinn des phoenikischen Wesens ist. Es war wohl erst die Rueckwirkung dieser auswaertigen Erfolge, welche die Karthager veranlasste, in Afrika von Miet- und Bitt- zum Eigenbesitz und zur Eroberung ueberzugehen. Erst um 300 Roms (450) scheinen die karthagischen Kaufleute sich des Bodenzinses entledigt zu haben, den sie bisher den Einheimischen hatten entrichten muessen. Dadurch ward eine eigene Ackerwirtschaft im grossen moeglich. Von jeher hatten die Phoeniker es sich angelegen sein lassen, ihre Kapitalien auch als Grundbesitzer zu nutzen und den Feldbau im grossen Massstab zu betreiben durch Sklaven oder gedungene Arbeiter; wie denn ein grosser Teil der Juden in dieser Art den tyrischen Kaufherren um Tagelohn dienstbar war. Jetzt konnten die Karthager unbeschraenkt den reichen libyschen Boden ausbeuten durch ein System, das dem der heutigen Plantagenbesitzer verwandt ist: gefesselte Sklaven bestellten das Land - wir finden, dass einzelne Buerger deren bis zwanzigtausend besassen. Man ging weiter. Die ackerbauenden Doerfer der Umgegend - der Ackerbau scheint bei den Libyern sehr frueh und wahrscheinlich schon vor der phoenikischen Ansiedlung, vermutlich von Aegypten aus, eingefuehrt zu sein - wurden mit Waffengewalt unterworfen und die freien libyschen Bauern umgewandelt in Fellahs, die ihren Herren den vierten Teil der Bodenfruechte als Tribut entrichteten und zur Bildung eines eigenen karthagischen Heeres einem regelmaessigen Rekrutierungssystem unterworfen wurden. Mit den schweifenden Hirtenstaemmen (nomades) an den Grenzen waehrten die Fehden bestaendig; indes sicherte eine verschanzte Postenkette das befriedete Gebiet und langsam wurden jene zurueckgedraengt in die Wuesten und Berge oder gezwungen, die karthagische Oberherrschaft anzuerkennen, Tribut zu zahlen und Zuzug zu stellen. Um die Zeit des Ersten Punischen Krieges ward ihre grosse Stadt Theveste (Tebessa, an den Quellen des Medscherda) von den Karthagern erobert. Dies sind die "Staedte und Staemme (ethn/e/) der Untertanen", die in den karthagischen Staatsvertraegen erscheinen; jenes die unfreien libyschen Doerfer, dieses die untertaenigen Nomaden. Hierzu kam endlich die Herrschaft Karthagos ueber die uebrigen Phoeniker in Afrika oder die sogenannten Libyphoeniker. Es gehoerten zu diesen teils die von Karthago aus an die ganze afrikanische Nord- und einen Teil der Nordwestkueste gefuehrten kleineren Ansiedelungen, die nicht unbedeutend gewesen sein koennen, da allein am Atlantischen Meer auf einmal 30000 solcher Kolonisten sesshaft gemacht wurden, teils die besonders an der Kueste der heutigen Provinz Constantine und des Beylik von Tunis zahlreichen altphoenikischen Niederlassungen, zum Beispiel Hippo, spaeter regius zugenannt (Bona), Hadrumetum (Susa), Klein-Leptis (suedlich von Susa) - die zweite Stadt der afrikanischen Phoeniker -, Thapsus (ebendaselbst), Gross-Leptis (Lebda westlich von Tripolis). Wie es gekommen ist, dass sich all diese Staedte unter karthagische Botmaessigkeit begaben, ob freiwillig, etwa um sich zu schirmen vor den Angriffen der Kyrenaeer und Numidier, oder gezwungen, ist nicht mehr nachzuweisen; sicher aber ist es, dass sie als Untertanen der Karthager selbst in offiziellen Aktenstuecken bezeichnet werden, ihre Mauern hatten niederreissen muessen und Steuer und Zuzug nach Karthago zu leisten hatten. Indes waren sie weder der Rekrutierung noch der Grundsteuer unterworfen, sondern leisteten ein Bestimmtes an Mannschaft und Geld, Klein-Leptis zum Beispiel jaehrlich die ungeheure Summe von 465 Talenten (574000 Taler); ferner lebten sie nach gleichem Recht mit den Karthagern und konnten mit ihnen in gleiche Ehe treten ^1. Einzig Utica war, wohl weniger durch seine Macht als durch die Pietaet der Karthager gegen ihre alten Beschuetzer, dem gleichen Schicksal entgangen und hatte seine Mauern und seine Selbstaendigkeit bewahrt; wie denn die Phoeniker fuer solche Verhaeltnisse eine merkwuerdige, von der griechischen Gleichgueltigkeit wesentlich abstechende Ehrfurcht hegten. Selbst im auswaertigen Verkehr sind es stets "Karthago und Utica", die zusammen festsetzen und versprechen; was natuerlich nicht ausschliesst, dass die weit groessere Neustadt der Tat nach auch ueber Utica die Hegemonie behauptete. So ward aus der tyrischen Faktorei die Hauptstadt eines maechtigen nordafrikanischen Reiches, das von der tripolitanischen Wueste sich erstreckte bis zum Atlantischen Meer, im westlichen Teil (Marokko und Algier) zwar mit zum Teil oberflaechlicher Besetzung der Kuestensaeume sich begnuegend, aber in dem reicheren oestlichen, den heutigen Distrikten von Constantine und Tunis, auch das Binnenland beherrschend und seine Grenze bestaendig weiter gegen Sueden vorschiebend; die Karthager waren, wie ein alter Schriftsteller bezeichnend sagt, aus Tyriern Libyer geworden. Die phoenikische Zivilisation herrschte in Libyen aehnlich wie in Kleinasien und Syrien die griechische nach den Zuegen Alexanders, wenn auch nicht mit gleicher Gewalt. An den Hoefen der Nomadenscheichs ward phoenikisch gesprochen und geschrieben und die zivilisierteren einheimischen Staemme nahmen fuer ihre Sprache das phoenikische Alphabet an ^2; sie vollstaendig zu phoenikisieren lag indes weder im Geiste der Nation noch in der Politik Karthagos. ---------------------------------------------- ^1 Die schaerfste
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