bringen die phoenikischen Schiffer, was es brauchen kann oder doch kaufen mag, und ueberall kommen sie herum, um immer wieder zurueckzukehren zu der engen Heimat, an der ihr Herz haengt. Die Phoeniker haben wohl ein Recht, in der Geschichte genannt zu werden neben der hellenischen und der latinischen Nation; aber auch an ihnen und vielleicht an ihnen am meisten bewaehrt es sich, dass das Altertum die Kraefte der Voelker einseitig entwickelte. Die grossartigen und dauernden Schoepfungen, welche auf dem geistigen Gebiete innerhalb des aramaeischen Stammes entstanden sind, gehoeren nicht zunaechst den Phoenikern an; wenn Glauben und Wissen in gewissem Sinn den aramaeischen Nationen vor allen anderen eigen und den Indogermanen erst aus dem Osten zugekommen sind, so hat doch weder die phoenikische Religion noch die phoenikische Wissenschaft und Kunst, soviel wir sehen, jemals unter den aramaeischen einen selbstaendigen Rang eingenommen. Die religioesen Vorstellungen der Phoeniker sind formlos und unschoen, und ihr Gottesdienst schien Luesternheit und Grausamkeit mehr zu naehren als zu baendigen bestimmt; von einer besonderen Einwirkung phoenikischer Religion auf andere Voelker wird wenigstens in der geschichtlich klaren Zeit nichts wahrgenommen. Ebensowenig begegnet eine auch nur der italischen, geschweige denn derjenigen der Mutterlaender der Kunst vergleichbare phoenikische Tektonik oder Plastik. Die aelteste Heimat der wissenschaftlichen Beobachtung und ihrer praktischen Verwertung ist Babylon oder doch das Euphratland gewesen: hier wahrscheinlich folgte man zuerst dem Lauf der Sterne; hier schied und schrieb man zuerst die Laute der Sprache; hier begann der Mensch ueber Zeit und Raum und ueber die in der Natur wirkenden Kraefte zu denken; hierhin fuehren die aeltesten Spuren der Astronomie und Chronologie, des Alphabets, der Masse und Gewichte. Die Phoeniker haben wohl von den kunstreichen und hoch entwickelten babylonischen Gewerken fuer ihre Industrie, von der Sternbeobachtung fuer ihre Schiffahrt, von der Lautschrift und der Ordnung der Masse fuer ihren Handel Vorteil gezogen und manchen wichtigen Keim der Zivilisation mit ihren Waren vertrieben; aber dass das Alphabet oder irgendein anderes jener genialen Erzeugnisse des Menschengeistes ihnen eigentuemlich angehoere, laesst sich nicht erweisen, und was durch sie von religioesen und wissenschaftlichen Gedanken den Hellenen zukam, das haben sie mehr wie der Vogel das Samenkorn als wie der Ackersmann die Saat ausgestreut. Die Kraft die bildungsfaehigen Voelker, mit denen sie sich beruehrten, zu zivilisieren und sich zu assimilieren, wie sie die Hellenen und selbst die Italiker besitzen, fehlte den Phoenikern gaenzlich. Im Eroberungsgebiet der Roemer sind vor der romanischen Zunge die iberischen und die keltischen Sprachen verschollen; die Berber Afrikas reden heute noch dieselbe Sprache wie zu den Zeiten der Hannos und der Barkiden. Aber vor allem mangelt den Phoenikern, wie allen aramaeischen Nationen im Gegensatz zu den indogermanischen, der staatenbildende Trieb, der geniale Gedanke der sich selber regierenden Freiheit. Waehrend der hoechsten Bluete von Sidon und Tyros ist das phoenikische Land der ewige Zankapfel der am Euphrat und am Nil herrschenden Maechte und bald den Assyrern, bald den Aegyptern untertan. Mit der halben Macht haetten hellenische Staedte sich unabhaengig gemacht; aber die vorsichtigen sidonischen Maenner, berechnend, dass die Sperrung der Karawanenstrassen nach dem Osten oder der aegyptischen Haefen ihnen weit hoeher zu stehen komme als der schwerste Tribut, zahlten lieber puenktlich ihre Steuern, wie es fiel nach Ninive oder nach Memphis, und fochten sogar, wenn es nicht anders sein konnte, mit ihren Schiffen die Schlachten der Koenige mit. Und wie die Phoeniker daheim den Druck der Herren gelassen ertrugen, waren sie auch draussen keineswegs geneigt, die friedlichen Bahnen der kaufmaennischen mit der erobernden Politik zu vertauschen. Ihre Niederlassungen sind Faktoreien; es liegt ihnen mehr daran, den Eingeborenen Waren abzunehmen und zuzubringen, als weite Gebiete in fernen Laendern zu erwerben und daselbst die schwere und langsame Arbeit der Kolonisierung durchzufuehren. Selbst mit ihren Konkurrenten vermeiden sie den Krieg; aus Aegypten, Griechenland, Italien, dem oestlichen Sizilien lassen sie fast ohne Widerstand sich verdraengen und in den grossen Seeschlachten, die in frueher Zeit um die Herrschaft im westlichen Mittelmeer geliefert worden sind, bei Alalia (217 537) und Kyme (280 474), sind es die Etrusker, nicht die Phoeniker, die die Schwere des Kampfes gegen die Griechen tragen. Ist die Konkurrenz einmal nicht zu vermeiden, so gleicht man sich aus, so gut es gehen will; es ist nie von den Phoenikern ein Versuch gemacht worden, Caere oder Massalia zu erobern. Noch weniger natuerlich sind die Phoeniker zum Angriffskrieg geneigt. Das einzige Mal, wo sie in der aelteren Zeit offensiv auf dem Kampfplatze erscheinen, in der grossen sizilischen Expedition der afrikanischen Phoeniker, welche mit der Niederlage bei Himera durch Gelon von Syrakus endigte (274 480), sind sie nur als gehorsame Untertanen des Grosskoenigs und um der Teilnahme an dem Feldzug gegen die oestlichen Hellenen auszuweichen, gegen die Hellepen des Westens ausgerueckt; wie denn ihre syrischen Stammgenossen in der Tat in demselben Jahr sich mit den Persern bei Salamis mussten schlagen lassen. Es ist das nicht Feigheit; die
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