Richard III | Page 9

William Shakespeare
vollbracht habt, kommt nach Crosby-Hof. Doch seid mir
schleunig bei der Ausführung, Zugleich verhärtet euch, hört ihn nicht
an; Denn Clarence ist beredt und kann vielleicht Das Herz euch rühren,
wenn ihr auf ihn achtet.
ErsterMörder. Pah, gnäd‘ger Herr! Wir schwatzen nicht erst lang; Wer
Worte macht, tut wenig: seid versichert, Die Hände brauchen wir und
nicht die Zungen.
Gloster. Ihr weint Mühlsteine, wie die Narren Tränen; Ich hab euch
gerne, Burschen: frisch ans Werk! Geht! geht! macht zu!
ErsterMörder. Wir wollen's, edler Herr.
(Alle ab.)

VIERTE SZENE
Ein Zimmer im Turm.
(Clarence und Brakenbury treten auf.)
Brakenbury. Wie sieht Eu'r Gnaden heut so traurig aus?
Clarence. Oh, ich hatt' eine jämmerliche Nacht, Voll banger Träume,
scheußlicher Gesichte! So wahr als ich ein frommer gläub'ger Christ,
Ich brächte nicht noch eine Nacht so zu, Gält' es auch eine Welt
beglückter Tage: So voll von grausem Schrecken war die Zeit.
Brakenbury. Was war Eu'r Traum, Mylord? Ich bitt Euch, sagt mir.
Clarence. Mir deucht', ich war entsprungen aus dem Turm Und
eingeschifft, hinüber nach Burgund, Und mich begleitete mein Bruder
Gloster. Der lockt' aus der Kajüte mich, zu gehn Auf dem Verdeck; von
da sahn wir nach England Und führten tausend schlimme Zeiten an
Vom Kriege zwischen York und Lancaster, Die uns betroffen. Wie wir
schritten so Auf des Verdeckes schwindlichtem Getäfel, Schien mir's,
daß Gloster strauchelt' und im Fallen Mich, der ihn halten wollte, über
Bord In das Gewühl der Meereswogen riß. O Gott! wie qualvoll schien

mir's, zu ertrinken! Welch grauser Lärm des Wassers mir im Ohr!
Welch scheußlich Todesschauspiel vor den Augen! Mir deucht', ich
säh' den Graus von tausend Wracken, Säh' tausend Menschen, angenagt
von Fischen; Goldklumpen, große Anker, Perlenhaufen, Stein' ohne
Preis, unschätzbare Juwelen, Zerstreuet alles auf dem Grund der See. In
Schädeln lagen ein'ge; in den Höhlen, Wo Augen sonst gewohnt, war
eingenistet, Als wie zum Spotte, blinkendes Gestein, Das buhlte mit der
Tiefe schlamm'gem Grund Und höhnte die Gerippe ringsumher.
Brakenbury. Ihr hattet Muß' im Augenblick des Todes, Der Tiefe
Heimlichkeiten auszuspähn?
Clarence. Mir deuchte so, und oft strebt' ich den Geist Schon
aufzugeben: doch die neid'sche Flut Hielt meine Seel' und ließ sie nicht
heraus, Die weite, leere, freie Luft zu suchen; Sie würgte mir sie im
beklommnen Leib, Der fast zerbarst, sie in die See zu spein.
Brakenbury. Erwachtet Ihr nicht von der Todesangst?
Clarence. O nein, mein Traum fuhr nach dem Leben fort: Oh, da
begann erst meiner Seele Sturm! Mich setzte über die betrübte Flut Der
grimme Fährmann, den die Dichter singen, In jenes Königreich der
ew'gen Nacht. Zum ersten grüßte da die fremde Seele Mein
Schwiegervater, der berühmte Warwick. Laut schrie er: "Welche
Geißel für Verrat Verhängt dies düstre Reich dem falschen Clarence?"
Und so verschwand er. Dann vorüber schritt Ein Schatte wie ein Engel,
helles Haar Mit Blut besudelt, und er schrie laut auf: "Clarence ist da,
der eidvergeßne Clarence, Der mich im Feld bei Tewkesbury erstach!
Ergreift ihn, Furien! nehmt ihn auf die Folter!" Somit umfing mich eine
Legion Der argen Feind' und heulte mir ins Ohr So gräßliches Geschrei,
daß von dem Lärm Ich bebend aufwacht' und noch längst nachher
Nicht anders glaubt', als ich sei in der Hölle: So schrecklich eingeprägt
war mir der Traum.
Brakenbury. Kein Wunder, Herr, daß Ihr Euch drob entsetzt; Mir bangt
schon, da ich's Euch erzählen höre.
Clarence. O Brakenbury, ich tat alles dies, Was jetzo wider meine Seele
zeugt, Um Eduards halb:--und sieh, wie lohnt er's mir! O Gott, kann
dich mein innig Flehn nicht rühren, Und willst du rächen meine
Missetaten, So übe deinen Grimm an mir allein! schon mein schuldlos
Weib, die armen Kinder!-- Ich bitt dich, lieber Wärter, bleib bei mir:
Mein Sinn ist trüb, und gerne möcht ich schlafen.

Brakenbury. Ich will's, Mylord; Gott geb' Euch gute Ruh'!
(Clarence setzt sieh zum Schlafen in einen Lehnstuhl.)
Leid bricht die Zeiten und der Ruhe Stunden, Schafft Nacht zum
Morgen und aus Mittag Nacht. Nur Titel sind der Prinzen
Herrlichkeiten, Ein äußrer Glanz für eine innre Last; Für ungefühlte
Einbildungen fühlen Sie eine Welt rastloser Sorgen oft. So daß von
ihren Titeln niedern Rang Nichts unterscheidet als des Ruhmes Klang.
(Die beiden Mörder kommen.)
ErsterMörder. He! wer ist da?
Brakenbury. Was willst du, Kerl? wie bist du hergekommen?
ErsterMörder. Ich will Clarence sprechen, und ich bin auf meinen
Beinen hergekommen.
Brakenbury. Wie? so kurz ab?
ZweiterMörder. O Herr, besser kurz ab als langweilig.-- Zeige ihm
unsern Auftrag, laß dich nicht weiter ein.
(Sie überreichen dem Brakenbury ein Papier, welches er liest.)
Brakenbury. Ich werde hier befehligt, euren Händen Den edlen Herzog
Clarence auszuliefern. Ich will nicht grübeln, was hiemit gemeint ist,
Denn ich will schuldlos an der Meinung sein. Hier sind die Schlüssel,
dorten schläft der Herzog. Ich will zum König, um ihm kundzutun, Daß
ich mein Amt
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 39
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.