Rede zum Schuljahresabschluss | Page 4

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
brauche an die Gro?heit ihrer Gesinnungen, an ihre plastische, von moralischer Zweideutigkeit freie Tugend und Vaterlandsliebe, an den gro?en Stil ihrer Taten und Charaktere, das Mannigfaltige ihrer Schicksale, ihrer Sitten und Verfassungen nur zu erinnern, um die Behauptung zu rechtfertigen, da? in dem Umfange keiner Bildung soviel Vortreffliches, Bewunderungsw��rdiges, Originelles, Vielseitiges und Lehrreiches vereinigt war.
Dieser Reichtum aber ist an die Sprache gebunden, und nur durch und in dieser erreichen wir ihn in seiner ganzen Eigent��mlichkeit. Den Inhalt geben uns etwa ��bersetzungen, aber nicht die Form, nicht die ?therische Seele desselben. Sie gleichen den nachgemachten Rosen, die an Gestalt, Farbe, etwa auch Wohlgeruch den nat��rlichen ?hnlich sein k?nnen; aber die Lieblichkeit, Zartheit und Weichheit des Lebens erreichen jene nicht. Oder die sonstige Zierlichkeit und Feinheit der Kopie geh?rt nur dieser an, an welcher ein Kontrast zwischen dem Inhalte und der nicht mit ihm erwachsenen Form sich f��hlbar macht. Die Sprache ist das musikalische Element, das Element der Innigkeit, das in der ��bertragung verschwindet,--der feine Duft, durch den die Sympathie der Seele sich zu geniesen gibt, aber ohne den ein Werk der Alten nur schmeckt wie Rheinwein, der verduftet ist.
Dieser Umstand legt uns die hart scheinende Notwendigkeit auf, die Sprachen der Alten gr��ndlich zu studieren und sie uns gel?ufig zu machen, um ihre Werke in dem m?glichsten Umfang aller ihrer Seiten und Vorz��ge geniesen zu k?nnen. Wenn wir uns ��ber die M��he, die wir hierzu anwenden m��ssen, beschweren wollten und es f��rchten oder bedauern k?nnten, die Erwerbung anderer Kenntnisse und Fertigkeiten dar��ber zur��cksetzen zu m��ssen, so h?tten wir das Schicksal anzuklagen, das uns in unserer eigenen Sprache nicht diesen Kreis klassischer Werke hat zuteil werden lassen, die uns die m��hevolle Reise zu dem Altertum entbehrlicher machten und den Ersatz f��r dasselbe gew?hrten.
Nachdem ich von dem Stoffe der Bildung gesprochen, f��hrt dieser Wunsch darauf, noch einige Worte ��ber das Formelle zu sagen, das in ihrer Natur liegt.
Das Fortschreiten der Bildung ist n?mlich nicht als das ruhige Fortsetzen einer Kette anzusehen, an deren fr��here Glieder die nachfolgenden zwar mit R��cksicht auf sie gef��gt w��rden, aber aus eigener Materie und ohne da? diese weitere Arbeit gegen die erstere gerichtet w?re. Sondern die Bildung mu? einen fr��heren Stoff und Gegenstand haben, ��ber den sie arbeitet, den sie ver?ndert und neu formiert. Es ist n?tig, da? wir uns die Welt des Altertums erwerben, so sehr, um sie zu besitzen, als noch mehr, um etwas zu haben, das wir verarbeiten.--Um aber zum Gegenstande zu werden, mu? die Substanz der Natur und des Geistes uns gegen��bergetreten sein, sie mu? die Gestalt von etwas Fremdartigem erhalten haben.--Ungl��cklich der, dem seine unmittelbare Welt der Gef��hle entfremdet wird; denn dies hei?t nichts anderes, als da? die individuellen Bande, die das Gem��t und den Gedanken heilig mit dem Leben befreunden, Glaube Liebe und Vertrauen, ihm zerrissen wird!--F��r die Entfremdung, welche Bedingung der theoretischen Bildung ist, fordert diese nicht diesen sittlichen Schmerz, nicht das Leiden des Herzens, sondern den leichteren Schmerz und Anstrengung der Vorstellung, sich mit einem Nicht- Unmittelbaren, einem Fremdartigen, mit etwas der Erinnerung, dem Ged?chtnisse und dem Denken Angeh?rigen zu besch?ftigen.--Diese Forderung der Trennung aber ist so notwendig, da? sie sich als ein allgemeiner und bekannter Trieb in uns ?ussert. Das Fremdartige, das Ferne f��hrt das anziehende Interesse mit sich, das uns zur Besch?ftigung und Bem��hung lockt, und das Begehrenswerte steht im umgekehrten Verh?ltnisse mit der N?he, in der es steht und gemein mit uns ist. Die Jugend stellt es sich als ein Gl��ck vor, aus dem Einheimischen wegzukommen und mit Robinson eine ferne Insel zu bewohnen. Es ist eine notwendige T?uschung, das Tiefe zuerst in der Gestalt der Entfernung suchen zu m��ssen; aber die Tiefe und Kraft, die wir erlangen, kann nur durch die Weite gemessen werden, in die wir von dem Mittelpunkte hinwegflogen, in welchen wir uns zuerst versenkt befanden und dem wir wieder zustreben.
Auf diesen Zentrifugaltrieb der Seele gr��ndet sich nun ��berhaupt die Notwendigkeit, die Scheidung, die sie von ihrem nat��rlichen Wesen und Zustand sucht, ihr selbst darreichen und eine ferne, fremde Welt in den jungen Geist hineinstellen zu m��ssen. Die Scheidewand aber, wodurch diese Trennung f��r die Bildung, wovon hier die Rede ist, bewerkstelligt wird, ist die Welt und Sprache der Alten; aber sie, die uns von uns trennt, enth?lt zugleich alle Anfangspunkte und F?den der R��ckkehr zu sich selbst, der Befreundung mit ihr und des Wiederfindens seiner selbst, aber seiner nach dem wahrhaften allgemeinen Wesen des Geistes.
Diese allgemeine Notwendigkeit, welche die Welt der Vorstellung so sehr als die Sprache als solche umfa?t, wenn wir sie auf die Erlernung der letzteren anwenden, so erhellt von selbst, da? die mechanische Seite davon mehr als blo? ein notwendiges ��bel ist. Denn das Mechanische ist das [dem] Geiste Fremde, f��r den es Interesse hat, das in ihn hineingelegte Unverdaute zu verdauen, das in ihm noch Leblose zu verst?ndigen und zu
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