Prinz Friedrich von Homburg | Page 9

Heinrich von Kleist

Der Prinz von Homburg. O! könnt ich sagen: nein! Könnt ich mit Blut,
aus diesem treuen Herzen, Das seinige zurück ins Dasein rufen!
Natalie (trocknet sich die Tränen). Hat man denn schon die Leiche
aufgefunden?
Der Prinz von Homburg. Ach, mein Geschäft, bis diesen Augenblick,
War Rache nur an Wrangel; wie vermocht ich, Solch einer Sorge mich

bis jetzt zu weihn? Doch eine Schar von Männern sandt ich aus, Ihn, im
Gefild des Todes, aufzusuchen: Vor Nacht noch zweifelsohne trifft er
ein.
Natalie. Wer wird, in diesem schauderhaften Kampf, Jetzt diese
Schweden niederhalten? Wer Vor dieser Welt von Feinden uns
beschirmen, Die uns sein Glück, die uns sein Ruhm erworben?
Der Prinz von Homburg (nimmt ihre Hand). Ich, Fräulein, übernehme
eure Sache! Ein Engel will ich, mit dem Flammenschwert, An eures
Throns verwaiste Stufen stehn! Der Kurfürst wollte, eh das Jahr noch
wechselt, Befreit die Marken sehn; wohlan! ich will der Vollstrecker
solchen letzten Willens sein!
Natalie. Mein lieber, teurer Vetter!
(Sie zieht ihre Hand zurück.)
Der Prinz von Homburg. O Natalie! (Er hält einen Augenblick inne.)
Wie denkt Ihr über Eure Zukunft jetzt?
Natalie. Ja, was soll ich, nach diesem Wetterschlag, Der unter mir den
Grund zerreißt, beginnen? Mir ruht der Vater, mir die teure Mutter, Im
Grab zu Amsterdam; in Schutt und Asche Liegt Dortrecht, meines
Hauses Erbe, da; Gedrängt von Spaniens Tyrannenheeren, Weiß Moritz
kaum, mein Vetter von Oranien, Wo er die eignen Kinder retten soll:
Und jetzt sinkt mir die letzte Stütze nieder, Die meines Glückes Rebe
aufrecht hielt. Ich ward zum zweitenmale heut verwaist.
Der Prinz von Homburg (schlägt einen Arm um ihren Leib). O meine
Freundin! Wäre diese Stunde Der Trauer nicht geweiht, so wollt ich
sagen: Schlingt Eure Zweige hier um diese Brust, Um sie, die schon
seit Jahren, einsam blühend, Nach eurer Glocken holden Duft sich
sehnt!
Natalie. Mein lieber, guter Vetter!
Der Prinz von Homburg.--Wollt Ihr? Wollt Ihr?

Natalie. --Wenn ich ins innre Mark ihr wachsen darf?
(Sie legt sich an seine Brust.)
Der Prinz von Homburg. Wie? Was war das?
Natalie. Hinweg!
Der Prinz von Homburg (hält sie). In ihren Kern! In ihres Herzens Kern,
Natalie!
(Er küßt sie; sie reißt sich los.)
O Gott, wär er jetzt da, den wir beweinen, Um diesen Bund zu schauen!
Könnten wir Zu ihm aufstammeln: Vater, segne uns!
(Er bedeckt sein Gesicht mit seinen Händen; Natalie wendet sich
wieder zur Kurfürstin zurück.)

Siebenter Auftritt
Ein Wachtmeister tritt eilig auf.--Die Vorigen.
Wachtmeister. Mein Prinz, kaum wag ich, beim lebendgen Gott, Welch
ein Gerücht sich ausstreut, Euch zu melden! --Der Kurfürst lebt!
Der Prinz von Homburg. Er lebt!
Wachtmeister. Beim hohen Himmel! Graf Sparren bringt die Nachricht
eben her.
Natalie. Herr meines Lebens! Mutter; hörtest dus?
(Sie stürzt vor der Kurfürstin nieder und umfaßt ihren Leib.)
Der Prinz von Homburg. Nein, sag--! Wer bringt mir--?
Wachtmeister. Graf Georg von Sparren, Der ihn in Hackelwitz beim

Truchßschen Korps, Mit eignem Aug, gesund und wohl, gesehn!
Der Prinz von Homburg. Geschwind! Lauf, Alter! Bring ihn mir
herein!
(Wachtmeister ab.)

Achter Auftritt
Graf Georg von Sparren und der Wachtmeister treten auf. Die Vorigen.
Kurfürstin. O stürzt mich zweimal nicht zum Abgrund nieder!
Natalie. Nein, meine teure Mutter!
Kurfürstin. Friedrich lebt?
Natalie (hält sie mit beiden Händen aufrecht). Des Daseins Gipfel
nimmt Euch wieder auf!
Wachtmeister (auftretend). Hier ist der Offizier!
Der Prinz von Homburg. Herr Graf von Sparren! Des Herrn
Durchlaucht habt Ihr frisch und wohlauf, Beim Truchßschen Korps, in
Hackelwitz, gesehn?
Graf Sparren. Ja, mein erlauchter Prinz, im Hof des Pfarrers, Wo er
Befehle gab, vom Stab umringt, Die Toten beider Heere zu begraben!
Die Hofdamen. O Gott! An deine Brust--(Sie umarmen sich.)
Kurfürstin. O meine Tochter!
Natalie. Nein, diese Seligkeit ist fast zu groß!
(Sie drückt ihr Gesicht in der Tante Schoß.)
Der Prinz von Homburg. Sah ich von fern, an meiner Reuter Spitze, Ihn

nicht, zerschmettert von Kanonenkugeln, In Staub, samt seinem
Schimmel, niederstürzen?
Graf Sparren. Der Schimmel, allerdings, stürzt', samt dem Reuter, Doch
wer ihn ritt, mein Prinz, war nicht der Herr.
Der Prinz von Homburg. Nicht? Nicht der Herr?
Natalie. O Jubel!
(Sie steht auf und stellt sich an die Seite der Kurfürstin.)
Der Prinz von Homburg. Sprich! Erzähle! Dein Wort fällt schwer wie
Gold in meine Brust!
Graf Sparren. O laßt die rührendste Begebenheit, Die je ein Ohr
vernommen, Euch berichten! Der Landesherr, der, jeder Warnung taub,
Den Schimmel wieder ritt, den strahlendweißen, Den Froben jüngst in
England ihm erstand, War wieder, wie bis heut noch stets geschah, Das
Ziel der feindlichen Kanonenkugeln. Kaum konnte, wer zu seinem
Troß gehörte, Auf einen Kreis von hundert Schritt ihm nahn; Granaten
wälzten, Kugeln und Kartätschen, Sich wie ein breiter Todesstrom
daher, Und alles, was da lebte, wich ans Ufer: Nur er, der kühne
Schwimmer, wankte nicht, Und, stets den Freunden winkend, rudert' er
Getrost den Höhn
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