Pole Poppenspaeler | Page 7

Theodor W. Storm
selber. "Spielt denn der heute abend auch
wieder mit?" fragte ich.
"Freili, der is allimal dabei!"
Mit untergeschlagenen Armen stand ich und betrachtete meinen lieben
lustigen Allerweltskerl. Da baumelte er, an sieben Schnüren aufgehängt;
sein Kopf war vornübergesunken, daß seine großen Augen auf den
Fußboden stierten und ihm die rote Nase wie ein breiter Schnabel auf
der Brust lag. "Kasperle, Kasperle", sagte ich bei mir selber, "Wie
hängst du da elendiglich." Da antwortete es ebenso: "Wart nur, liebs
Brüderl, wart nur bis heut abend!"--War das auch nur so in meinen
Gedanken, oder hatte Kasperl selbst zu mir gesprochen?-Ich sah mich
um. Das Lisei war fort; sie war wohl vor die Haustür, um die Rückkehr
ihres Vaters zu überwachen. --Da hörte ich sie eben noch von dem
Ausgang des Saales rufen: "Daß d' mir aber nit an die Puppen
rührst!"--Ja--nun konnte ich es aber doch nicht lassen. Leise stieg ich
auf eine neben mir stehende Bank und begann erst an der einen, dann
an der andern Schnur zu ziehen; die Kinnladen fingen an zu klappen,
die Arme hoben sich, und jetzt fing auch der wunderbare Daumen an,
ruckweise hin und her zu schießen. Die Sache machte gar keine
Schwierigkeit; ich hatte mir die Puppenspielerei doch kaum so leicht
gedacht.--Aber die Arme bewegten sich nur nach vorn und hinten aus;
und es war doch gewiß, daß Kasperle sie in dem neulichen Stück auch
seitwärts ausgestreckt, ja, daß er sie sogar über dem Kopf
zusammengeschlagen hatte! Ich zog an allen Drähten, ich versuchte mit
der Hand die Arme abzubiegen; aber es wollte nicht gelingen. Auf
einmal tat es einen leisen Krach im Innern der Figur. "Halt!" dachte ich,
"Hand vom Brett! Da hättst du können Unheil anrichten!"
Leise stieg ich wieder von meiner Bank herab, und zugleich hörte ich
auch Lisei von außen in den Saal treten.
"G'schwind, g'schwind!" rief sie und zog mich durch das Dunkel an die

Wendeltreppe hinaus; "'s is eigentli nit recht", fuhr sie fort, "daß i di
eilass'n hab; aber, gel, du hast doch dei Gaudi g'habt!"
Ich dachte an den leisen Krach von vorhin. "Ach, es wird ja nichts
gewesen sein!" Mit dieser Selbsttröstung lief ich die Treppe hinab und
durch die Hintertür ins Freie.
Soviel stand fest, der Kaspar war doch nur eine richtige Holzpuppe;
aber das Lisei--was das für eine allerliebste Sprache führte! und wie
freundlich sie mich gleich zu den Puppen mit hinaufgenommen hatte!
--Freilich, und sie hatte es ja auch selbst gesagt, daß sie es so heimlich
vor ihrem Vater getan, das war nicht völlig in der Ordnung. Unlieb--zu
meiner Schande muß ich's gestehen--war diese Heimlichkeit mir grade
nicht; im Gegenteil, die Sache bekam für mich dadurch noch einen
würzigen Beigeschmack, und es muß ein recht selbstgefälliges Lächeln
auf meinem Gesicht gestanden haben, als ich durch die Linden- und
Kastanienbäume des Gartens wieder nach dem Bürgersteig
hinabschlenderte.
Allein zwischen solchen schmeichelnden Gedanken hörte ich von Zeit
zu Zeit vor meinem inneren Ohre immer jenen leisen Krach im Körper
der Puppe; was ich auch vornahm, den ganzen Tag über konnte ich
diesen jetzt aus meiner eigenen Seele herauftönenden unbequemen
Laut nicht zum Schweigen bringen.
Es hatte sieben Uhr geschlagen; im Schützenhofe war heute, am
Sonntagabend, alles besetzt; ich stand diesmal hinten, fünf Schuh hoch
über dem Fußboden, auf dem Doppeltschillingsplatze. Die Talglichter
brannten in den Blechlampetten, der Stadtmusikus und seine Gesellen
fiedelten; der Vorhang rollte in die Höhe.
Ein hochgewölbtes gotisches Zimmer zeigte sich. Vor einem
aufgeschlagenen Folianten saß im langen schwarzen Talar der Doktor
Faust und klagte bitter, daß ihm all seine Gelehrsamkeit so wenig
einbringe; keinen heilen Rock habe er mehr am Leibe, und vor
Schulden wisse er sich nicht zu lassen; so wolle er denn jetzo mit der
Hölle sich verbinden.--"Wer ruft nach mir?" ertönte zu seiner Linken
eine furchtbare Stimme von der Wölbung des Gemaches herab.--"Faust,
Faust, folge nicht!" kam eine andere, feine Stimme von der
Rechten.--Aber Faust verschwor sich den höllischen Gewalten. --"Weh,
weh deiner armen Seele!" Wie ein seufzender Windeshauch klang es
von der Stimme des Engels; von der Linken schallte eine gellende

Lache durchs Gemach.--Da klopfte es an die Tür. "Verzeihung, Euere
Magnifizenz?" Fausts Famulus Wagner war eingetreten. Er bat, ihm für
die grobe Hausarbeit die Annahme eines Gehülfen zu gestatten, damit
er sich besser aufs Studieren legen könne. "Es hat sich", sagte er, "ein
junger Mann bei mir gemeldet, welcher Kasperl heißt und gar
fürtreffliche Qualitäten zu besitzen scheint." Faust nickte gnädig mit
dem Kopfe und sagte. "Sehr wohl, lieber Wagner, diese Bitte sei Euch
gewährt." Dann gingen beide miteinander fort.-"Pardauz!" rief es; und
da war er. Mit einem Satz kam er auf die Bühne gesprungen, daß ihm
das Felleisen auf dem Buckel hüpfte.--"Gott sei gelobt!" dachte ich; "er
ist noch ganz gesund; er springt noch ebenso wie vorigen Sonntag in
der Burg der schönen Genoveva!" Und seltsam,
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