Pole Poppenspaeler | Page 9

Theodor W. Storm
Kleide. "Lisei!" sagte ich leise, "bist du es? Was machst du hier?"
Sie antwortete nicht, sondern begann wieder vor sich hin zu schluchzen.
"Lisei", fragte ich wieder, "was fehlt dir? So sprich doch nur ein einziges Wort!"
Sie hob den Kopf ein wenig. "Was soll i da red'n!" sagte sie, "Du wei?t's ja von selber, da? du den Wurstl hast verdreht."
"Ja, Lisei", antwortete ich kleinlaut; "ich glaub es selber, da? ich das getan habe."
--"Ja, du!--Und i hab dir's doch g'sagt!"
"Lisei, was soll ich tun?"
--"Nu, halt nix!"
"Aber was soll denn daraus werden?"
--"Nu, halt aa nix!" Sie begann wieder laut zu weinen. "Aber i--wenn i z'Haus komm--da krieg i die Peitsch'n!"
"Du die Peitsche, Lisei!"--Ich f��hlte mich ganz vernichtet. "Aber ist dein Vater denn so strenge?"
"Ach, mei guts Vaterl!" schluchzte Lisei.
Also die Mutter! Oh, wie ich, au?er mir selber, diese Frau ha?te, die immer mit ihrem Holzgesichte an der Kasse sa?!
Von der B��hne h?rte ich Kasperl, den zweiten, rufen: "Das St��ck ist aus! Komm, Gret'l, la? uns Kehraus tanzen!" Und in demselben Augenblick begann auch ��ber unsern K?pfen das Scharren und Trappeln mit den F��?en, und bald polterte alles von den B?nken herunter und dr?ngte sich dem Ausgange zu; zuletzt kam der Stadtmusikus mit seinen Gesellen, wie ich aus dem T?nen des Brummbasses h?rte, mit dem sie beim Fortgehen an den W?nden anstie?en. Dann allm?hlich wurde es still, nur hinten auf der B��hne h?rte man noch die Tendlerschen Eheleute miteinander reden und wirtschaften. Nach einer Weile kamen auch sie in den Zuschauerraum; sie schienen erst an den Musikantenpulten, dann an den W?nden die Lichter auszuputzen; denn es wurde allm?hlich immer finsterer.
"Wenn i nur w��?t, wo die Lisei abblieben ist!" h?rte ich Herrn Tendler zu seiner an der gegen��berliegenden Wand besch?ftigten Frau hin��berrufen.
"Wo sollt sie sein!" rief diese wieder; "'s ist 'n st?rrig Ding; ins Quartier wird sie gelaufen sein!"
"Frau", antwortete der Mann, "du bist auch zu w��st mit dem Kind gewesen; sie hat doch halt so a weichs Gem��t!"
"Ei was", rief die Frau; "ihr' Straf mu? sie hab'n; sie wei? recht gut, da? die sch?ne Marionett noch von mei'm Vater selig ist! Du wirst sie nit wieder kurieren, und der zweit' Kasper ist doch halt nur ein Notknecht!"
Die lauten Wechselreden hallten in dem leeren Saale wider. Ich hatte mich neben Lisei hingekauert; wir hatten uns bei den H?nden gefa?t und sa?en m?uschenstille. "G'schieht mir aber schon recht", begann wieder die Frau, die eben gerade ��ber unsern K?pfen stand, "warum hab ich's gelitten, da? du das gottesl?sterlich St��ck heute wieder aufgef��hrt hast! Mein Vater selig hat's nimmer wollen in seinen letzten Jahren!"
"Nu, nu, Resel!" rief Herr Tendler von der andern Wand; "dein Vater war ein b'sondrer Mann. Das St��ck gibt doch allfort eine gute Cassa; und ich mein', es ist doch auch a Lehr und Beispiel f��r die vielen Gottlosen in der Welt!"
"Ist aber bei uns zum letztenmal heut geb'n. Und nu red mir nit mehr davon!" erwiderte die Frau.
Herr Tendler schwieg.--Es schien jetzt nur noch ein Licht zu brennen, und die beiden Eheleute n?herten sich dem Ausgang.
"Lisei", fl��sterte ich, "Wir werden eingeschlossen."
"La?!" sagte sie, "i kann nit; i geh nit furt!"
"Dann bleib ich auch!"
--"Aber dei Vater und Mutter!"
"Ich bleib doch bei dir!"
Jetzt wurde die T��r des Saales zugeschlagen;--dann ging's die Treppe hinab, und dann h?rten wir, wie drau?en auf der Stra?e die gro?e Haust��r abgeschlossen wurde.
Da sa?en wir denn. Wohl eine Viertelstunde sa?en wir so, ohne auch nur ein Wort miteinander zu reden. Zum Gl��ck fiel mir ein, da? sich noch zwei Hei?ewecken in meiner Tasche befanden, die ich f��r einen meiner Mutter abgebettelten Schilling auf dem Herwege gekauft und ��ber all dem Schauen ganz vergessen hatte. Ich steckte Lisei den einen in ihre kleinen H?nde; sie nahm ihn schweigend, als verstehe es sich von selbst, da? ich das Abendbrot besorge, und wir schmausten eine Weile. Dann war auch das zu Ende.--Ich stand auf und sagte: "La? uns hinter die B��hne gehen; da wirds's heller sein; ich glaub, der Mond scheint drau?en!" Und Lisei lie? sich geduldig durch die kreuz und quer stehenden Latten von mir in den Saal hinausleiten.
Als wir hinter der Verkleidung in den B��hnenraum geschl��pft waren, schien dort vom Garten her das helle Mondlicht in die Fenster.
An dem Drahtseil, an dem am Vormittage nur die beiden Puppen gehangen hatten, sah ich jetzt alle, die vorhin im St��ck aufgetreten waren. Da hing der Doktor Faust mit seinem scharfen blassen Gesicht, der geh?rnte Mephistopheles, die drei kleinen schwarzhaarigen Teufelchen, und dort neben der gefl��gelten Kr?te waren auch die beiden Kasperls. Ganz stille hingen sie da in der bleichen Mondscheinbeleuchtung; fast wie Verstorbene kamen sie mir vor. Der Hauptkasperl hatte zum Gl��ck wieder seinen breiten Nasenschnabel auf der Brust liegen, sonst h?tte ich geglaubt, da? seine Blicke mich verfolgen m��?ten.
Nachdem Lisei und ich eine Welle, nicht wissend, was wir beginnen sollten, an dem Theaterger��ste umhergestanden und--geklettert
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