aus ihrem Fenster
bequem unten auf das breite, platte, geteerte Nachbardach klettern
konnte, von dem man dann eine erfreuliche Aussicht auf die
verschwiegenen Brandmauern mehrerer Hinterh„user genoá. Ein
kleines anspruchsloses Pflaumenb„umchen, dessen verkrppelte Žstchen
von Raupen und Spatzen nur so wimmelten, vervollst„ndigte das Idyll.
Der arme kleine Ole sprte die verh„ngnisvolle Zeit schon immer eine
ganze Weile vorher in seinen Knochen. Der groáe Thienwiebel beliebte
es dann n„mlich immer, gewisse Unterhaltungen mit ihm anzuknpfen,
die so geistvoll, ideentief und farbenreich waren, daá dem kleinen Ole,
den seine ewigen Brotkrusten schon ohnehin arg mitgenommen hatten,
nur so der Kopf danach brummte.
"Ich will hier im Saale auf und ab gehn, wenn es Seiner Majest„t gef„llt;
es wird jetzt bei mir die Stunde, frische Luft zu sch”pfen. Laát die
Rapiere bringen."
Die "Rapiere" waren zwei Leiterstcken, die man zusammenlegen und
von drauáen her in das Fensterkreuz einhaken konnte.
Wenn sie "gebracht" worden waren, endete die Geschichte natrlich
stets damit, daá man sie auch richtig einhakte und an ihnen
hinabkletterte.
"Hic et ubique! Žndern wir die Stelle!"
Dann war man in "Helsing”r" und promenierte auf der "Terrasse". Der
groáe Thienwiebel in Fez und Schlafrock, der kleine Ole in Havelock
und Unterpantalons.
Ich will die Lieb' Euch lohnen, lebt denn wohl, Horatio! Auf der
Terrasse zwischen elf und zw”lf besuch ich Euch ... Nicht wahr?
Ihre...seid ein--Fischh„ndler?!"
Scham, wo war dein Err”ten!
Der arme, kleine Ole wuáte zuletzt selbst nicht mehr: war eigentlich er
verrckt, oder Nielchen.
Aber er h„tte sich nicht so zu h„rmen brauchen. Der groáe Thienwiebel
wuáte nur zu gut, was er tat. Er war nur "toll aus Methode". Er war nur
toll bei Nordnordwest; wenn der Wind sdlich war, konnte er sehr wohl
einen Kirchturm von einem Leuchtenpfahl unterscheiden.
Die ewige Aktsteherei unten in der alten, dummen Akademie war ihm
eben nachgerade langweilig geworden, und da er der alten, lieben,
guten Frau Wachtel doch unm”glich zutrauen durfte, daá sie ihn noch
l„nger gratis beherbergte, wenn er sich jetzt die "Quelle k”stlicher
Dukaten" so sans facon wieder zustopfte, war er eben eines sch”nen
Tages auf die groáartige Idee verfallen, sich hier in dieser herben Welt
voll Mh' nach und nach fr wirklich bergeschnappt auszugeben.
"Ha! Heisa Junge! Komm, V”gelchen! Komm! Ich Muá nach England;
wiát Ihr's? Himmel und Erde! Es ist nur eine Torheit, aber es ist eine
Art von schlimmer Vorbedeutung, die vielleicht ein Weib „ngstigen
wrde.
Was? Eine Ratte? Die Spitze auch vergiftet! Nein! Nein, sch”ne Dame!
Nicht nur mein dstrer Mantel, gute Mutter, noch die gewohnte Tracht
von ernstem Schwarz, noch strmisches Geseufz beklemmten Odems:
nein: auch die Schmeichelsalb'! Ich hab's geschworen! Wegl”schen von
der Tafel der Erinnerung will ich all jene t”richten Geschichten! Nie
beuge sich dieses Knies gelenke Angel, wo Kriecherei Gewinnn bringt!
Ich trotze allen Vorbedeutungen: es waltet eine besondere Vorsehung
ber dem Fall des Sperlings. In Bereitschaft sein ist alles. Wetter! Dankt
ihr, daá ich leichter zu spielen bin als ein Fl”te? Nennt mich, was fr ein
Instrument ihr wollt! Ihr k”nnt mich zwar verstimmen, aber nicht auf
mir spielen..."
Ha! Was? Ein k”nigliches Bubenstck!
Dem kleinen Fortinbras schien dieses k”nigliche Bubenstck am
wenigsten zu imponieren. Ja, aus gewissen Anzeichen glaubte sein
groáer Papa manchmal sogar schlieáen zu drfen, daá er noch nicht
einmal recht Notiz von ihm genommen hatte.
Am auff„lligsten zeigte sich dies aber regelm„áig dann, wenn es sich
um die "ersten Elemente der Gesangskunst" handelte. Denn der "arme
Yorick" war durchaus nicht gewillt, seinem schrecklichem Wahnsinn
zuliebe auch die seltnen Talente seines zu so groáen Hoffnungen
berechtigenden S”hnchens verkmmern zu lassen.
Es war ausgemacht! Es war ausgemacht, o reizende Ophelia! Ja! Sagen
wir Ophelia! Teufel! Warum sollten wir nicht Ophelia sagen? Kurz und
gut: es war ausgemacht. Es sollte ihn und seine Sache den
Unbefriedigten erkl„ren...Den Unbefriedigten!...
Sobald er daher nur irgendwie merkte, daá der kleine Ole nebenan
wieder einmal eingeschlafen und die gute Frau Wachtel wieder mal
ausgegangen war und so "die beiden, denen er wie Nattern traute," eine
Zeitlang wieder "unsch„dlich" gemacht waren, ging der Tanz los.
Seines Kummers "Kleid und Zier" war dann pl”tzlich wie abgefallen
von dem groáen Thienwiebel.
Seine "Einbildungen, schwarz wie Schmiedezeug Vulkans", hatten den
armen Yorick verlassen, er war wieder "zahmer Herr!"
"H”hrt doch! Ich bin wieder zahm, Herr! Sprecht! Ich bin wieder
zahm!"
Aber der kleine, verstockte Fortinbras wollte nicht. Er hatte sich wieder
nur in Ermangelung eines Gummipfropfens, dem ihm die reizende
Ophelia verbummelt hatte, seinen groáen Zeh in den Mund gestopft
und sog nun, daá es ihm aus dem kleinen, mattrosa Mundwinkelchen
nur so tropfte. Die ersten Elemente der Gesangskunst lieáen ihn heute
augenscheinlich noch k„lter als sonst.
Emp”rt hatte sich jetzt der groáe Thienwiebel wieder in die H”he gerckt.
Die beiden roten Troddeln hinten an seinem Schlafrock zuzubinden
hatte er natrlich wieder vegesssen.
"Amalie! Ich bemerke soeben zu meinem grӇten Erstaunen, Fortinbras
ist
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