Oberon | Page 5

Christoph Martin Wieland
Arm und Knie die Sehnen sich entstricken,?Und wider Willen l?uft's ihm eiskalt übern Rücken.?Allein den Muth, der ihn nach Babylon?Zu gehen treibt, kann keine Furcht ersticken;?Und mit gezognem Schwert, sein Ro? stets an der Hand,?Ersteigt er einen Pfad, der sich durch Felsen wand.
17?Er war nicht lange fortgegangen,?So glaubt er in der Fern' den Schein von Feuer zu sehn.?Der Anblick pumpt sogleich mehr Blut in seine Wangen,?Und, zwischen Zweifel, und Verlangen?Ein menschlich Wesen vielleicht in diesen ?den H?h'n?Zu finden, f?hrt er fort dem Schimmer nachzugehn,?Der bald erstirbt und bald sich wieder zeiget?So wie der Pfad sich senket oder steiget.
18?Auf einmahl g?hnt im tiefsten Felsengrund?Ihn eine H?hle an, vor deren finsterm Schlund?Ein prasselnd Feuer flammt. In wunderbaren Gestalten?Ragt aus der dunkeln Nacht das angestrahlte Gestein,?Mit wildem Gebüsche versetzt, das aus den schwarzen Spalten Herab nickt, und im Wiederschein?Als grünes Feuer brennt. Mit lustvermengtem Grauen?Bleibt unser Ritter stehn, den Zauber anzuschauen.
19?Indem schallt aus dem Bauch der Gruft ein donnernd Halt!?Und pl?tzlich stand vor ihm ein Mann von rauher Gestalt,?Mit einem Mantel bedeckt von wilden Katzenfellen,?Der, grob zusammen geflickt, die rauhen Schenkel schlug;?Ein graulich schwarzer Bart hing ihm in krausen Wellen?Bis auf den Magen herab, und auf der Schulter trug?Er einen Cedernast, als Keule, schwer genug?Den gr??ten Stier auf Einen Schlag zu f?llen.
20?Der Ritter, ohne vor dem Mann?Und seiner Ceder und seinem Bart zu erschrecken,?Beginnt in der Sprache von Ok, der einzigen die er kann,?Ihm seinen Nothstand zu entdecken.?Was h?r' ich? ruft entzückt der alte Waldmann aus:?O sü?e Musik vom Ufer der Garonne!?Schon sechzehnmahl durchl?uft den Sternenkreis die Sonne,?Und alle die Zeit entbehr' ich diesen Ohrenschmaus.
21?Willkommen, edler Herr, auf Libanon, willkommen!?Wiewohl sich leicht erachten l??t?Da? ihr den Weg in dieses Drachennest?Um meinetwillen nicht genommen.?Kommt, ruhet aus, und nehmt ein leichtes Mahl für gut,?Wobey die Freundlichkeit des Wirths das beste thut.?Mein Wein (er springt aus diesem Felsenkeller)?Verdünnt das Blut, und macht die Augen heller.
22?Der Held, dem dieser Gru? gar gro?e Freude gab,?Folgt unges?umt dem Landsmann in die Grotte,?Legt traulich Helm und Panzer ab,?Und steht entwaffnet da, gleich einem jungen Gotte.?Dem Waldmann wird als rühr' ihn Alquifs Stab,?Da jener itzt den blanken Helm entschnallet,?Und ihm den schlanken Rücken hinab?Sein langes gelbes Haar in gro?en Ringen wallet.
23?Wie ?hnlich, ruft er, o wie ?hnlich, Stück für Stück!?Stirn, Auge, Mund und Haar!--Wem ?hnlich? fragt der Ritter. "Verzeihung, junger Mann! Es war ein Augenblick,?Ein Traum aus be?rer Zeit! so sü?, und auch so bitter!?Es kann nicht seyn!--Und doch, wie euch die? sch?ne Haar?Den Rücken herunter fiel, war mir's ich seh' Ihn selber?Von Kopf zu Fu?. Bey Gott! sein Abdruck, ganz und gar;?Nur Er von breit'rer Brust, und eure Locken gelber.
24?"Ihr seyd, der Sprache nach, aus meinem Lande; vielleicht?Ist's nicht umsonst, da? ihr dem guten Herrn so gleicht,?Um den ich hier in diesem wilden Haine,?So fern von meinem Volk, schon sechzehn Jahre weine.?Ach! ihn zu überleben war?Mein Schicksal! Diese Hand hat ihm die Augen geschlossen,?Die? Auge sein frühes Grab mit treuen Z?hren begossen,?Und itzt, ihn wieder in euch zu sehn, wie wunderbar!"
25?Der Zufall spielt zuweilen solche Spiele,?Versetzt der Jüngling.--Sey es dann,?F?hrt jener fort: genug, mein wackrer junger Mann,?Die Liebe, womit ich mich zu euch gezogen fühle,?Ist traun! kein Wahn; und g?nnet ihr den Lohn?Da? Scherasmin bey euerm Nahmen euch nenne??"Mein Nahm' ist Hüon, Erb' und Sohn?Des braven Siegewin, einst Herzogs von Guyenne."
26?O! ruft der Alte, der ihm zu Fü?en f?llt,?So log mein Herz mir nicht! O tausendmahl willkommen?In diesem einsamen unwirthbaren Theil der Welt,?Willkommen, Sohn des ritterlichen, frommen,?Preiswerthen Herrn, mit dem in meiner bessern Zeit?Ich manches Abenteu'r in Schimpf und Ernst bestanden!?Ihr hüpftet noch im ersten Flügelkleid,?Als wir zum heiligen Grab zu fahren uns verbanden.
27?Wer h?tte dazumahl gedacht,?Wir würden uns in diesen Felsenschlünden?Auf Libanon nach achtzehn Jahren finden??Verzweifle keiner je, dem in der trübsten Nacht?Der Hoffnung letzte Sterne schwinden!?Doch, Herr, verzeiht da? mich die Freude plaudern macht.?La?t mich vielmehr vor allen Dingen fragen,?Was für ein Sturmwind euch in dieses Land verschlagen?
28?Herr Hüon l??t am Feuerherd?Auf einer Bank von Moos sich mit dem Alten nieder,?Und als er drauf die reisemüden Glieder?Mit einem Trunk, so frisch die Quelle ihn beschert,?Und etwas Honigseim gest?rket,?Beginnt er seine Geschichte dem Wirth erz?hlen, der sich?Nicht satt an ihm sehen kann, und stets noch was bemerket?Worin sein vor'ger Herr dem jungen Ritter glich.
29?Der junge Mann erz?hlt, nach Art der lieben Jugend,?Ein wenig breit: wie seine Mutter ihn?Bey Hofe (dem wahren Ort um Prinzen zu erziehn)?Gar flei?ig zu guter Lehr' und ritterlicher Tugend?Erzogen; wie schnell der Kindheit lieblicher Traum?Vorüber geflogen; und wie, so bald ihm etwas Flaum?Durchs Kinn gestochen, man ihn zu Bordeaux, von den Stufen?Des Schlosses, mit gro?em Pomp zum Herzog ausgerufen;
30?Und wie sie drauf in eitel Lust und Pracht,?Mit Jagen, Turnieren, Banketten, Saus und Brause,?Zwey volle Jahre wie einzelne Tage verbracht;?Bis Amory, der Feind von seinem Hause,?Beym Kaiser (dessen Huld sein Vater schon verscherzt)?Ihn hinterrücks gar b?slich angeschw?rzt;?Und wie ihn Karl, zum Schein in allen Gnaden,?Nach Hofe,
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