Oberon | Page 9

Christoph Martin Wieland
schwer, doch ist damit auch
Ehre zu erwerben!
Genug, ich führ' euch hin, und steh' euch festen
Muths
Bis auf den letzten Tropfen Bluts.
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Der junge Fürst, gerührt von solcher Treue,
Fällt dankbarlich
dem Alten um den Hals.
Drauf legen sich die beiden auf die Streue,

Und Hüon schläft als wär' es Flaum. Und als
Der Tag erwacht,
erwacht mit muntern Blicken
Der Ritter auch, schnallt seine Rüstung
an,
Der Alte nimmt den Quersack auf den Rücken,
Den Knittel in
die Hand, und wandert frisch voran.
Zweyter Gesang.
1
So zieht das edle Paar, stets fröhlich, wach und munter,
Bey
Sonnenschein und Sternenlicht
Drey Tage schon den Libanon
hinunter;
Und wenn die Mittagsgluth sie auf die Scheitel sticht,

Dient hohes Gras im Schatten alter Cedern
Zum Ruheplatz; indeß in
bunten Federn
Das leichte Volk der Luft die Silberkehlen stimmt,


Und traulich Theil an ihrer Mahlzeit nimmt.
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Am vierten Morgen läßt ein kleiner Haufen Reiter
Sich ziemlich
nah auf einer Höhe sehn.
Es sind Araber, spricht zu Hüon sein
Begleiter,
Und aus dem Wege dem rohen Volke zu gehn,
Wo
möglich, wäre wohl das beste:
Ich kenne sie als unverschämte Gäste.

Ey, ey, wo denkst du hin? erwiedert Siegwins Sohn,
Wo hörtest du,
daß Franken je geflohn?
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Die Söhne der Wüste, magnetisch angezogen
Von Hüons Helm,
der ihnen im Sonnenglanz
Entgegen blitzt, als wär' er ganz

Karfunkel und Rubin, sie kommen mit Pfeil und Bogen,
Den Säbel
gezückt, in Sturm heran geflogen.
Ein Mann zu Fuß, ein Mann zu
Pferd
Scheint ihnen kaum des Angriffs werth;
Allein sie fanden
sich betrogen.
4
Der junge Held, bedeckt mit seinem Schild,
Sprengt unter sie, und
wirft mit seinem Speere
Den, der ihr Führer schien, so kräftig von der
Mähre,
Daß ihm ein blutiger Strom aus Mund und Nase quillt.
Nun
stürzen alle zumahl, des Hauptmanns Fall zu rächen,
Auf seinen
Sieger zu, mit Hauen und mit Stechen;
Allein von Scherasmin, der
ihm den Rücken deckt,
Wird auf den ersten Schlag ein Pocher
hingestreckt;
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Und auf den andern Troß arbeitet unser Ritter
So unverdrossen
los, daß bald ein Zweyter und Dritter
Den Sattel räumt. Auf jeden
frischen Zug
Fliegt hier ein Kopf, und dort ein Arm, den Säbel

Noch in der Faust. Nicht minder kräftig schlug
Der Alte zu mit
seinem schweren Hebel.
Zu ihrem Mahom schrey'n die Helden
fluchend auf,
Und wer noch fliehen kann, der flieht in vollem Lauf.
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Das Feld liegt grauenhaft mit Leichen und mit Stümmeln
Von
Roß und Mann bedeckt, die durch einander wimmeln.
Der Held, so
bald sein neuer Spießgesell
Das beste Roß, das seinen Herrn verloren,


Nebst einem guten Schwert sich aus der Beut' erkohren,
Spornt
seinen schnaubenden Hengst und eilet vogelschnell
Den Thälern zu,
die sich in unabsehbarn Weiten
An des Gebirges Fuß vor ihrem Blick
verbreiten.
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Es schien ein wohl gebautes Land,
Mit Bächen überall
durchschnitten,
Die Anger mit Schafen bedeckt, die Auen im
Blumengewand,
Und zwischen Palmen die friedlichen Hütten
Der
braunen Bewohner verstreut, die froh ihr Tagwerk thun,
In ihrer
Armuth reich sich dünken,
Und, wenn sie hungrig und müd' in kühlen
Schatten ruhn,
Zum rohen bäurischen Mahl dem Pilger freundlich
winken.
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Hier läßt der Ritter, da ihn die Sonne zu drücken begann,
Sich
Brot in frische Milch von einer Hirtin brocken.
Das gute Volk begafft
zur Seite, halb erschrocken,
Wie er im Grase liegt, den fremden
eisernen Mann;
Allein da Blick und Ton ihm schnell ihr Herz gewann,

So wagen bald Kinder sich hin und spielen mit seinen Locken. Den
tapfern Mann ergetzt ihr traulich frohes Gewühl,
Er wird mit ihnen
Kind, und theilt ihr süßes Spiel.
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Wie selig, denkt er, wär's in diesen Hütten wohnen!
Vergeblicher
Wunsch! ihn ruft sein Schicksal anderwärts.
Der Abend winkt. Beym
Scheiden wallt sein Herz,
Und, um dem guten Volk das freundliche
Mahl zu lohnen,
Wirft Hüon eine Hand voll Gold
Der Wirthin in
den Schooß. Allein die Glücklichen wußten
Nicht was es war, und
übten das Gastrecht ohne Sold,
So daß die Herren ihr Gold nur
wieder nehmen mußten.
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Nun ritten sie zu, bis endlich, da der Tag
Zu dämmern begann,
ein Wald vor ihnen lag.
Freund, spricht der Paladin zum Alten,

Mich brennt's wie Feuer bis ich dem Kaiser Wort gehalten.
Den
nächsten Weg nach Bagdad wolltest du
Mich führen? Mir ist's, ich
sey vier Jahre schon geritten. Der nächste Weg, versetzt sein

Spießgesell, geht mitten
Durch diesen Wald; allein, ich rath' euch
nicht dazu.
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Man spricht nicht gut von ihm, zum wenigsten noch keiner,
Der
sich hinein gewagt, kam jemahls wieder 'raus.
Ihr lächelt? Glaubt
mir's, Herr, ein übellauniger kleiner
Boshafter Kobold hält in diesem
Walde Haus.
Es wimmelt drin von Füchsen, Hirschen, Rehen,
Die
Menschen waren so gut als wir.
Der Himmel weiß in welches wilde
Thier
Wir, eh' es morgen wird, uns umgekleidet sehen!
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Geht nur, erwiedert Siegwins Sohn,
Durch diesen Wald der Weg
nach Babylon,
So fürcht' ich nichts.--"Herr, laßt auf meinen Knieen

Euch bitten! Es ist, bey Gott! mir mehr um euch als mich:
Denn
gegen diesen Geist, das glaubt mir sicherlich,
Hilft weder Gegenwehr
noch Fliehen.
Mit fünf, sechs Tagen später ist's gethan;
Und ach!
ihr kommt noch stets zu früh in Bagdad an!
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Wenn du dich fürchtest, spricht der Ritter,
So bleibe du, ich geh',
mein Schluß ist fest.
Das nicht, ruft Scherasmin: der Tod schmeckt
immer bitter,
Allein, ein Schelm der seinen Herrn verläßt!
Wenn ihr
entschlossen seyd, so folg' ich ohne Zaudern,
Und helf'
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