Novelle | Page 6

Johann Wolfgang von Goethe
hohen Gemahl gebeten um Urlaub und Verg��nstigung einer weitern Reise.
Wer das Gl��ck hat, an Eurer Tafel zu sitzen, wen Ihr beehrt, Eure Gesellschaft unterhalten zu d��rfen, der mu? die Welt gesehen haben. Reisende str?men von allen Orten her, und wenn von einer Stadt, von einem wichtigen Punkte irgendeines Weltteils gesprochen wird, ergeht an den Eurigen jedesmal die Frage, ob er daselbst gewesen sei.
Niemanden traut man Verstand zu, als wer das alles gesehen hat; es ist, als wenn man sich nur f��r andere zu unterrichten h?tte".
"Steht auf!" wiederholte die F��rstin; "ich m?chte nicht gern gegen die ��berzeugung meines Gemahls irgend etwas w��nschen und bitten; allein wenn ich nicht irre, so ist die Ursache, warum er Euch bisher zur��ckhielt, bald gehoben.
Seine Absicht war, Euch zum selbst?ndigen Edelmann herangereift zu sehen, der sich und ihm auch ausw?rts Ehre machte wie bisher am Hofe, und ich d?chte, Eure Tat w?re ein so empfehlender Reisepa?, als ein junger Mann nur in die Welt mitnehmen kann".
Da? anstatt einer jugendlichen Freude eine gewisse Trauer ��ber sein Gesicht zog, hatte die F��rstin nicht Zeit zu bemerken, noch er seiner Empfindung Raum zu geben; denn hastig den Berg herauf, einen Knaben an der Hand, kam eine Frau geradezu auf die Gruppe los, die wir kennen, und kaum war Honorio, sich besinnend, aufgestanden, als sie sich heulend und schreiend ��ber den Leichnam herwarf und an dieser Handlung sowie an einer obgleich reinlich anst?ndigen, doch bunten und seltsamen Kleidung sogleich erraten lie?, sie sei die Meisterin und W?rterin dieses dahingestreckten Gesch?pfes, wie denn der schwarzaugige, schwarzlockige Knabe, der eine Fl?te in der Hand hielt, gleich der Mutter weinend, weniger heftig, aber tief ger��hrt neben ihr kniete.

Novelle, Kapitel 5
Den gewaltsamen Ausbr��chen der Leidenschaft dieses ungl��cklichen Weibes folgte, zwar unterbrochen, sto?weise ein Strom von Worten, wie ein Bach sich in Abs?tzen von Felsen zu Felsen st��rzt.
Eine nat��rliche Sprache, kurz und abgebrochen, machte sich eindringlich und r��hrend.
Vergebens w��rde man sie in unsern Mundarten ��bersetzen wollen; den ungef?hren Inhalt d��rfen wir nicht verfehlen: "sie haben dich ermordet, armes Tier!
Ermordet ohne Not!
Du warst zahm und h?ttest dich gern ruhig niedergelassen und auf uns gewartet; denn deine Fu?ballen schmerzten dich, und deine Krallen hatten keine Kraft mehr!
Die hei?e Sonne fehlte dir, sie zu reifen.
Du warst der Sch?nste deinesgleichen; wer hat je einen k?niglichen Tiger so herrlich ausgestreckt im Schlaf gesehen, wie du nun hier liegst, tot, um nicht wieder aufzustehen!
Wenn du des Morgens aufwachtest beim fr��hen Tagschein und den Rachen aufsperrtest, ausstreckend die rote Zunge, so schienst du uns zu l?cheln, und wenn schon br��llend, nahmst du doch spielend dein Futter aus den H?nden einer Frau, von den Fingern eines Kindes!
Wie lange begleiteten wir dich auf deinen Fahrten, wie lange war deine Gesellschaft uns wichtig und fruchtbar!
Uns, uns ganz eigentlich kam die Speise von den Fressern und s��?e Labung von den Starken.
So wird es nicht mehr sein!
Wehe!
Wehe! "Sie hatte nicht ausgeklagt, als ��ber die mittlere H?he des Bergs am Schlosse herab Reiter heransprengten, die alsobald f��r das Jagdgefolge des F��rsten erkannt wurden, er selbst voran.
Sie hatten, in den hintern Gebirgen jagend, die Brandwolken aufsteigen sehen und durch T?ler und Schluchten, wie auf gewaltsam hetzender Jagd, den geraden Weg nach diesem traurigen Zeichen genommen.
��ber die steinige Bl??e einhersprengend, stutzten und starrten sie, nun die unerwartete Gruppe gewahr werdend, die sich auf der leeren Fl?che merkw��rdig auszeichnete.
Nach dem ersten Erkennen verstummte man, und nach einigem Erholen ward, was der Anblick nicht selbst ergab, mit wenigen Worten erl?utert.
So stand der F��rst vor dem seltsamen, unerh?rten Ereignis, einen Kreis umher von Reitern und Nacheilenden zu Fu?e.
Unschl��ssig war man nicht, was zu tun sei; anzuordnen, auszuf��hren war der F��rst besch?ftigt, als ein Mann sich in den Kreis dr?ngte, gro? von Gestalt, bunt und wunderlich gekleidet wie Frau und Kind.
Und nun gab die Familie zusammen Schmerz und ��berraschung zu erkennen.
Der Mann aber, gefa?t, stand in ehrfurchtsvoller Entfernung vor dem F��rsten und sagte: "es ist nicht Klagenszeit; ach, mein Herr und m?chtiger J?ger, auch der L?we ist los, auch hier nach dem Gebirg ist er hin, aber schont ihn, habt Barmherzigkeit, da? er nicht umkomme wie dies gute Tier!"
"Der L?we?" sagte der F��rst,"hast du seine Spur?" "Ja, Herr! Ein Bauer dort unten, der sich ohne Not auf einen Baum gerettet hatte, wies mich weiter hier links hinauf, aber ich sah den gro?en Trupp Menschen und Pferde vor mir, neugierig und hilfsbed��rftig eilt ich hierher".--"Also", beorderte der F��rst, "mu? die Jagd sich auf diese Seite ziehen; ihr ladet eure Gewehre, geht sachte zu Werk, es ist kein Ungl��ck, wenn ihr ihn in die tiefen W?lder treibt.--Aber am Ende, guter Mann, werden wir euer Gesch?pf nicht schonen k?nnen; warum wart ihr unvorsichtig genug, sie entkommen zu lassen!"--"Das Feuer brach aus", versetzte jener; "wir hielten uns still und gespannt; es verbreitete sich schnell, aber fern von uns.
Wir hatten Wasser genug zu unserer Verteidigung, aber ein Pulverschlag flog
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 9
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.