Nach Amerika! Zweiter Band | Page 8

Friedrich Gerstäcker
eben zu Nichts weiter zu brauchen ist, und eben nur so verbraucht werden mu?. Rei?t er sich aber einmal los aus den alten Verh?ltnissen, l??t er die Leute die bis dahin so aufmerksam und v?terlich für ihn gesorgt -- zurück, dann macht er auch im Anfang gewi? eine Menge dummer Streiche, tritt anderen Leuten auf die Zehen oder wird von ihnen getreten (in beiden F?llen regelm??ig um Entschuldigung bittend) und verst??t gegen Alles was ihm in den Weg kommt, am meisten aber gewi? gegen sich selbst. Sp?ter wird er gescheut, aber es dauert eine lange Zeit.
Hier aber hat er noch manche Entschuldigung für sich; eben erst aus seinem heimischen Boden gerissen, die Augen noch von, wenn auch heimlichen, Thr?nen roth, das Herz zum Brechen voll und den Kopf wüst und wirr in der Erinnerung an das kaum überstandene; was Wunder da? er da die Tage gerade, wo er die Sinne recht beisammen haben sollte, wie im Traume herumgeht, und trotz allen Büchern und Rathgebern die er vorher gelesen, erst wieder an das N?thigste denkt wenn er ?zu Ruhe kommt?, d. h. wenn das Schiff in See und die Seekrankheit vorüber ist -- weit weit drau?en im Ocean -- allerdings etwas zu sp?t.
So sieht man Schaaren von Auswanderern die Stra?en der Seest?dte den ganzen Tag über durchziehn in Gesellschaft und einzeln, die M?nner mit ihren grauen Filzhüten auf und Blousen über die R?cke gezogen, die kurzen Pfeifen im Mund -- die Frauen Kinder an der Hand und auf dem Arme, in kleinen schüchternen Trupps vor jedem aufgeputzten Laden stehen bleibend und die Sachen darin bewundernd, oder weiter schlendernd und die Aush?ngeschilder buchstabirend, die über den verschiedenen Thüren h?ngen. Es ist das die ?leere Zeit? in ihrem Leben, der erste Ruhepunkt vielleicht, so lange sie denken k?nnen, eine Zeit in der sie Nichts zu thun haben -- Nichts weniges für andere Leute, wenn auch eigentlich genug für sich selbst. Wie eine Reihe von Sonntagen, jeder immer l?nger werdend als der Vorg?nger, schleichen die Stunden an ihnen hin und bieten erst wieder Stoff zu Gedanken und Betrachtungen drau?en in See.
Die Cajütspassagiere, wie solche der Zwischendeckspassagiere, die noch über einiges Geld zu verfügen hatten, wohnten indessen in den besseren Gasth?fen Bremens, und benutzten zum Hinausfahren nach ihrem Bestimmungsort, wo das Schiff vor Anker lag auf dem sie ihre Ueberfahrt bedungen, eines der kleinen Dampfboote, die t?glich zweimal in wenigen Stunden nach Bremerhafen hinausfahren, und überall an den Zwischenstationen anlegen; die meisten der Zwischendeckspassagiere aber, und besonders solche, die von den Rhedern auf einen gewissen Tag angenommen waren, von dem aus sie bek?stigt werden mu?ten, waren schon an Bord gegangen,(1) ihr Geld nicht weiter in der theueren Stadt zu verzehren. Die jedoch, die sich noch in der Stadt befanden und auf freie Passage nach Bord zu mit ihrem Gep?ck, Anspruch machten, da sie sich das gleich in ihrem, mit früheren Agenten abgeschlossenem Schiffscontrakt festgestellt hatten, waren am 20sten Morgens um sechs Uhr an die Ausmündung einer bestimmten Stra?e, unten an die Weser bestellt, wo der Kahn Nr. 67 -- Kahnführer Meinert -- lag, von diesem gratis an Bord der Haidschnucke geschafft zu werden.
Dort versammelte sich denn auch an dem sch?nen sonnigen Morgen, dem nur im Westen dunkel aufsteigende Wolken ein kurzes Ende zu machen drohten, eine Masse Menschen verschiedenartigsten Alters und Geschlechts, um sich mit dem, versprochener Ma?en ?bedeckten Flu?schiff? an den Ort ihrer Bestimmung baldm?glichst bef?rdert zu sehn. Kisten und Kasten, an denen Karrenführer schon seit zwei Stunden herbeigeschafft, lagen an der bezeichneten Landung bunt aufgestapelt, und Hutschachteln, Reises?cke, K?rbe mit Victualien &c. &c. wuchsen von Minute zu Minute an Masse und Gewicht.
Die buntgemischteste Gesellschaft, die sich dabei nur denken l??t, sammelte sich um die Effecten, junge und alte M?nner, ihren Taback in die freie Luft hinausqualmend und ungeduldig dabei am Ufer auf- und abgehend, und Frauen und junge M?dchen, fest in ihre Umschlagetücher eingehüllt, die doch etwas frische Morgenluft abzuhalten. Die Leute waren aber noch nicht recht bekannt mit einander geworden; die Gespr?che drehten sich bis jetzt nur um das Gep?ck und das ?bedeckte Flu?schiff? das sich noch immer nicht zeigen wollte. Damit hatten sie aber auch vor der Hand übrig genug zu thun, denn dem fehlte ein Koffer, dem war ein Schlo? von seiner Kiste abgerissen, oder der Deckel eingedrückt worden; der Eine hatte noch dies in der Stadt vergessen einzukaufen und mochte nicht mehr hinauslaufen, aus Furcht die Abfahrt zu vers?umen, der Andere das im Gasthaus liegen lassen und die Menschenmenge wogte und dr?ngte durch einander hin, schimpfend und fluchend hier, lachend und pfeifend oder singend da, w?hrend neue Karren mit Gep?ck noch jeden Augenblick dazu kamen, die Verwirrung, wenn das überhaupt m?glich gewesen w?re, zu vergr??ern.
Die einzige, vollkommen unbewegliche Person in diesem Chaos von Menschen und Gep?ck sa? auf einem Haufen von Kisten die zuerst hergeschafft und übereinander gethürmt waren,
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