Nach Amerika! Zweiter Band | Page 3

Friedrich Gerstäcker
erst einmal aufmerksam wurde, konnte das deutlich erkennen -- auf seiner Mutter.
Die Frau Professorin war jedoch viel zu sehr mit ihren Kindern und der Sorge um ihr Gep?ck besch?ftigt, den kleinen grauen Mann auch nur zu bemerken, viel weniger denn zu finden da? sie selber von ihm so scharf beobachtet wurden, bis sie Eduard endlich darauf aufmerksam machte und sie frug, ob sie den Fremden vielleicht schon früher einmal gesehen habe. So wie sie aber zu dem hinüber sah, stand er, wie verlegen, von seinem Sitze auf, zog die Mütze vorn wom?glich noch weiter herunter, steckte dann beide H?nde hinten in seine Fracktaschen, und verlie?, leise vor sich hin pfeifend, das Zimmer.
?Sie, Kellner!? rief aber jetzt Eduard, den der Mann an zu interessiren fing, einem der um sie besch?ftigten aber ebenfalls ziemlich schl?frig aussehenden Kellner zu -- ?kennen Sie den Herrn der da eben hinausging??
?Eben hinausging?? sagte der Kellner, einen faulen Blick nach der Thür werfend -- ?ich habe nicht darauf geachtet.?
?Der mit der grauen Mütze und dem grauen Rock.?
?Ach -- die Nachtigall?? sagte der Kellner, und ein breites, etwas dummes L?cheln zog ihn den Mund fast von einem Ohre bis zum andern.
?Die Nachtigall?? wiederholte Eduard etwas verdutzt.
?Nun Sie meinen doch den kleinen grauen Mann mit dem spitzen Mützenschilde?? lachte der Kellner.
?Ja wohl, denselben.?
?Nun ja, das ist ein sonderbarer Kautz, der schon acht Tage bei uns wohnt. Er hei?t Schultze und will mit der Haidschnucke nach Amerika.?
?Mit der Haidschnucke? -- mit der wollen ja auch wir fort? -- rief Eduard rasch -- ?also segelt sie noch nicht morgen in aller Früh??
?Ich glaube nicht? sagte der Kellner, ?sonst w?re die Nachtigall doch schon l?ngst nach Bremerhafen hinauf -- auf wann war sie denn angezeigt??
?Auf morgen früh -- bestimmt.?
?Ah da haben Sie noch Zeit genug,? g?hnte der Kellner -- ?unter acht Tagen gehn Sie dann gewi? noch nicht in See.?
?Acht Tage?? rief Eduard erschreckt -- ?das w?re eine sch?ne Geschichte wenn wir hier noch acht Tage im Wirthshaus liegen sollten.?
?Lieber Gott? meinte der Kellner, eine Parthie abgegessener Teller von einem der Nachbartische aufnehmend und damit fortgehend -- ?die Auswanderer liegen hier manchmal vier und sechs Wochen, ehe ihr Schiff segelt.?
?Das w?ren traurige Aussichten? sagte Anna, die nicht weit von Eduard sa?, und des Kellners Bemerkung geh?rt hatte -- ?da h?tten wir uns freilich die letzten Tage in Heilingen nicht so entsetzlich abzuhetzen brauchen.?
?Was wei? der Kellner davon? tr?stete sie aber Eduard; ?apropos, der kleine graue Mann, der uns da gerade gegenübersa? und Mutter immer so anstarrte, geht auch mit der Haidschnucke nach New-Orleans??
?Um Verzeihung,? fiel hier ein anderer Fremder, der an einem benachbarten Tisch sa?, ein, sich im Stuhl etwas zurückbiegend -- ?habe ich recht geh?rt und gehen Sie wirklich mit der Haidschnucke nach New-Orleans??
?Allerdings? erwiederte ihm Eduard -- ?wir haben unsere Passage auf dem Schiff genommen.?
?Ah, das ist mir doch ungemein angenehm? erwiederte der Fremde sich rasch vollst?ndig gegen die Damen herumdrehend; ?da bin ich so frei mich Ihnen als künftigen Reisegef?hrten gehorsamst vorzustellen.?
Die Damen verbeugten sich leicht gegen den sich selber Einführenden, und Frau Professor Lobenstein wollte ihn eben fragen ob er etwas Bestimmtes über die Abfahrt des Schiffes wisse, er lie? sie aber gar nicht zu Worte kommen, und fuhr rasch, seinen Stuhl jetzt vollst?ndig zu ihrem Tische rückend, fort:
?Ist mir doch wirklich sehr angenehm; wunderbares Zusammentreffen das, ebenfalls, eh? -- wie sich die Leute doch so auf der Welt finden; kommen hier in einem Gasthaus, an einem Tisch zusammen und sind, unbewu?t, im Begriff eine so ungeheure Reise mit einander zu machen und die Gefahren des Oceans zu theilen. Liegt ungeheuer viel Poesie in dem Gedanken.?
Der gespr?chige Fremde machte hier zum ersten Mal eine Pause, indem er seine ziemlich geleerte Weinflasche und sein Glas von dem Tisch an dem er vorher gesessen, herüber nahm, und vor sich hinstellte, und sein Glas dabei wieder füllte und mit einer Verbeugung gegen die Damen trank.
Es war ein Mann ziemlich hoch in den Drei?igen, sehr sorgf?ltig angezogen, mit einem gro?en Siegelring an dem Zeigefinger der rechten und drei oder vier anderen Ringen an dem kleinen Finger der linken Hand. Er trug sein Haar dabei à la malconte, vollkommen kurz abgeschnitten, und wie es schien dem Bart zu Liebe, dem er desto volleres und unbeschr?nkteres Wachsthum gestattete. Die Tuchnadel, die seine schwarzseidene, kunstgerecht gefaltete Cravatte zusammenhielt, war ein kleiner goldener Bacchus auf einem Fa?, der einen, wahrscheinlich un?chten Diamant als Glas in die H?he hielt und sein ziemlich starkes Uhrgeh?nge bestand aus einer Unmasse kleiner goldener oder vergoldeter Werkzeuge, Hammer, Korkzieher, Pistolen, Flaschen, Musikinstrumente &c. &c. Sein Gesicht machte dabei gerade keinen angenehmen Eindruck; die Stirn war sehr niedrig und etwas zurückgehend, mit einer ziemlich tiefen Falte queer darüber hinziehend, und die kleinen blauen Augen flogen unruhig umher, w?hrend er sprach, inde? der Zug um den Mund eine merkwürdig stark ausgepr?gte Zuversichtlichkeit, wie
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