Moisasurs Zauberfluch | Page 9

Ferdinand Raimund
auf andre Art probieren. (Heuchlerisch laut.) Du tust ein
frommes Werk, wenn du durch mich dir etwas Guts erweisen laßst, es
ist ja deine Pflicht, ich kann nicht ruhig schlafen sonst; ich mach' mir
Vorwürf' in meinem Innern, daß ich dich so behandelt hab'. (Hält die
Hände zusammen.) Ich bitte dich, geh doch heraus, tu mich nicht so
kränken, ich bin ja ein kranker Mann, ein alter, der nicht mehr lange
leben wird.
Alzinde. Verlaß die Hütte, du betrügst mich nicht.
(Schließt das Fenster.)
Gluthahn (erzürnt). Der Satan hat das Weib im Sold!

Fünfzehnte Szene. Gluthahn, Trautel, dann Alzinde.
Trautel. Eing'spannt ist's, jetzt fahr zur Höll'!
Gluthahn. Was hab' ich in dein' Geburtsort z'tun? Nach dem Garten geh
und Äpfel brock'. (Trautel geht ins Haus ab.) Heraus muß sie, und
wenn ich's Haus zerschlagen sollt'. (Klopft heftig an.) Alte, g'schwind
machst auf, es schickt der Hans, er hat ein Arbeitszeug vergessen. (Der
Hund knäuft von innen.) Sie macht nicht auf. (Pocht stärker.) Ob du
aufmachst, frag' ich, oder nicht, ich schlag' euch alle Fenster ein, ihr
schlechtes G'sind'. (Er schlägt das Fenster ein, man hört den Hund
bellen.) Den Hund erschlag' ich; bist still, du Höllenvieh! (Wirft einen
Stein hinein.)
Alzinde (am Fenster). Bist du rasend, Mensch? was reizt dich so zur
Wut?
Gluthahn (äußerst boshaft). Heraus gehst, sag' ich, sonst zünd' ich das
Haus an allen Ecken an, ich kenn' mich nicht vor Wut. O weh, mir wird
nicht gut, ich armer Mann--wer hilft mir denn? (Sinkt in den Stuhl und
löst sein Halstuch.) Wasser, Wasser! Mir wird übel--ich stirb, wenn
sich kein Mensch erbarmt--o! o! (Pause.)

Alzinde. Götter, welch ein Mensch! Er liegt bewegungslos! was soll ich
tun? Wenn er nun stirbt, so bin ich schuld, ich könnte ihn erretten. Er
ist ein böser Mensch zwar, aber doch ein Mensch, die Sonne scheint
auf ihn, so wie auf mich, und fordert mich zu seiner Rettung auf. Ich
will der Tugend dieses kleine Opfer bringen. (Öffnet die Hütte und
trägt in einer Schale Wasser.) Alter, Alter, hier ist Wasser!
Gluthahn (springt schnell auf). Heisa, hab' ich s' erwischt? Jetzt
kommst mir nimmer aus. (Packt sie.)
Alzinde. Ha, du verräterischer Molch!
Gluthahn (ringt mit ihr). Jetzt will ich dich zum Kirchtag führen. (Der
Hund bellt heftig.) Still, du Rabentier. (Er zerrt sie hinter das Haus in
die Kulisse. Nach einer Pause kommt)

Sechzehnte Szene.
Trautel (mit einem Korb Äpfel). Was bellt denn nur der Hund so sehr?
Spektakel! was treibt denn mein Mann? der hebt ein altes Weib auf
seinen Wagen. (Peitschengeknall.) Jetzt fährt er fort mit ihr. Du
gottloser Mensch, wenn er nur nichts Schlechts vorhat mit dem Weib?
Wie er ausjagt,--das geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich lauf' in'
Steinbruch, such' den Nachbar, sag's dem Bader, klag's dem Richter,
allen Leuten unt' im Orte will ich schnell die ganze G'schicht' erzählen.
Das ist ein Unglück, daß ich gar nicht weiß, was geschehen ist. (Ab.)

Siebzehnte Szene. (Kurzes Wolkentheater.)
An der Seite, im Vordergrunde, eine hervorragende thronartige
Wolkengruppe. Geister der Tugend, weiß gekleidet, Lilienstengel in
den Händen, kommen unter passender Musik trauernd auf die Bühne.
Ariel (tritt mitten unter sie). Laßt uns um Alzinden klagen, Die in
jugendlichen Tagen Durch der finstern Mächte Spiel, Als ein

Tugendopfer fiel. (Knien nieder.) Himmel, höre unsre Bitten, Lasse
nimmer es geschehn, Daß der Tugend reine Sitten Durch Verfolgung
untergehn.
(Steht lebhaft auf.)
Doch seht nur, dort schwebt, mit dem Lilienstengel Der Retter der
Unschuld, ihr tröstender Engel, Er trug zu dem Throne des Mächtigen
hin Das Schicksal Alzindens mit flehendem Sinn. O himmlischer Bote,
o tauche doch nieder Dein silbererglänzendes Schwanengefieder! Er
nahet, er nahet, er senket die Schwingen, Und wird uns das Machtwort
des Ewigen bringen.

Achtzehnte Szene. Musik. Vorige. Der Genius der Tugend, eine
Lilienkrone auf dem Haupte, besteigt den Wolkenthron.
Genius. Hört mich an, ihr Tugendgeister, Zu mir sprach der hohe
Meister; Nur ein Kampfplatz ist die Welt, Und das Böse hingestellt,
Daß es mit dem Guten streite, Und der Hölle werd' zur Beute. Beide
treten in die Schranken Dieser unruhvollen Welt; Tugend darf im
Kampfe wanken, Eigne Schuld ist's, wenn sie fällt. Jedem ward die
Kraft hienieden, Der Verführung Trotz zu bieten; Nur der Schwache
sinkt im Krieg, Doch den Starken krönt der Sieg. So ist es bestimmt auf
Erden, Tugend muß geprüft dort werden. Dies ist auch Alzindens Los;
Doch ihr Lohn unendlich groß, Denn sie wird ein Beispiel geben, Wie
der Mensch gelangt im Leben Durch die Qual der tiefsten Leiden Zu
dem Ziel der höchsten Freuden, Die ein groß Bewußtsein schenkt.
Drum gehe in Erfüllung Moisasurs Spruch, Und Edelmut, den er
verdammt, besiege seinen Fluch. Unmögliches hat er von ird'scher
Kraft begehrt, So werde er nun auch durch den Erfolg belehrt; Daß
Tugend, wenn sie gleich im Staub sich windet, Hoch in
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