Moisasurs Zauberfluch | Page 2

Ferdinand Raimund

Mansor. Lästre nicht! Der Tugend Tempel ist's.
Bote. Ja, ihm soll man das Laster opfern.
Mansor. Es ist geschehn. Dem bösen Geiste Moisasur wird in unsrem
Reich kein Opfer mehr gebracht.
Bote. Wehe dann dem Diamantenreich! Schon seit Jahrhunderten hat
diesem grimmigen Tiger durch unzähl'ge Opfer man geschmeichelt;
werft ihm Beute vor, wenn ihr nicht wollt, daß euch sein stets
geschäft'ger Zahn zerreißt.
Mansor. Die Königin, die, seit der König kriegt, das Zepter schwingt
im Reich, hat, weil der Krieg, trotz all der reichen Opfer, die man
unsern Göttern brachte, sich doch nicht glücklich wenden wollte, mit
den weisen Priestern sich beraten und glaubt, daß die guten Götter
zürnen, weil neben ihnen und der mächtgen Sonne Moisasurs böser
Geist verehret wird. Sie hat Moisasurs Tempel niederreißen lassen.
Doch wie's geschah, da rollte fürchterlicher Donner, die Erde bebte, als
hätte das Gewicht der umgestürzten Säulen das ganze Reich in seinem
Mark erschüttert.
Bote. Der Löwe brüllt, wenn man ihn ans der Höhle treibt.
Mansor. Doch wie die Erde bebt, fest steht der königliche Sinn. Sie läßt
dafür in diesem Tal der Tugend einen Tempel bauen und schreibt auf
ihn: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Bösen Macht zu scheuen.
Soeben wird er eingeweiht, dort nahet schon die Priesterschar.
Mohr. Wenn nur die Tugend uns vor Moisasurs Rache schützt! Den

ganzen Morgen hat der Himmel sich mit Donnerwolken überzogen, die
in sich brummen, als ob sie Zaubersprüche murmelten, und der Blitze
Feuerzungen lecken an der Kuppel dieses Tempels.

Zweite Szene. Feierlicher Marsch. Indische Tänzer schweben voraus,
dann die Priester der Sonne. Zierlich gekleidete Mädchen, das Haupt
mit weißen Rosen bekränzt, gruppieren sich um die Stufen des Tempels,
die Priester beschäftigen sich im Innern desselben. Dann erscheint
Alzinde und ihr Hofstaat. Sie begibt sich auf einen Seitenthron, neben
ihr die Großen des Reichs. Das Volk verteilt sich um den Tempel und
den Thron gegenüber. Vorige.
Chor. Singt das Lob der Schönheitsblume, Die auf Indiens Flur erblüht,
Und die zu der Götter Ruhme Für das Heil der Tugend glüht. Sende
deinen Strahl, o Sonne! Nieder auf ihr weises Haupt, Weil ihr Herz mit
frommer Wonne An der Götter Allmacht glaubt.
Alzinde. Volk meines sieggekrönten Reichs! Ich habe dich versammeln
lassen, um einzufallen in den großen Chor, den das Gefühl des Dankes
anstimmt, weil die Götter uns erleuchtet, daß wir durch Moisasurs
Sturz der Sonne Zorn versöhnt; daß sie von dem Augenblick mit
Siegesglück die Pfeile unsres Heeres nach dem Busen unsrer Feinde
wendet. Vielleicht, indem wir hier die Götter preisen, hat mein Gemahl,
der königliche Held, den kleinen Rest des müdgekämpften Feindes aus
den Grenzen dieses Reichs verjagt.
Mansor. So ist es, du erhabne Tochter der gewalt'gen Sonne, die deine
Ahnung zur Prophetin weiht, die Wahrheit deines Wortes bestätigt
dieser Bote hier.
Bote. Der, große Königin, mit seinen Knien den Staub an deinem
Thron hier küßt, aus Ehrfurcht teils und teils aus Müdigkeit, weil er im
schnellsten Lauf aus des Königs Lager eine holde Last dir bringt, eine
Nachricht von dem ungeheuersten Gewicht! Friede, dieses goldne Wort,
laß in alle Palmen schneiden, daß sie dann mit vollem Rechte
Friedenspalmen heißen. Gesiegt hat dein erhabener Gemahl, noch

gestern abends ward die letzte Schlacht gewonnen, und in der Nacht
der Friede abgeschlossen, durch den ein Teil vom Feindesland noch zu
dem deinen fällt. Nur heute ruht das Heer; doch morgen bricht es auf
und zieht mit Zimbelklang und Jubelsang im Vaterlande ein. Dies zu
berichten ward ich gesendet, mein Auftrag ist erfüllt, der Bote hat
geendet.
(Steht auf und tritt zurück.)
Alzinde (sinkt auf die Knie). Sonne, sei gelobt!
Alle. Heil den Göttern! Heil dem König Hoanghu!
Alzinde. O mein Gemahl, warum kann ich an deine Heldenbrust nicht
fliegen, du edler Sohn der unnennbaren Götter, dessen Lieb' ich nicht
für alle Kronen Asiens tauschen möchte! Juble, Volk! Sei ausgelassen
froh! Ihr Priester weiht den Tempel ein, der Tugend Macht hat sich
bewährt, ein ewig Denkmal sei ihr hier errichtet! Wer sagt mir doch,
warum mein Glück mich zu freud'gem Wahnsinn treibt? Warum ist
diese Lust so ungeteilt, so allgemein, daß ich kein Stück davon kann
eurem Herzen überlassen? O sprecht, wer nimmt mir einen Teil der
edlen Bürde dieses Freudenreichtums ab, womit die goldne Sonne mein
Gemüt beschenkt? Verdien' ich denn, daß ich so glücklich bin?

Dritte Szene. Fürchterlicher Donnerschlag. Die Bühne umzieht sich mit
schwarzen Wolken, aus welchen rote Blitze sich schlangenartig winden.
Auf der Erde sprüht Feuer, dann erscheint Moisasur als ein Ungeheuer
mit Drachenfüßen und Drachenflügeln, auf dem Haupt eine rote Krone
mit Schlangen umwunden, der ganze Körper ist in hellroten Samt
gekleidet, um den Leib eine schwarze Schürze mit goldenen Schuppen
gestickt. Alles sucht sich in den Hintergrund zu retten, einige flüchten
auf Bäume. Alzinde, welche bei ihrer Rede vom Thron gestiegen, bleibt
im Vordergrunde, der Thron verschwindet.
Vorige. Moisasur.
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