Mister Galgenstrick

Karl Ettlinger
Mister Galgenstrick, by Karl
Ettlinger

The Project Gutenberg eBook, Mister Galgenstrick, by Karl Ettlinger
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Title: Mister Galgenstrick und andere Humoresken
Author: Karl Ettlinger

Release Date: October 29, 2007 [eBook #23243]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK MISTER
GALGENSTRICK***
E-text prepared by Norbert H. Langkau, Rudy Ketterer, and the Project
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Transcribers' note:
Words typeset in antiqua and #spaced-out# words are indicated as
shown.

MISTER GALGENSTRICK
Ullstein-Bücher
Eine Sammlung zeitgenössischer Romane
[Illustration]
Ullstein & Co / Berlin und Wien
MISTER GALGENSTRICK
und andere Humoresken
von
Karl Ettlinger (»Karlchen«)

[Illustration]
Ullstein & Co / Berlin und Wien
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
Amerikanisches Copyright 1915 by Ullstein & Co, Berlin.

Mister Galgenstrick
»I glaub', jetzt kommt der Herr Doktor nimmer!« sagte Fräulein Berta,
die Kellnerin, mit ihrem huldvollsten Lächeln und versuchte, mir
heimtückisch das leere Bierglas zu entziehen, um es frisch füllen zu

lassen.
»Stehen lassen, Berta! Ich #hab'# heute schon meine Bettschwere! Und
überdies füllt man zehn Minuten vor Eintritt der Polizeistunde keine
Biergläser mehr!«
»Jesses, fressen S' mi nur net glei!«
Sie zog sich schmollend zurück und widmete sich wieder dem Stricken
eines Kriegerstrumpfs von respekteinflößender Fußgröße.
War ich, in meiner Ungeduld über Walters Ausbleiben, zu grob
gewesen? -- Ich wollte mein Unrecht wieder gut machen und leitete die
Friedensverhandlungen durch einen jener Blicke ein, die Fräulein Berta
mit der lächelnden Drohung zu quittieren pflegt: »Sie, das sag' i Ihrer
Frau Gemahlin!«
Aber Fräulein Berta war schon zu tief in das Maschenzählen versunken,
um sich weiter um ihre Gäste kümmern zu können.
Ich nahm also zum zehnten Male das Zeitungsblatt in die Hand, das vor
mir auf dem Tisch lag. Vielleicht stand doch irgendwo noch eine
versteckte Notiz darin, die ich erst #dreimal# gelesen hatte?
Wo nur Dr. Heßberg blieb! Ich bin es ja gewöhnt, daß Walter das
akademische Viertel zu »Nur Dreiviertelstündchen« ausdehnt, ich
ertrage es auch ohne Vorwürfe, wenn er sogar noch ein viertes
Viertelstündchen zulegt, denn auch ich leiste im Punkte Pünktlichkeit
Bedenkliches -- aber mich auf neun Uhr ins Kaffeehaus zu bestellen
und fünf Minuten vor Mitternacht nicht einmal telephoniert zu haben,
das war der Rekord.
»Berta, zahlen!«
»Ham S' was g'sagt?« tönte es unter Stricknadelgeklapper herüber.
»Ich war so frei. Zahlen möcht' ich!«
Berta schwebte heran. Eine gekränkte Titania. (Aus Niederbayern.)

»O mei, sind Sie heut bös! Also was ham S' dann g'habt?«
»Vier Dunkle und -- 's ist gut, da kommt Dr. Heßberg, ich zahl' später!«
Fräulein Berta wandte sich meinem Freund zu, um ihn aus seinem
Mantel zu schälen.
»Einen Kognak!« bestellte er kurz, nahm mir gegenüber Platz und
ersetzte seinen zerkauten Zigarrenstummel durch eine neue Zigarre.
»Die wievielte ist das heute?« erkundigte ich mich.
»Die zehnte!«
Wenn Dr. Heßberg so stark rauchte, hatte er sicherlich viel Arbeit und
viel Ärger hinter sich. Ich hatte es ihm ja auch auf den ersten Blick
angesehen, daß er übelster Laune war. Dennoch konnte ich ihm eine
kleine Moralpauke wegen seiner beispiellosen Unpünktlichkeit nicht
ersparen und ich begann vorwurfsvoll:
»Ich gestatte mir die bescheidene Bemerkung, daß es vor ur-urgrauer
Zeit einmal neun Uhr war. Zu dieser angenehmen Stunde hätte
eigentlich --«
»Ich weiß!« unterbrach mich Walter nervös. »Ich weiß!« Und in einem
plötzlichen Zornausbruch schlug er auf den Tisch. »Aus der Haut
fahren kann man!«
»Das bestreite ich!«
»Laß das, ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt!«
»Warum? Hat dich jemand drei Stunden warten lassen? Oder ist ein
Patient "unartig" gewesen?«
»Unartig!« rief Dr. Heßberg tragisch. »Sage lieber: skandalös! Das
ganze Lazarett hat mir der Kerl auf den Kopf gestellt! Da gibt man sich
die größte Mühe mit so einem braunen Burschen --«

»Braun?«
»Nun ja, es ist ein Inder! Seinen Namen soll der Kuckuck behalten,
denn er ist ungefähr so lang wie ein ausgewachsener Leitartikel. Wir
nennen ihn, seinem Wunsch gemäß, Mister Galgenstrick!«
»Das klingt doch recht vertrauenerweckend! -- Übrigens ein Inder --
das interessiert mich mächtig!«
Fräulein Berta brachte den bestellten Kognak, den Walter auf einen
Zug austrank.
»Mir noch ein Bier, Berta!« sagte ich. »Und zwar --«
»Jetz is z' spät. Jetz is Polizeistund'!«
»Aber den angefangenen Satz wird man doch noch zu Ende sprechen
dürfen?«
Sie wandte sich wieder ihrem Strickstrumpf zu, -- ich war endgültig in
Ungnade gefallen.
»Ein Inder sagtest du, Walter?«
»Ja, und was für einer! Unglaublich, so einen Kerl überhaupt in
europäisches Klima zu verschicken! Hochgradig tuberkulös. Und jetzt
noch einen Achselschuß dazu. -- Das hindert aber Herrn Galgenstrick
durchaus nicht, sich aufzuführen wie ein wildgewordener Truthahn!«
»Was hat er
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