Miss Sara Sampson | Page 2

Gotthold Ephraim Lessing
da? du abgeredeterma?en--
Der Wirt. Gn?diger Herr, ich bin ganz zu Ihren Diensten. Was liegt mir daran, ob ich es wei? oder nicht, was Sie für eine Ursache hierher führt und warum Sie bei mir im Verborgnen sein wollen? Ein Wirt nimmt sein Geld und l??t seine G?ste machen, was ihnen gutdünkt. Waitwell hat mir zwar gesagt, da? Sie den fremden Herrn, der sich seit einigen Wochen mit seinem jungen Weibchen bei mir aufh?lt, ein wenig beobachten wollen. Aber ich hoffe, da? Sie ihm keinen Verdru? verursachen werden. Sie würden mein Haus in einen übeln Ruf bringen, und gewisse Leute würden sich scheuen, bei mir abzutreten. Unsereiner mu? von allen Sorten Menschen leben.--
Sir William. Besorget nichts; führt mich nur in das Zimmer, das Waitwell für mich bestellt hat. Ich komme aus rechtschaffnen Absichten hierher.
Der Wirt. Ich mag Ihre Geheimnisse nicht wissen, gn?diger Herr! Die Neugierde ist mein Fehler gar nicht. Ich h?tte es, zum Exempel, l?ngst erfahren k?nnen, wer der fremde Herr ist, auf den Sie achtgeben wollen; aber ich mag nicht. So viel habe ich wohl herausgebracht, da? er mit dem Frauenzimmer mu? durchgegangen sein. Das gute Weibchen, oder was sie ist! sie bleibt den ganzen Tag in ihrer Stube eingeschlossen und weint.
Sir William. Und weint?
Der Wirt. Ja, und weint--Aber, gn?diger Herr, warum weinen Sie? Das Frauenzimmer mu? Ihnen sehr nahegehen. Sie sind doch wohl nicht--
Waitwell. Halt ihn nicht l?nger auf.
Der Wirt. Kommen Sie. Nur eine Wand wird Sie von dem Frauenzimmer trennen, das Ihnen so nahegeht, und die vielleicht--
Waitwell. Du willst es also mit aller Gewalt wissen, wer--
Der Wirt. Nein, Waitwell, ich mag nichts wissen.
Waitwell. Nun, so mache und bringe uns an den geh?rigen Ort, ehe noch das ganze Haus wach wird.
Der Wirt. Wollen Sie mir also folgen, gn?diger Herr? (Geht ab.)

Dritter Auftritt
Der mittlere Vorhang wird aufgezogen. Mellefonts Zimmer.
Mellefont und hernach sein Bedienter.
Mellefont (unangekleidet in einem Lehnstuhle). Wieder eine Nacht, die ich auf der Folter nicht grausamer h?tte zubringen k?nnen!--Norton!-- Ich mu? nur machen, da? ich Gesichter zu sehen bekomme. Bliebe ich mit meinen Gedanken l?nger allein: sie m?chten mich zu weit führen.-- He, Norton! Er schl?ft noch. Aber bin ich nicht grausam, da? ich den armen Teufel nicht schlafen lasse? Wie glücklich ist er!--Doch ich will nicht, da? ein Mensch um mich glücklich sei.--Norton!
Norton (kommend). Mein Herr!
Mellefont. Kleide mich an!--O mache mir keine sauern Gesichter! Wenn ich werde l?nger schlafen k?nnen, so erlaube ich dir, da? du auch l?nger schlafen darfst. Wenn du von deiner Schuldigkeit nichts wissen willst, so habe wenigstens Mitleiden mit mir.
Norton. Mitleiden, mein Herr? Mitleiden mit Ihnen? Ich wei? besser, wo das Mitleiden hingeh?rt.
Mellefont. Und wohin denn?
Norton. Ach, lassen Sie sich ankleiden, und fragen Sie mich nichts.
Mellefont. Henker! So sollen auch deine Verweise mit meinem Gewissen aufwachen? Ich verstehe dich; ich wei? es, wer dein Mitleiden ersch?pft.--Doch, ich lasse ihr und mir Gerechtigkeit widerfahren. Ganz recht; habe kein Mitleiden mit mir. Verfluche mich in deinem Herzen, aber--verfluche auch dich.
Norton. Auch mich?
Mellefont. Ja; weil du einem Elenden dienest, den die Erde nicht tragen sollte, und weil du dich seiner Verbrechen mit teilhaft gemacht hast.
Norton. Ich mich Ihrer Verbrechen teilhaft gemacht? Durch was?
Mellefont. Dadurch, da? du dazu geschwiegen.
Norton. Vortrefflich! In der Hitze Ihrer Leidenschaften würde mir ein Wort den Hals gekostet haben.--Und dazu, als ich Sie kennenlernte, fand ich Sie nicht schon so arg, da? alle Hoffnung zur Be?rung vergebens war? Was für ein Leben habe ich Sie nicht von dem ersten Augenblicke an führen sehen! In der nichtswürdigsten Gesellschaft von Spielern und Landstreichern--ich nenne sie, was sie waren, und kehre mich an ihre Titel, Ritter und dergleichen, nicht--in solcher Gesellschaft brachten Sie ein Verm?gen durch, das Ihnen den Weg zu den gr??ten Ehrenstellen h?tte bahnen k?nnen. Und Ihr strafbarer Umgang mit allen Arten von Weibsbildern, besonders der b?sen Marwood--
Mellefont. Setze mich, setze mich wieder in diese Lebensart: sie war Tugend in Vergleich meiner itzigen. Ich vertat mein Verm?gen; gut. Die Strafe k?mmt nach, und ich werde alles, was der Mangel Hartes und Erniedrigendes hat, zeitig genug empfinden. Ich besuchte lasterhafte Weibsbilder; la? es sein. Ich ward ?fter verführt, als ich verführte; und die ich selbst verführte, wollten verführt sein.--Aber--ich hatte noch keine verwahrlosete Tugend auf meiner Seele. Ich hatte noch keine Unschuld in ein unabsehliches Unglück gestürzt. Ich hatte noch keine Sara aus dem Hause eines geliebten Vaters entwendet und sie gezwungen, einem Nichtswürdigen zu folgen, der auf keine Weise mehr sein eigen war. Ich hatte--Wer k?mmt schon so früh zu mir?

Vierter Auftritt
Betty. Mellefont. Norton.
Norton. Es ist Betty.
Mellefont. Schon auf, Betty? Was macht dein Fr?ulein?
Betty. Was macht sie? (Schluchzend.) Es war schon lange nach Mitternacht, da ich sie endlich bewegte, zur Ruhe zu gehen. Sie schlief einige Augenblicke, aber Gott! Gott! was mu? das für ein Schlaf gewesen sein! Pl?tzlich fuhr sie in die H?he, sprang auf und fiel mir als eine Unglückliche in die
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