Minna von Barnhelm | Page 7

Gotthold Ephraim Lessing
du, warum ich eigentlich diese Anmerkung so gut finde? Sie hat viel Beziehung auf meinen Tellheim.
Franziska Was h?tte bei Ihnen nicht auch Beziehung auf ihn?
Fr?ulein Freund und Feind sagen, da? er der tapferste Mann von der Welt ist. Aber wer hat ihn von Tapferkeit jemals reden h?ren? Er hat das rechtschaffenste Hertz, aber Rechtschaffenheit und Edelmut sind Worte, die er nie auf die Zunge bringt.
Franziska Von was f��r Tugenden spricht er denn?
Fr?ulein Er spricht von keiner; denn ihm fehlt keine.
Franziska Das wollte ich nur h?ren.
Fr?ulein Warte, Franziska, ich besinne mich. Er spricht sehr oft von ?konomie. Im Vertrauen, Franziska, ich glaube, der Mann ist ein Verschwender.
Franziska Noch eins, gn?diges Fr?ulein. Ich habe ihn auch sehr oft der Treue und Best?ndigkeit gegen Sie erw?hnen h?ren. Wie, wenn der Herr auch ein Flattergeist w?re?
Fr?ulein Du Ungl��ckliche!--Aber meinest du das im Ernste, Franziska?
Franziska Wie lange hat er Ihnen nun schon nicht geschrieben?
Fr?ulein Ach! seit dem Frieden hat er mir nur ein einziges Mal geschrieben.
Franziska Auch ein Seufzer wider den Frieden! Wunderbar! Der Friede sollte nur das B?se wieder gutmachen, das der Krieg gestiftet, und er zerr��ttet auch das Gute, was dieser, sein Gegenpart, etwa noch veranlasset hat. Der Friede sollte so eigensinnig nicht sein!--Und wie lange haben wir schon Friede? Die Zeit wird einem gewaltig lang, wenn es so wenig Neuigkeiten gibt.--Umsonst gehen die Posten wieder richtig; niemand schreibt; denn niemand hat was zu schreiben.
Fr?ulein "Es ist Friede", schrieb er mir, "und ich n?here mich der Erf��llung meiner W��nsche." Aber da? er mir dieses nur einmal, nur ein einziges Mal geschrieben--
Franziska Da? er uns zwingt, dieser Erf��llung der W��nsche selbst entgegenzueilen: finden wir ihn nur, das soll er uns entgelten!--Wenn indes der Mann doch W��nsche erf��llt h?tte, und wir erf��hren hier--
Fr?ulein (?ngstlich und hitzig). Da? er tot w?re?
Franziska F��r Sie, gn?diges Fr?ulein, in den Armen einer andern.--
Fr?ulein Du Qu?lgeist! Warte, Franziska, er soll dir es gedenken!--Doch schwatze nur; sonst schlafen wir wieder ein.--Sein Regiment ward nach dem Frieden zerrissen. Wer wei?, in welche Verwirrung von Rechnungen und Nachweisungen er dadurch geraten? Wer wei?, zu welchem andern Regimente, in welche entlegne Provinz er versetzt worden? Wer wei?, welche Umst?nde--Es pocht jemand.
Franziska Herein!

2. Szene
(Der Wirt. Die Vorigen.)
Wirt (den Kopf voransteckend). Ist es erlaubt, meine gn?dige Herrschaft?--
Franziska Unser Herr Wirt?--Nur vollends herein.
Wirt (mit einer Feder hinter dem Ohre, ein Blatt Papier und ein Schreibezeug in der Hand). Ich komme, gn?diges Fr?ulein, Ihnen einen untert?nigen guten Morgen zu w��nschen--(zur Franziska) und auch Ihr, mein sch?nes Kind--
Franziska Ein h?flicher Mann!
Fr?ulein Wir bedanken uns.
Franziska Und w��nschen Ihm auch einen guten Morgen.
Wirt Darf ich mich unterstehen zu fragen, wie Ihro Gnaden diese erste Nacht unter meinem schlechten Dache geruhet?--
Franziska Das Dach ist so schlecht nicht, Herr Wirt, aber die Betten h?tten besser sein k?nnen.
Wirt Was h?re ich? Nicht wohl geruht? Vielleicht, da? die gar zu gro?e Erm��dung von der Reise--
Fr?ulein Es kann sein.
Wirt Gewi?, gewi?! denn sonst--Indes sollte etwas nicht vollkommen nach Ihro Gnaden Bequemlichket gewesen sein, so geruhen Ihro Gnaden nur zu befehlen.
Franziska Gut, Herr Wirt, gut! Wir sind auch nicht bl?de; und am wenigsten mu? man im Gasthofe bl?de sein. Wir wollen schon sagen, wie wir es gern h?tten.
Wirt Hiern?chst komme ich zugleich--(indem er die Feder hinter dem Ohr hervorzieht).
Franziska Nun?--
Wirt Ohne Zweifel kennen Ihro Gnaden schon die weisen Verordnungen unserer Polizei.
Fr?ulein Nicht im geringsten, Herr Wirt--
Wirt Wir Wirte sind angewiesen, keinen Fremden, wes Standes und Geschlechts er auch sei, vierundzwanzig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen, Heimat, Charakter, hiesige Gesch?fte, vermutliche Dauer des Aufenthalts und so weiter geh?rigen Orts schriftlich einzureichen.
Fr?ulein Sehr wohl.
Wirt Ihro Gnaden werden also sich gefallen lassen--(indem er an einen Tisch tritt und sich fertig macht zu schreiben).
Fr?ulein Sehr gern--Ich hei?e--
Wirt Einen kleinen Augenblick Geduld!--(Er schreibt.) "Dato, den 22. August a.c. allhier zum K?nige von Spanien angelangt"--Nun Dero Namen, gn?diges Fr?ulein?
Fr?ulein Das Fr?ulein von Barnhelm.
Wirt (schreibt). "von Barnhelm"--Kommend? woher, gn?diges Fr?ulein?
Fr?ulein Von meinen G��tern aus Sachsen.
Wirt (schreibt). "G��tern aus Sachsen"--Aus Sachsen! Ei, ei, aus Sachsen, gn?diges Fr?ulein? aus Sachsen?
Franziska Nun? warum nicht? Es ist doch wohl hierzulande keine S��nde, aus Sachsen zu sein?
Wirt Eine S��nde? Beh��te! das w?re ja eine ganz neue S��nde!--Aus Sachsen also? Ei, ei! aus Sachsen! Das liebe Sachsen!--Aber wo mir recht ist, gn?diges Fr?ulein, Sachsen ist nicht klein und hat mehrere--wie soll ich es nennen?--Distrikte, Provinzen.--Unsere Polizei ist sehr exakt, gn?diges Fr?ulein.--
Fr?ulein Ich verstehe: von meinen G��tern aus Th��ringen also.
Wirt Aus Th��ringen! Ja, das ist besser, gn?diges Fr?ulein, das ist genauer. --(Schreibt und liest.) "Das Fr?ulein von Barnhelm, kommend von ihren G��tern aus Th��ringen, nebst einer Kammerfrau und zwei Bedienten"--
Franziska Einer Kammerfrau? das soll ich wohl sein?
Wirt Ja, mein sch?nes Kind.--
Franziska Nun, Herr Wirt, so setzen Sie anstatt Kammerfrau Kammerjungfer.--Ich h?re, die Polizei ist sehr exakt; es m?chte ein Mi?verst?ndnis geben, welches mir bei meinem Aufgebote einmal H?ndel machen k?nnte. Denn ich bin wirklich noch Jungfer und hei?e Franziska; mit
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 33
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.