Minna von Barnhelm | Page 4

Gotthold Ephraim Lessing
abzufinden, der sechs Jahre Gl��ck und Ungl��ck, Ehre und Gefahr mit mir geteilet. Ich werde es nicht vergessen, da? ein Sohn von ihm da ist. Er wird mein Sohn sein, sobald ich sein Vater sein kann. Die Verwirrung, in der ich mich jetzt selbst befinde--
Dame Edelm��tiger Mann! Aber denken Sie auch von mir nicht zu klein! Nehmen Sie das Geld, Herr Major; so bin ich wenigstens beruhiget.--
Tellheim Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung weiter als meine Versicherung, da? mir dieses Geld nicht geh?ret? Oder wollen Sie, da? ich die unerzogene Waise meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame; das w��rde es in dem eigentlichsten Verstande sein. Ihm geh?rt es, f��r ihn legen Sie es an!--
Dame Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn ich noch nicht recht wei?, wie man Wohltaten annehmen mu?. Woher wissen es denn aber auch Sie, da? eine Mutter mehr f��r ihren Sohn tut, als sie f��r ihr eigen Leben tun w��rde? Ich gehe--
Tellheim Gehen Sie, Madame, gehen Sie! Reisen Sie gl��cklich! Ich bitte Sie nicht, mir Nachricht von Ihnen zu geben. Sie m?chte mir zu einer Zeit kommen, wo ich sie nicht nutzen k?nnte. Aber noch eines, gn?dige Frau; bald h?tte ich das Wichtigste vergessen. Marloff hat noch an der Kasse unsers ehemaligen Regiments zu fordern. Seine Forderungen sind so richtig wie die meinigen. Werden meine bezahlt, so m��ssen auch die seinigen bezahlt werden. Ich hafte daf��r.--
Dame Oh! Mein Herr--Aber ich schweige lieber.--K��nftige Wohltaten so vorbereiten, hei?t sie in den Augen des Himmels schon erwiesen haben. Empfangen Sie seine Belohnung und meine Tr?nen! (Geht ab.)

7. Szene
(v. Tellheim.)
Tellheim Armes, braves Weib! Ich mu? nicht vergessen, den Bettel zu vernichten. (Er nimmt aus seinem Taschenbuche Briefschaften, die er zerrei?t.) Wer steht mir daf��r, da? eigner Mangel mich nicht einmal verleiten k?nnte, Gebrauch davon zu machen?

8. Szene
(Just. v. Tellheim.)
Tellheim Bist du da?
Just (indem er sich die Augen wischt). Ja!
Tellheim Du hast geweint?
Just Ich habe in der K��che meine Rechnung geschrieben, und die K��che ist voll Rauch. Hier ist sie, mein Herr!
Tellheim Gib her.
Just Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr. Ich Wei? wohl, da? die Menschen mit Ihnen keine haben, aber--
Tellheim Was willst du?
Just Ich h?tte mir ehr den Tod als meinen Abschied vermutet.
Tellheim Ich kann dich nicht l?nger brauchen; ich mu? mich ohne Bedienten behelfen lernen. (Schl?gt die Rechnung auf und lieset.) "Was der Herr Major mir schuldig: Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat 6 Taler, macht 21 Taler. Seit dem Ersten dieses an Kleinigkeiten ausgelegt 1 Taler 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum 22 Taler 7 Gr. 9 Pf."-- Gut, und es ist billig, da? ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.
Just Die andere Seite, Herr Major--
Tellheim Noch mehr? (Lieset.) Was dem Herrn Major ich schuldig: An den Feldscher f��r mich bezahlt 25 Taler. F��r Wartung und Pflege w?hrend meiner Kur f��r mich bezahlt 39 Taler. Meinem abgebrannten und gepl��nderten Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne die zwei Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Taler. Summa Summarum 114 Taler. Davon abgezogen vorstehende 22 Taler 7 Gr. 9 Pf., bleibe dem Herrn Major schuldig 91 Taler 16 Gr. 3 Pf."--Kerl, du bist toll!--
Just Ich glaube es gern, da? ich Ihnen weit mehr koste. Aber es w?re verlorne Tinte, es dazuzuschreiben. Ich kann Ihnen das nicht bezahlen, und wenn Sie mir vollends die Liverei nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe--so wollte ich lieber, Sie h?tten mich in dem Lazarette krepieren lassen.
Tellheim Wof��r siehst du mich an? Du bist mir nichts schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es besser haben sollst als bei mir.
Just Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich versto?en?
Tellheim Weil ich dir nichts schuldig werden will.
Just Darum? nur darum?--So gewi? ich Ihnen schuldig bin, so gewi? Sie mir nichts schuldig werden k?nnen, so gewi? sollen Sie mich nun nicht versto?en.--Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei Ihnen; ich mu? bei Ihnen bleiben.--
Tellheim Und deine Hartn?ckigkeit, dein Trotz, dein wildes, ungest��mes Wesen gegen alle, von denen du meinest, da? sie dir nichts zu sagen haben, deine t��ckische Schadenfreude, deine Rachsucht--
Just Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich will darum doch nicht schlechter von mir denken als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging ich in der D?mmerung an dem Kanale und h?rte etwas winseln. Ich stieg herab und griff nach der Stimme und glaubte, ein Kind zu retten, und zog einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich. Der Pudel kam mir nach, aber ich bin kein Liebhaber von Pudeln. Ich jagte ihn fort, umsonst; ich pr��gelte ihn von mir, umsonst. Ich lie? ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor der T��re auf der Schwelle. Wo er mir zu nahe kam, stie? ich ihn mit dem Fu?e; er schrie, sahe mich an und wedelte mit dem
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 33
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.