Michelangelo Gedichte und Briefe | Page 9

Michelangelo Buonarrotti
Gleicht sie dem Liebesquell, dem wir entstammen; Vom Himmel hat die Welt nicht andre Proben,
Nicht andre Früchte kann die Erde weisen; Sind treu und keusch nur meiner Liebe Flammen, Ist süss der Tod und frei mein Flug nach oben.
38. Sophie Hasenclever.

AN TOMMASO CAVALIERI.
Ich sehe sanftes Licht mit deinen Blicken, Mit meinen eignen Augen bin ich blind, Mit dir im gleichen Schritte wandelnd, sind Leicht mir die Lasten, die mich sonst erdrücken.
Von deinen Schwingen mit emporgetragen Flieg' ich mit dir hinauf zum Himmel ewig; Wie du es willst: kühn oder zitternd leb' ich, Kalt in der Sonne, warm in Wintertagen.
In deinem Willen ruht allein der meine, Dein Herz, wo die Gedanken mir entstehn, Dem Geist, in dem der Worte Quell sich findet:
So kommt's, dass ich dem Monde gleich erscheine, Den wir soweit am Himmel nur ersehn Als ihn der Sonne Feuerstrahl entzündet.
39. Hermann Grimm.

AN TOMMASO CAVALIERI.
Wenn in zwei Liebenden des Schicksals Walten, Wenn keusche Lieb' sich gleich und Fr?mmigkeit, Wenn einer weinet bei des andern Leid, Ein Will' und Geist in beiden Herzen schalten;
Wenn eine Seele lebt in zwei Gestalten, Verkl?rt in beiden, sie zu gleicher Zeit Mit einem Flügel tr?gt zur Seligkeit, Ein goldner Pfeil zwei Busen hat gespalten;
Wenn beide füreinander liebend brennen, Doch keiner selbst sich liebt, wenn jeder t?glich Zum h?chsten Ziel den andern will begeistern,
Und wenn dies schwacher Abglanz nur zu nennen Von uns'rer Liebe, sag mir, ist's dann m?glich, Dass Groll das Band l?st zwischen solchen Geistern?
40. Sophie Hasenclever.

Durch dich erst kenn' ich mich und aus der Ferne Streb' ich dem Himmel zu, von dem wir kamen, Und wie der Fisch gek?dert wird vom Hamen, Reichst du mir Speise, und ich komme gerne. Nur schwach kann ein geteiltes Herze schlagen, Drum gab ich dir das meine ganz und gar: Was von mir bleibt, du weisst es, der mich kennt! Ans Beste nur soll sich die Seele wagen, Drum muss ich heiss dich lieben, will ich leben! Denn ich bin Holz nur, du bist Holz, das brennt.
41. Bettina Jacobson.

AN TOMMASO CAVALIERI.
Wohl darf mit meiner Liebe heissen Flammen Gerechte Hoffnung sich zum Himmel schwingen, Denn wollte unsre Wünsche Gott verdammen, Warum hiess er die Welt aus Nichts entspringen?
Wie sollt' ich auch für H?h'res mich entflammen, Als um der ew'gen Sch?nheit Ruhm zu bringen, Von der die Reize, die dich zieren, stammen, Die keusch und rein'gend jedes Herz durchdringen?
Trüg'risch ist nur die Hoffnung jener Lust, Die mit der Sch?nheit stirbt und stets entflieht, Weil sie der Züge Wechsel untertan.
Doch die ist unfehlbar in treuer Brust, Die um der Hülle Wandlung nicht verglüht; Durch sie wird uns der Himmel aufgetan.
42. Carl Witte.

AN TOMMASO CAVALIERI.
W?re der Sch?nheit deiner Augensterne Das Feuer gleich, das sie ringsum entzünden, Dann flammte wohl die Welt aus Feuerschlünden, Es schm?lzen selbst des Poles eis'ge Kerne.
Doch hat der güt'ge Himmel, der sich gerne Erbarmt des Schwachen, dass wir nicht erblinden, Die Augen uns umflort, und wir empfinden Den Glanz nur wie ein Licht in weiter Ferne.
Nie wird, wie's deinem Reiz gebührt, entbrennen Der Liebe Glut; nur Stückwerk schau'n wir Toren Des Ew'gen, lieben das nur, was wir sehen.
Mich auch bewahrt mein mangelhaft Erkennen, Die Schw?che nur, dem Menschen angeboren, Für dich im Flammentode zu vergehen.
43. Sophie Hasenclever.

Ein sch?nes Antlitz spornt mich himmelan, Nichts andres freut mich mehr, da schon im Leben Ich darf empor zu sel'gen Geistern schweben -- Ein Glück, wie selten es ein Mensch gewann.
So sehr zum Sch?pfer stimmt sein Werk: ich kann durch Gottgedanken mich zu Gott erheben, Vom Himmel wird mir Geist und Wort gegeben, Seit ich erglüht in holdem Liebesbann.
Drum kann ich von zwei sch?nen Augen nimmer Den Blick abzieh'n, als ob zum h?chsten Glück, Empor zu Gott ihr Licht den Weg mir wiese.
Und fühl' ich mich durchglüht von ihrem Schimmer, Strahlt mir aus ihrer edlen Glut zurück Das ew'ge L?cheln sel'ger Paradiese.
44. Friedrich Bodenstedt.

AN TOMMASO CAVALIERI.
Ein Schwefelherz in einem strohernen Leibe, Mit Knochen wie geschnitzt aus dürren Asten, Ein Flackergeist, der sich der ersten, besten Hingibt, bet?rt von jedem üpp'gen Weibe;
Ein Scheinmensch, blind für H?h'res, mürb wie Zunder, Dergleichen viele auf der Glücksjagd rennen, Mag lichterloh im Augenblick entbrennen Gleich wie vom Blitz gerührt; es ist kein Wunder!
Mir konnte nur die h?chste Sch?nheit taugen, Zu ew'gen Werken heil'ge Glut zu schüren: Ihr Glanz allein k?nnt' mich so hoch erheben.
Klein schien mein Gr?sstes mir in deinen Augen; Ich floh das Volk, dich Einz'gen zu erküren; Mein Werk gab meiner Liebe ew'ges Leben.
45. Friedrich Bodenstedt.

Das Feuer darf der ems'ge Schmied nicht scheuen, Sein Eisen neu und kunstvoll zu gestalten; Mit Kraft des Feuers muss der Meister schalten, Will er des lautern Goldes sich erfreuen.
Der einz'ge Ph?nix kann sich nicht erneuen, Eh' er verbrennt. So auch in Glutgewalten Hoff' ich zu sterben, mit den Lichtgestalten Vereint, die Tod und Zeit nicht mehr bedr?uen.
O süsses Sterben! Selig, wer so brennt! Wenn ich zu Asche nach
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 36
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.