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Mein Weg als Deutscher und
Jude
Project Gutenberg's Mein Weg als Deutscher und Jude, by Jakob
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Title: Mein Weg als Deutscher und Jude
Author: Jakob Wassermann
Release Date: December 29, 2005 [EBook #17413]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MEIN WEG
ALS DEUTSCHER UND JUDE ***
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Mein Weg als Deutscher und Jude
von
Jakob Wassermann
#..... vis animae conturbatur et divisa seorsum disiectatur, eodem illo
distracta veneno. Lucrez, III. 498.#
1921
S. Fischer Verlag Berlin
Erste bis fünfzehnte Auflage Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1921 by S. Fischer, Verlag, Berlin
=Ferruccio Busoni=
dem Freund dem Künstler gewidmet
Ohne Rücksicht auf die Gewöhnung meines Geistes, sich in Bildern
und Figuren zu bewegen, will ich mir -- gedrängt von innerer Not und
Not der Zeit -- Rechenschaft ablegen über den problematischesten Teil
meines Lebens, den, der mein Judentum und meine Existenz als Jude
betrifft, nicht als Jude schlechthin, sondern als deutscher Jude, zwei
Begriffe, die auch dem Unbefangenen Ausblick auf Fülle von
Mißverständnissen, Tragik, Widersprüchen, Hader und Leiden
eröffnen.
Heikel war das Thema stets, ob es nun mit Scham, mit Freiheit oder
Herausforderung behandelt wurde, schönfärbend von der einen,
gehässig von der anderen Seite. Heute ist es ein Brandherd.
Es verlangt mich, Anschauung zu geben. Da darf denn nichts mehr
gelten, was mir schon einmal als bewiesen gegolten hat. Auf Beweis
und Verteidigung verzichte ich somit überhaupt, auf Anklage und jede
Art konstruktiver Beredsamkeit. Ich stütze mich auf das Erlebnis.
Unabweisbar trieb es mich, Klarheit zu gewinnen über das Wesen jener
Disharmonie, die durch mein ganzes Tun und Sein zieht und mir mit
den Jahren immer schmerzlicher fühlbar und bewußt worden ist. Der
unreife Mensch ist gewissen Verwirrungen viel weniger ausgesetzt als
der reife. Dieser, sofern er an eine Sache hingegeben ist oder an eine
Idee, was im Grunde dasselbe besagt, entringt sich nach und nach der
Besessenheit, in der das Ich den Zauber des Unbedingten hat, und Welt
und Menschheit kraft einer angenehmen und halbfreiwilligen
Täuschung dem gebundenen Willen in den Transformationen der
Leidenschaften zu dienen scheinen. In dem Maße, in dem die eigene
Person aufhört, Wunder und Zweck zu sein, bis sie zuletzt ein kaum
gespürtes Zwischenelement wird, gleichsam Schatten eines Körpers,
den man nicht kennt, noch erkennen kann, in dem Maße wächst die
Schwierigkeit und Gefährlichkeit des Lebens mit und unter den
Menschen, sowie der geheimnisvolle Charakter alles dessen, was man
Realität und Erfahrung nennt.
Weg- und Merkzeichen bleiben letzten Endes wenige, auch bei der
genialsten Rezeption. Es hängt von der Breite des Schicksals ab,
wieviel unvergeß- und unverwischbare Spuren es in der Seele
hinterläßt.
1
Ich bin in Fürth geboren und aufgewachsen, einer vorwiegend
protestantischen Fabrikstadt des mittleren Franken, in der es eine
zahlreiche Gemeinde gewerbs- und handelstreibender Juden gab. Das
Verhältnis der Zahl der Juden zur übrigen Bevölkerung war etwa 1:12.
Der Überlieferung nach ist es eine der ältesten Judengemeinden
Deutschlands. Schon im neunten Jahrhundert sollen dort jüdische
Siedlungen bestanden haben. Vermehrung und Blüte trat
wahrscheinlich erst zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ein, als die
Juden aus dem benachbarten Nürnberg vertrieben wurden. Später
wendete sich auch vom Rhein her ein Flüchtlingsstrom der aus Spanien
verjagten Juden nach Franken, und unter ihnen vermute ich meine
Vorfahren mütterlicherseits, die im Maintal in der Nähe von Würzburg
seit Jahrhunderten dorfansässig waren, so wie die von väterlicher Seite
in Fürth, Roth am Sand, Schwabach, Bamberg und Zirndorf.
Beziehung zu Boden, Klima und Volk muß also den Generationen, die
durch dreißig oder vierzig Jahrzehnte hier hausten, in Fleisch und Bein
übergegangen sein, obgleich sie diesen Einflüssen entgegenstrebten
und als Fremdkörper vom Volksorganismus ausgeschieden waren.
Drückende Beschränkungen, wie das Matrikelgesetz, das Verbot der
Freizügigkeit und der freien Berufswahl waren noch bis in die Mitte
des neunzehnten Jahrhunderts in Kraft. Der Vater meiner Mutter, ein
Mann von Bildung und edler Anlage, verblutete an ihnen. Daß finsterer
Sektengeist, Ghettotrotz und Ghettoangst dadurch immer frische
Nahrung erhielten, versteht sich am Rande.
Als ich geboren wurde, zwei Jahre nach dem Deutsch-Französischen
Krieg, war für die deutschen Juden der bürgerliche Tag längst
angebrochen. Im Parlament kämpfte die liberale Partei bereits für die
Zulassung der Juden zu den Staatsämtern, eine Anmaßung, die auch bei
den aufgeklärtesten Deutschen Entrüstung hervorrief. »Ich liebe die
Juden, aber regieren will ich mich von ihnen nicht lassen«, schrieb zum
Beispiel ein Mann wie Theodor Fontane damals an einen Freund.
Von Pferch und
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