Tuer sah sie in eine Kueche hinein, deren
Fussboden mit Marmorfliesen belegt war; die Waende waren mit
blaubemalten Kacheln bekleidet, und auf dem Gesims, das die Wand in
zwei Haelften teilte, stand blankgeputztes Kupfergeschirr in allen
Groessen. Eine hollaendische Kueche.
Hier im Vorzimmer stand sie auf Teppichen so dick, wie sie noch nie
welche betreten hatte. Ebenso schwer waren die Teppiche auf der
Treppe, die von Messingstangen gehalten wurden, wie sie dicker nie
welche gesehen hatte. Hier gehen die Menschen auf Kissen, dachte sie,
und ihr kam gleich das Bild in den Sinn, das Haus sei ein ungeheures
Bett. Spaeter nannte sie es immer "das Bett." "Wollen wir jetzt nach
Hause ins Bett?" sagte sie dann lachend. Zu beiden Seiten sah sie
Tueren und malte sich die Zimmer dahinter aus. Links von ihr, d. h. an
der rechten Seite des Hauses, komme erst ein kleineres Zimmer nach
vorn und dahinter, nach der Bucht hinaus, ein grosser Raum ueber die
ganze Breite des Hauses. Und das traf zu. Zur Rechten stellte sie sich
das Haus der Laenge nach in zwei Zimmer geteilt vor. Auch das
stimmte. Es war nicht weiter verwunderlich, denn ihres Vaters Haus am
Michigansee war nach diesem Bau eingerichtet. Oben dachte sie sich
einen breiten Gang quer durch das Haus und kleinere Zimmer zu
beiden Seiten des Flurs. Waren aber hier unten schon unglaublich dicke
Teppiche, so waren sie da oben womoeglich noch dicker, richtige
Kissen. Dies Haus liess kein Geraeusch aufkommen. Hier lebten stille
Menschen.
Das Maedchen hatte die Tuer an der Seite geoeffnet, die zur See
hinausging. Marit trat ein und sah sich alle Malereien und
Schnurrpfeifereien im Zimmer an; es war allerdings ueberladen, aber
jedes einzelne Stueck war sorgfaeltig ausgesucht, zum Teil mit intimem
Geschmack; das sah sie sofort. Hier waren unter anderem Gemaelde,
die einen hohen Wert haben mussten. Was sie aber besonders
beschaeftigte, war der Gedanke, dass sie erst jetzt ihren alten Vater
verstand, obwohl sie von klein an mit ihm zusammengelebt hatte, ganz
allein mit ihm; ihre Mutter hatte sie frueh verloren. Aus so viel Feinem
und Kostbarem war er zusammengesetzt. Ein bisschen bunt
durcheinander und daher unbeachtet. War's nicht, als komme er jetzt
und stelle sich neben sie und laechele sein diskretes, warmes Laecheln,
weil er sich verstanden wusste?
Da kam er ja! Durch die offne Tuer sah sie ihn die Treppe
herunterkommen. Juenger zwar, aber das tat nichts, die Augen waren
nur noch schoener und inniger,--er kam daher mit demselben Gang,
denselben Armbewegungen, genau so vornuebergebeugt und behutsam
sich naehernd. Und wie er sie jetzt ansah und mit ihr sprach und sie
willkommen hiess ... mit den gleichen abgetoenten Worten, da ahnte sie
in alldem die tiefe Achtung vor dem Individuellen, die in ihren Augen
ihren Vater vor allen auszeichnete, die sie kannte. Der Vater hatte
duenneres Haar, sein Gesicht war runzlig, der Mund hatte nicht mehr
alle Zaehne, die Haut war verschrumpft ... Gerade diese Erinnerung
fuellte ihre Augen mit Traenen. Sie blickte empor in seine juengeren
Augen, hoerte seine frischere Stimme, fuehlte den Druck seiner
waermeren Hand. Sie konnte nicht dafuer, sie schlang beide Arme um
Anders Krogs Hals, schmiegte sich an seine Brust und weinte.
Nun, damit war es entschieden. Er stand fuer nichts mehr.
Nach einer Weile sassen sie beide zusammen in dem Boot, mit dem sie
gekommen war. Sie ruderte um die Landspitze herum. Teils um seiner
selbst willen, teils auch wegen der Badenden, die zusahen, hatte er ein
paar schuechterne Versuche gemacht, ihr das Ruder abzunehmen. Aber
seit dem Augenblick, da sie beide Arme um seinen Hals legte, hatte er
sich seiner Macht begeben. Er wusste im voraus, dass er so tun musste,
wie dies reiche rote Haar es wuenschte. Er sass und sah in ihr
sommersprossiges Gesicht und auf die sommersprossigen Haende, auf
ihre praechtige Gestalt und ihren frischen Mund. Er sah ueber dem
Halskragen die feinste weisse Haut; es war etwas in den Augen, das
genau dazu passte. Er wurde nicht fertig, bis sie am Ziel waren. Auch
auf dem Wege zum Hof der Schwester wurde er nicht fertig, weder mit
ihrer weichen Stimme, noch mit ihrem Gang, noch mit ihren Fuessen,
noch mit ihrer Kleidung, noch mit den Zaehnen und dem Laecheln und
am allerwenigsten mit dem, was sie da holterdipolter erzaehlte,--es war
etwas Verwirrendes in allem.
Am naechsten Morgen fuhr er nicht in die Stadt. Sowie der Dampfer,
auf dem er haette sein muessen, um die Landspitze herum war, kam ihr
weisses Boot. Sie hatte eine Magd bei sich, die Wache halten sollte,
denn jetzt wollte auch sie baden.
Als sie fertig war, kam sie herauf. Sie wollte bis Mittag bleiben.
Nachher gingen sie zusammen ueber den Huegelsattel zurueck, das
Boot hatten sie nach Hause geschickt.
Am andern Tage fuhr sie mit ihm in die Stadt. Tags darauf musste auch
die Tante

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