nach den warmen Ländern
zu kommen.«
»So willst du also hier im Winter erfrieren? Sollen etwa die Knaben
kommen und dich pfählen, abkehlen und verbrennen? Dann will ich sie
rufen!«
»O nein!« sagte das Storchkind und hüpfte dann wieder auf das Dach
zu den andern. Den dritten Tag konnten sie schon ordentlich ein wenig
fliegen, und nun meinten sie auch in der Luft schweben zu können.
»Seht, das war sehr gut!« sagte die Storchmutter; »Ihr sollt morgen mit
mir in den Sumpf fliegen. Dort kommen mehrere nette Storchfamilien
mit ihren Kindern zusammen.«
»Aber sollen wir denn an den unartigen Knaben keine Rache nehmen?«
fragten die Storchjungen.
»Laßt sie schreien, was sie wollen! Ihr erhebt euch doch zu den Wolken
und kommt nach dem Lande der Pyramiden, während sie frieren
müssen und kein grünes Blatt noch einen süßen Apfel haben!«
»Ja, wir wollen uns rächen!« flüsterten sie einander zu und dann wurde
wieder fleißig geübt.
Von allen Knaben auf der Gasse war keiner ärger, das Spottlied zu
singen, als gerade der, welcher es zuerst angestimmt hatte, und das war
ein ganz kleiner Bursche, denn er zählte sicher nicht mehr als sechs
Jahre. Die Storchkinder meinten freilich, er wäre hundert Jahre, weil er
so viel größer als ihre Mutter und ihr Vater war. Was wußten sie davon,
wie alt kleine und große Kinder sein könnten. Ihre ganze Rache sollte
sich über diesen Knaben ergießen; er hatte ja mit dem Liede den
Anfang gemacht und war dessen noch nicht müde geworden. Die
jungen Störche waren sehr aufgebracht und je größer sie wurden, desto
weniger wollten sie es leiden.
Nun kam der Herbst. Alle Störche versammelten sich allmählich, um
gegen Winter nach den warmen Ländern zu fliegen. Was für eine
Übung ging voraus! Über Wälder und Städte mußten sie, nur um zu
sehen, wie gut sie fliegen könnten, denn es war ja eine große Reise,
welche bevorstand. Unsere jungen Störche machten ihre Sache so
hübsch, daß sie die Zensur: »Ausgezeichnet gut mit Frosch und
Schlange« erhielten. Das war das allerbeste Zeugnis und den Frosch
und die Schlange durften sie essen, und thaten es auch.
»Nun müssen wir uns rächen!« sagten sie.
»Jawohl!« sagte die Storchmutter. »Was ich mir ausgedacht habe, das
ist gerade das Richtige! Ich weiß, wo der Teich ist, in dem alle die
kleinen Menschenkinder liegen, bis der Storch kommt und sie ihren
Eltern bringt. Die niedlichen kleinen Kinder schlafen und träumen so
süß, wie sie nachher nie mehr träumen. Alle Eltern wollen gern so ein
kleines Kind haben, und alle Kinder wollen eine Schwester oder einen
Bruder haben. Nun wollen wir nach dem Teiche hinfliegen und für
jedes der Kinder eins holen, welche das arge Lied nicht gesungen und
sich über die Störche nicht lustig gemacht haben!«
»Aber jener schlimme, häßliche Junge, welcher es zu singen
angefangen hat, was machen wir mit ihm?«
»Im Teiche dort liegt ein kleines, totes Kind, welches sich tot geträumt
hat. Das wollen wir zu ihm hintragen, dann muß er weinen, weil wir
ihm ein totes Brüderchen gebracht haben. Allein dem guten Knaben,
den ihr gewiß noch nicht vergessen habt, dem, welcher meinte: Es ist
eine Sünde und Schande, sich über die Tiere lustig zu machen, dem
wollen wir sowohl ein Brüderlein, als auch ein Schwesterlein bringen,
und da der Knabe Peter heißt, so sollt ihr sämtlich Peter gerufen
werden!«
Und wie sie es gesagt hatte, geschah es. Seitdem hießen alle Störche
Peter und werden noch heute so genannt.
Der fliegende Koffer.
[Abbildung/Illustration: pic11.jpg]
Es war einmal ein Kaufmann, der so reich war, daß er die ganze Straße
und beinahe noch ein Seitengäßchen mit lauter harten Thalern pflastern
konnte. Allein das that er nicht, er wußte sein Geld anders anzuwenden.
Gab er einen Dreier aus, bekam er einen Thaler wieder. Aber er mußte
doch sterben und sein Sohn bekam nun all dies Geld und er lebte lustig,
ging jede Nacht auf Maskenbälle, machte Papierdrachen aus
Thalerscheinen und so konnte das Geld schon abnehmen und that es
auch.
Zuletzt besaß er nicht mehr als wenige Groschen und hatte keine
andern Kleider als ein Paar Pantoffeln und einen alten Schlafrock. Nun
bekümmerten sich seine Freunde nicht länger um ihn, da sie sich ja mit
ihm zusammen nicht auf der Straße sehen lassen konnten; nur einer von
ihnen, ein gutmütiger Mensch, sandte ihm einen alten Koffer und ließ
ihm sagen: »Pack ein!« Ja, das war nun wohl recht gut, aber er hatte
nichts einzupacken und deshalb setzte er sich selbst in den Koffer.
Das war ein absonderlicher Koffer. Sobald man an das Schloß drückte,
konnte er fliegen. Er that es und husch! flog er mit ihm durch den
Schornstein, über die Stadt hinweg, hoch hinauf bis über die Wolken,
weiter und immer weiter fort.
Endlich kam er nach dem Lande der Türken. Den Koffer verbarg er im
Walde unter dürren Blättern
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