schätzt,
verehrt und dies, ohne irgend eine Absicht, rein und ruhig zu erkennen
giebt.
Eine Bemerkung möchte sodann hier wohl am Platze seyn: dass sogar
dasjenige, was unter uns beynahe ausgewirkt hat, nun, gerade in dem
Augenblicke welcher auswärts der deutschen Literatur günstig ist,
abermals seine kräftige Wirkung beginne und dadurch zeige, wie es auf
einer gewissen Stufe der Literatur immer nützlich und wirksam seyn
werde.
So sind z. B. Herders Ideen bey uns dergestalt in die Kenntnisse der
ganzen Masse übergegangen, dass nur wenige, die sie lesen, dadurch
erst belehrt werden, weil sie, durch hundertfache Ableitungen, von
demjenigen was damals von grosser Bedeutung war, in anderem
Zusammenhange schon völlig unterrichtet worden. Dieses Werk ist vor
kurzem ins Französische übersetzt; wohl in keiner andern
Ueberzeugung als dass tausend gebildete Menschen in Frankreich sich
immer noch an diesen Ideen zu erbauen haben.
* * *
In Bezug auf das dem gegenwärtigen Bande vorgesetzte Bild sey
folgendes gemeldet: Unser Freund, als wir mit ihm in Verhältniss traten,
war damals in Edinburgh wohnhaft, wo er in der Stille lebend, sich im
besten Sinne auszubilden suchte, und, wir dürfen es ohne
Ruhmredigkeit sagen, in der deutschen Literatur hiezu die meiste
Förderniss fand.
Später, um sich selbst und seinen redlichen literarischen Studien
unabhängig zu leben, begab er sich, etwa zehen deutsche Meilen
südlicher, ein eignes Besitzthum zu bewohnen und zu benutzen, in die
Grafschaft Dumfries. Hier, in einer gebirgigen Gegend, in welcher der
Fluss Nithe dem nahen Meere zuströmt, ohnfern der Stadt Dumfries, an
einer Stelle welche Craigenputtock genannt wird, schlug er mit einer
schönen und höchst gebildeten Lebensgefährtin seine ländlich einfache
Wohnung auf, wovon treue Nachbildungen eigentlich die Veranlassung
zu gegenwärtigem Vorworte gegeben haben.
* * *
Gebildete Geister, zartfühlende Gemüther, welche nach fernem Guten
sich bestreben, in die Ferne Gutes zu wirken geneigt sind, erwehren
sich kaum des Wunsches, von geehrten, geliebten, weitabgesonderten
Personen das Portrait, sodann die Abbildung ihrer Wohnung, so wie der
nächsten Zustände, sich vor Augen gebracht zu sehen.
Wie oft wiederholt man noch heutiges Tags die Abbildung von
Petrarch's Aufenthalt in Vaucluse, Tasso's Wohnung in Sorent! Und ist
nicht immer die Bieler Insel, der Schutzort Rousseau's, ein seinen
Verehrern nie genugsam dargestelltes Local?
In eben diesem Sinne hab' ich mir die Umgebungen meiner entfernten
Freunde im Bilde zu verschaffen gesucht, und ich war um so mehr auf
die Wohnung Hrn. Thomas Carlyle begierig, als er seinen Aufenthalt in
einer fast rauhen Gebirgsgegend unter dem 55ten Grade gewählt hatte.
Ich glaube durch solch eine treue Nachbildung der neulich
eingesendeten Originalzeichnungen gegenwärtiges Buch zu zieren und
dem jetzigen gefühlvollen Leser, vielleicht noch mehr dem künftigen,
einen freundlichen Gefallen zu erweisen und dadurch, so wie durch
eingeschaltete Auszüge aus den Briefen des werthen Mannes, das
Interesse an einer edlen allgemeinen Länder- und Weltannäherung zu
vermehren.
* * *
Thomas Carlyle an Goethe.
Craigenputtock den 25. Septbr. 1828.
"Sie forschen mit so warmer Neigung nach unserem gegenwärtigen
Aufenthalt und Beschäftigung, dass ich einige Worte hierüber sagen
muss, da noch Raum dazu übrig bleibt. Dumfries ist eine artige Stadt,
mit etwa 15000 Einwohnern und als Mittelpunct des Handels und der
Gerichtsbarkeit anzusehen eines bedeutenden Districkts in dem
schottischen Geschäftskreis. Unser Wohnort ist nicht darin, sondern 15
Meilen (zwei Stunden zu reiten) nordwestlich davon entfernt, zwischen
den Granitgebirgen und dem schwarzen Moorgefilde, welche sich
westwärts durch Gallovay meist bis an die irische See ziehen. In dieser
Wüste von Heide und Felsen stellt unser Besitzthum eine grüne Oase
vor, einen Raum von geackertem, theilweise umzäumten und
geschmückten Boden, wo Korn reift und Bäume Schatten gewähren,
obgleich ringsumher von Seemöven und hartwolligen Schaafen
umgeben. Hier, mit nicht geringer Anstrengung, haben wir für uns eine
reine, dauerhafte Wohnung erbaut und eingerichtet; hier wohnen wir in
Ermangelung einer Lehr- oder andern öffentlichen Stelle, um uns der
Literatur zu befleissigen, nach eigenen Kräften uns damit zu
beschäftigen. Wir wünschen dass unsre Rosen und Gartenbüsche
fröhlich heranwachsen, hoffen Gesundheit und eine friedliche
Gemüthsstimmung, um uns zu fordern. Die Rosen sind freylich zum
Theil noch zu pflanzen, aber sie blühen doch schon in Hoffnung.
Zwei leichte Pferde, die uns überall hintragen, und die Bergluft sind die
besten Aerzte für zarte Nerven. Diese tägliche Bewegung, der ich sehr
ergeben bin, ist meine einzige Zerstreuung; denn dieser Winkel ist der
einsamste in Brittanien, sechs Meilen von einer jeden Person entfernt
die mich allenfalls besuchen möchte. Hier würde sich Rousseau eben so
gut gefallen haben, als auf seiner Insel St. Pierre.
Fürwahr meine städtischen Freunde schreiben mein Hierhergehen einer
ähnlichen Gesinnung zu und weissagen mir nichts Gutes; aber ich zog
hierher, allein zu dem Zweck meine Lebensweise zu vereinfachen und
eine Unabhängigkeit zu erwerben, damit ich mir selbst treu bleiben
könne. Dieser Erdraum ist unser, hier können wir leben, schreiben und
denken wie es uns am besten däucht , und wenn Zoilus selbst König der
Literatur werden sollte.
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