weite Sph?re der Poesie füllen. Alles was der einen recht ist, soll auch der andern verg?nnt sein; alles was in der einen gef?llt oder mi?f?llt, soll notwendig auch in der andern gefallen oder mi?fallen; und voll von dieser Idee, sprechen sie in dem zuversichtlichsten Tone die seichtesten Urteile, wenn sie, in den Werken des Dichters und Malers über einerlei Vorwurf, die darin bemerkten Abweichungen voneinander zu Fehlern machen, die sie dem einen oder dem andern, nach dem sie entweder mehr Geschmack an der Dichtkunst oder an der Malerei haben, zur Last legen.
Ja diese Afterkritik hat zum Teil die Virtuosen selbst verführet. Sie hat in der Poesie die Schilderungssucht, und in der Malerei die Allegoristerei erzeuget; indem man jene zu einem redenden Gem?lde machen wollen, ohne eigentlich zu wissen, was sie malen k?nne und solle, und diese zu einem stummen Gedichte, ohne überlegt zu haben, in welchem Ma?e sie allgemeine Begriffe ausdrücken k?nne, ohne sich von ihrer Bestimmung zu entfernen, und zu einer willkürlichen Schriftart zu werden.
Diesem falschen Geschmacke, und jenen ungegründeten Urteilen entgegenzuarbeiten, ist die vornehmste Absicht folgender Aufs?tze.
Sie sind zuf?lliger Weise entstanden, und mehr nach der Folge meiner Lektüre, als durch die methodische Entwickelung allgemeiner Grunds?tze angewachsen. Es sind also mehr unordentliche Kollektanea zu einem Buche, als ein Buch.
Doch schmeichle ich mir, da? sie auch als solche nicht ganz zu verachten sein werden. An systematischen Büchern haben wir Deutschen überhaupt keinen Mangel. Aus ein paar angenommenen Worterkl?rungen in der sch?nsten Ordnung alles, was wir nur wollen, herzuleiten, darauf verstehen wir uns, trotz einer Nation in der Welt.
Baumgarten bekannte, einen gro?en Teil der Beispiele in seiner ?sthetik Gesners W?rterbuche schuldig zu sein. Wenn mein Raisonnement nicht so bündig ist als das Baumgartensche, so werden doch meine Beispiele mehr nach der Quelle schmecken.
Da ich von dem Laokoon gleichsam aussetzte, und mehrmals auf ihn zurückkomme, so habe ich ihm auch einen Anteil an der Aufschrift lassen wollen. Andere kleine Ausschweifungen über verschiedene Punkte der alten Kunstgeschichte tragen weniger zu meiner Absicht bei, und sie stehen nur da, weil ich ihnen niemals einen bessern Platz zu geben hoffen kann.
Noch erinnere ich, da? ich unter dem Namen der Malerei die bildenden Künste überhaupt begreife; so wie ich nicht dafür stehe, da? ich nicht unter dem Namen der Poesie auch auf die übrigen Künste, deren Nachahmung fortschreitend ist, einige Rücksicht nehmen dürfte.
I.
Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke in der Malerei und Bildhauerkunst setzet Herr Winckelmann in eine edele Einfalt und stille Gr??e, sowohl in der Stellung als im Ausdrucke. "So wie die Tiefe des Meeres", sagt er 1), "allezeit ruhig bleibt, die Oberfl?che mag auch noch so wüten, ebenso zeiget der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine gro?e und gesetzte Seele.
{1. Von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, S. 21. 22.}
Diese Seele schildert sich in dem Gesichte des Laokoons, und nicht in dem Gesichte allein, bei dem heftigsten Leiden. Der Schmerz, welcher sich in allen Muskeln und Sehnen des K?rpers entdecket, und den man ganz allein, ohne das Gesicht und andere Teile zu betrachten, an dem schmerzlich eingezogenen Unterleibe beinahe selbst zu empfinden glaubt; dieser Schmerz, sage ich, ?u?ert sich dennoch mit keiner Wut in dem Gesichte und in der ganzen Stellung. Er erhebt kein schreckliches Geschrei, wie Virgil von seinem Laokoon singet; die ?ffnung des Mundes gestattet es nicht: es ist vielmehr ein ?ngstliches und beklemmtes Seufzen, wie es Sadolet beschreibet. Der Schmerz des K?rpers und die Gr??e der Seele sind durch den ganzen Bau der Figur mit gleicher St?rke ausgeteilet, und gleichsam abgewogen. Laokoon leidet, aber er leidet wie des Sophokles Philoktet: sein Elend gehet uns bis an die Seele; aber wir wünschten, wie dieser gro?e Mann das Elend ertragen zu k?nnen.
Der Ausdruck einer so gro?en Seele geht weit über die Bildung der sch?nen Natur. Der Künstler mu?te die St?rke des Geistes in sich selbst fühlen, welche er seinem Marmor einpr?gte. Griechenland hatte Künstler und Weltweise in einer Person, und mehr als einen Metrodor. Die Weisheit reichte der Kunst die Hand, und blies den Figuren derselben mehr als gemeine Seelen ein, usw."
Die Bemerkung, welche hier zum Grunde liegt, da? der Schmerz sich in dem Gesichte des Laokoon mit derjenigen Wut nicht zeige, welche man bei der Heftigkeit desselben vermuten sollte, ist vollkommen richtig. Auch das ist unstreitig, da? eben hierin, wo ein Halbkenner den Künstler unter der Natur geblieben zu sein, das wahre Pathetische des Schmerzes nicht erreicht zu haben, urteilen dürfte; da?, sage ich, eben hierin die Weisheit desselben ganz besonders hervorleuchtet.
Nur in dem Grunde, welchen Herr Winckelmann dieser Weisheit gibt, in der Allgemeinheit der Regel, die er aus diesem Grunde herleitet, wage ich es, anderer Meinung zu sein.
Ich bekenne, da? der mi?billigende Seitenblick, welchen er auf den Virgil wirft, mich zuerst stutzig gemacht hat; und n?chstdem die Vergleichung mit dem Philoktet. Von

Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.