der durchgängigen
Beziehung zum ganzen reinen Vernunftgebrauch untersucht zu haben.
Dafür aber hat auch die Metaphysik das seltene Glück, welches keiner
anderen Vernunftwissenschaft, die es mit Objekten zu tun hat (denn die
Logik beschäftigt sich nur mit der Form des Denkens überhaupt), zuteil
werden kann, daß, wenn sie durch diese Kritik in den sicheren Gang
einer Wissenschaft gebracht worden, sie das ganze Feld der für sie
gehörigen Erkenntnisse völlig befassen und also ihr Werk vollenden
und für die Nachwelt, als einen nie zu vermehrenden Hauptstuhl, zum
Gebrauche niederlegen kann, weil sie es bloß mit Prinzipien und den
Einschränkungen ihres Gebrauchs zu tun hat, welche durch jene selbst
bestimmt werden. Zu dieser Vollständigkeit ist sie daher, als
Grundwissenschaft, auch verbunden, und von ihr muß gesagt werden
können: nil actum reputam, si quid superesset agendum 1).
1. "Sie hält noch nichts für erledigt, so lange noch etwas zu tun übrig
ist."
Aber was ist denn das, wird man fragen, für ein Schatz, den wir der
Nachkommenschaft mit einer solchen durch Kritik geläuterten, dadurch
aber auch in einen beharrlichen Zustand gebrachten Metaphysik zu
hinterlassen gedenken? Man wird bei einer flüchtigen Übersicht dieses
Werkes wahrzunehmen glauben, daß der Nutzen davon doch nur
negativ sei, uns nämlich mit der spekulativen Vernunft niemals über
die Erfahrungsgrenze hinaus zu wagen, und das ist auch in der Tat ihr
erster Nutzen. Dieser aber wird alsbald positiv, wenn man inne wird,
daß die Grundsätze, mit denen sich spekulative Vernunft über ihre
Grenze hinauswagt, in der Tat nicht Erweiterung, sondern, wenn man
sie näher betrachtet, Verengung unseres Vernunftgebrauchs zum
unausbleiblichen Erfolg haben, indem sie wirklich die Grenzen der
Sinnlichkeit, zu der sie eigentlich gehören, über alles zu erweitern und
so den reinen (praktischen) Vernunftgebrauch gar zu verdrängen
drohen. Daher ist eine Kritik, welche die erstere einschränkt, sofern
zwar negativ, aber, indem sie dadurch zugleich ein Hindernis, welches
den letzteren Gebrauch einschränkt oder gar zu vernichten droht,
aufhebt, in der Tat von positivem und sehr wichtigem Nutzen, sobald
man überzeugt wird, daß es einen schlechterdings notwendigen
praktischen Gebrauch der reinen Vernunft (den moralischen) gebe, in
welchem sie sich unvermeidlich über die Grenzen der Sinnlichkeit
erweitert, dazu sie zwar von der spekulativen keiner Beihilfe bedarf,
dennoch aber wider ihre Gegenwirkung gesichert sein muß, um nicht in
Widerspruch mit sich selbst zu geraten. Diesem Dienste der Kritik den
positiven Nutzen abzusprechen, wäre eben so viel, als sagen, daß
Polizei keinen positiven Nutzen schaffe, weil ihr Hauptgeschäft doch
nur ist, der Gewalttätigkeit, welche Bürger von Bürgern zu besorgen
haben, einen Riegel vorzuschieben, damit ein jeder seine
Angelegenheit ruhig und sicher treiben könne. Daß Raum und Zeit nur
Formen der sinnlichen Anschauung, also nur Bedingungen der Existenz
der Dinge als Erscheinungen sind, daß wir ferner keine
Verstandesbegriffe, mithin auch gar keine Elemente zur Erkenntnis der
Dinge haben, als sofern diesen Begriffen korrespondierende
Anschauung gegeben werden kann, folglich wir von keinem
Gegenstande als Dinge an sich selbst, nur sofern es Objekt der
sinnlichen Anschauung ist, d.i. als Erscheinung, Erkenntnis haben
können, wird im analytischen Teile der Kritik bewiesen; woraus denn
freilich die Einschränkung aller nur möglichen spekulativen Erkenntnis
der Vernunft auf bloße Gegenstände der Erfahrung folgt. Gleichwohl
wird, welches wohl gemerkt werden muß, doch dabei immer
vorbehalten, daß wir eben dieselben Gegenstände auch als Dinge an
sich selbst, wenn gleich nicht erkennen, doch wenigstens müssen
denken können*. Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen,
daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint. Nun wollen wir
annehmen, die durch unsere Kritik notwendiggemachte Unterscheidung
der Dinge als Gegenstände der Erfahrung, von eben denselben, als
Dingen an sich selbst, wäre gar nicht gemacht, so mußte der Grundsatz
der Kausalität und mithin der Naturmechanismus in Bestimmung
derselben durchaus von allen Dingen überhaupt als wirkenden
Ursachen gelten. Von eben demselben Wesen also, z.B. der
menschlichen Seele, würde ich nicht sagen können, ihr Wille sei frei,
und er sei doch zugleich der Naturnotwendigkeit unterworfen, d.i. nicht
frei, ohne in einen offenbaren Widerspruch zu geraten; weil ich die
Seele in beiden Sätzen in eben derselben Bedeutung, nämlich als Ding
überhaupt (als Sache an dich selbst) genommen habe, und, ohne
vorhergehende Kritik, auch nicht anders nehmen konnte. Wenn aber die
Kritik nicht geirrt hat, da sie das Objekt in zweierlei Bedeutung
nehmen lehrt, nämlich als Erscheinung, oder als Ding an sich selbst;
wenn die Deduktion ihrer Verstandesbegriffe richtig ist, mithin auch
der Grundsatz der Kausalität nur auf Dinge im ersten Sinne genommen,
nämlich sofern sie Gegenstände der Erfahrung sind, geht, eben
dieselben aber nach der zweiten Bedeutung ihm nicht unterworfen sind,
so wird eben derselbe Wille in der Erscheinung (den sichtbaren
Handlungen) als dem Naturgesetze notwendig gemäß und sofern nicht
frei, und doch andererseits, als einem Dinge an sich selbst angehörig,
jenem nicht unterworfen, mithin als frei gedacht, ohne daß hierbei ein
Widerspruch vorgeht. Ob ich nun gleich meine Seele, von der letzteren
Seite betrachtet,
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