solcher Begriffe
würde Transzendental-Philosophie heißen. Diese ist aber wiederum für
den Anfang zu viel. Denn weil eine solche Wissenschaft sowohl die
analytische Erkenntnis, als die synthetische a priori vollständig
enthalten müßte, so ist sie, insofern es unsere Absicht betrifft, von zu
weitem Umfange, indem wir die Analysis nur so weit treiben dürfen,
als sie unentbehrlich nötig ist, um die Prinzipien der Synthesis a priori,
als warum es uns nur zu tun ist, in ihrem ganzen Umfange einzusehen.
Diese Untersuchung, die wir eigentlich nicht Doktrin, sondern nur
transzendentale Kritik nennen können, weil sie nicht die Erweiterung
der Erkenntnisse selbst, sondern nur die Berichtigung derselben zur
Absicht hat, und den Probierstein des Werts oder Unwerts aller
Erkenntnisse a priori abgeben soll, ist das, womit wir uns jetzt
beschäftigen. Eine solche Kritik ist demnach eine Vorbereitung, wo
möglich, zu einem Organon, und, wenn dieses nicht gelingen sollte,
wenigstens zu einem Kanon derselben, nach welchen allenfalls dereinst
das vollständige System der Philosophie der reinen Vernunft, es mag
nun in Erweiterung oder bloßer Begrenzung ihrer Erkenntnis bestehen,
sowohl analytisch, als synthetisch dargestellt werden könnte. Denn daß
dieses möglich sei, ja daß ein solches System von nicht gar großem
Umfange sein könne, um zu hoffen, es ganz zu vollenden, läßt sich
schon zum voraus daraus ermessen, daß hier nicht die Natur der Dinge,
welche unerschöpflich ist, sondern der Verstand, der über die Natur der
Dinge urteilt, und auch dieser wiederum nur in Ansehung seiner
Erkenntnis a priori den Gegenstand ausmacht, dessen Vorrat, weil wir
ihn doch nicht auswärtig suchen dürfen, uns nicht verborgen bleiben
kann, und allem Vermuten nach klein genug ist, um vollständig
aufgenommen, nach seinem Werte oder Unwerte beurteilt und unter
richtige Schätzung gebracht zu werden.
II. Einteilung der Transzendental-Philosophie
Die Transzendental-Philosophie ist hier nur eine Idee, wozu die Kritik
der reinen Vernunft den ganzen Plan architektonisch, d.i. aus Prinzipien
entwerfen soll, mit völliger Gewährleistung der Vollständigkeit und
Sicherheit aller Stücke, die dieses Gebäude ausmacht. Daß diese Kritik
nicht schon selbst Transzendental-Philosophie heißt, beruht lediglich
darauf, daß sie, um ein vollständiges System zu sein, auch eine
ausführliche Analysis der ganzen menschlichen Erkenntnis a priori
enthalten müßte. Nun muß zwar unsere Kritik allerdings auch eine
vollständige Herzählung aller Stammbegriffe, welche die gedachte
reine Erkenntnis ausmachen, vor Augen legen. Allein der ausführlichen
Analysis dieser Begriffe selbst, wie auch der vollständigen Rezension
der daraus abgeleiteten, enthält sie sich billig, teils weil diese
Zergliederung nicht zweckmäßig wäre, indem sie die Bedenklichkeit
nicht hat, welche bei der Synthesis angetroffen wird, um deren willen
eigentlich die ganze Kritik da ist, teils, weil es der Einheit des Planes
zuwider wäre, sich mit der Verantwortung der Vollständigkeit einer
solchen Analysis und Ableitung zu befassen, deren man in Ansehung
seiner Absicht doch überhoben sein konnte. Diese Vollständigkeit der
Zergliederung sowohl, als der Ableitung aus den künftig zu liefernden
Begriffen a priori, ist indessen leicht zu ergänzen, wenn sie nur allererst
als ausführliche Prinzipien der Synthesis da sind, und ihnen in
Ansehung dieser wesentlichen Absicht nichts ermangelt.
Zur Kritik der reinen Vernunft gehört demnach alles, was die
Transzendental-Philosophie ausmacht, und sie ist die vollständige Idee
der Transzendental-Philosophie, aber diese Wissenschaft noch nicht
selbst, weil sie in der Analysis nur so weit geht, als es zur vollständigen
Beurteilung der synthetischen Erkenntnis a priori erforderlich ist.
Das vornehmste Augenmerk bei der Einteilung einer solchen
Wissenschaft ist: daß gar keine Begriffe hineinkommen müssen, die
irgend etwas Empirisches in sich enthalten, oder daß die Erkenntnis a
priori völlig rein sei. Daher, obzwar die obersten Grundsätze der
Moralität, und die Grundbegriffe derselben, Erkenntnisse a priori sind,
so gehören sie doch nicht in die Transzendental-Philosophie, weil die
Begriffe der Lust und Unlust, der Begierden und Neigungen, der
Willkür usw., die insgesamt empirischen Ursprunges sind, dabei
vorausgesetzt werden müßten. Daher ist die
Transzendental-Philosophie eine Weltweisheit der reinen bloß
spekulativen Vernunft. Denn alles Praktische, sofern es
Bewegungsgründe enthält, bezieht sich auf Gefühle, welche zu
empirischen Erkenntnisquellen gehören.
Wenn man nun die Einteilung dieser Wissenschaft aus dem
allgemeinen Gesichtspunkte eines Systems überhaupt anstellen will, so
muß die, welche wir jetzt vortragen, erstlich eine Elementar-Lehre,
zweitens eine Methoden-Lehre der reinen Vernunft enthalten. Jeder
dieser Hauptteile würde seine Unterabteilung haben, deren Gründe sich
gleichwohl hier noch nicht vortragen lassen. Nur so viel scheint zur
Einleitung oder Vorerinnerung nötig zu sein, daß es zwei Stämme der
menschlichen Erkenntnis gebe, die vielleicht aus einer
gemeinschaftlichen, aber uns unbekannten Wurzel entspringen,
nämlich, Sinnlichkeit und Verstand, durch deren ersteren uns
Gegenstände gegeben, durch den zweiten aber gedacht werden. Sofern
nun die Sinnlichkeit Vorstellungen a priori enthalten sollte, welche die
Bedingungen ausmachen, unter der uns Gegenstände gegeben werden,
so würde sie zur Transzendental-Philosophie gehören. Die
transzendentale Sinnenlehre würde zum ersten Teile der
Elementarwissenschaft gehören müssen, weil die Bedingungen,
worunter allein die Gegenstände der menschlichen Erkenntnis gegeben
werden, denjenigen vorgehen, unter welchen selbige gedacht werden.
Kritik der reinen Vernunft
I. Transzendentale
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