ins
bitterste Elend kommen. Ich meine, wir sollten bleiben."
Die Andern stimmten zu. Die Pfarrfrau erblaßte. Wohl legte ihr Mann
den Leuten noch mit der Landkarte in der Hand die Gefahr dar, aber sie
fühlte: es ist umsonst, was er redet, sie können sich nicht trennen von
ihrer Heimat.
So kam es auch; die Leute verabschiedeten sich: "Wir danken auch, daß
Sie bei uns bleiben, Herr Pfarrer."
Sie gingen hinaus durch den Pfarrgarten. Dort spielten noch die Kinder
der Pfarrleute. Der Kleine saß in der Schaukel, das fünfjährige
Fickchen kam zutraulich heran, sie kannte fast alle die Leute. Im
Fortgehen deutete einer der Männer auf die Kinder: "Die haben wir auf
dem Gewissen, wenn sie in die Hände der Kosaken fallen. Was die
Frau Pfarrer betrifft, die wäre gern geflohen."--"Ja, und der Herr Pfarrer
war auch dafür."
"Kein Wunder; den Herrn Pfarrer Amelung aus Tenlauken sollen die
Kosaken erstochen haben, weil er ihnen nicht sagen konnte oder
mochte, wo die deutschen Truppen stehen."
Mit schwerem Herzen gingen sie heim; zur Sorge kam noch die innere
Unruhe, ob sie recht taten. Sie hatten den Pfarrer um Rat gefragt und
dann doch beschlossen, gegen seinen Rat zu handeln.
Die Leute hatten kaum das Studierzimmer verlassen, so zog der Pfarrer
seine Frau an sich mit großer, innerer Bewegung: "Wir müssen uns
trennen, Luise, du und die Kinder sollt in Sicherheit kommen."
"O Johannes!" rief sie, "warum hast du ihnen versprochen zu bleiben!
Ich habe im stillen schon angefangen die Koffer zu packen, wir wollten
doch zu deiner Mutter!" Sie weinte bitterlich. Er drückte sie innig an
sein Herz: "Du sollst auch zur Mutter, sollst fort mit den Kindern; nur
ich kann nicht, unmöglich. Ich darf doch meine Gemeinde in dieser
schweren Zeit nicht verlassen. Denke dich hinein! Sie hätten keinen
Gottesdienst, keinen Zuspruch in Unglück, Krankheit und Todesnot.
Keine Einsegnung auf dem Friedhof, wenn einer stirbt. Luise, denke an
den Spruch: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des
Lebens geben. Ich will mein Amt treu verwalten; mache mir's nicht
schwer, jetzt, wo wir uns trennen müssen."
"Trennen?" sagte sie, "wenn du bleibst, bleiben auch wir. Du hast das
rechte Wort gesagt. Sei getreu bis in den Tod. Auch ich bleibe bei dir
bis in den Tod."
Es gelang ihm nicht, sie zu überreden, daß sie sich mit den Kindern
flüchtete. Von dieser Stunde an klang es immer in dem Herzen der
Pfarrfrau: "Sei getreu bis in den Tod." Ruhig und mutig sah sie dem
entgegen, was kommen sollte; die Angst war von ihr gewichen.
Ein Tag und eine Nacht waren vergangen und ein strahlend schöner
Sonntag war angebrochen. Die Kirche füllte sich wie an einem hohen
Festtag. Jeder wollte im Gotteshaus beten, jeder wollte die Predigt des
Pfarrers hören, der treu bei seiner Gemeinde ausharrte. Nie hatte so
stille Andacht die ganze Kirche erfüllt wie heute. Als nach dem
Gottesdienst der Pfarrer im Talar dem nahen Pfarrhaus zuging, sah er
von ferne eine Anzahl Leute von der Landstraße her auf das Dorf
zurennen. Schon von weitem hörte man ihren Schreckensruf: "Die
Kosaken kommen! Ein ganzer Trupp ist hinter uns her!"
Der Pfarrer eilte zu seiner Frau. "Luise, es wird ernst! Die Feinde
kommen! Gott sei uns gnädig!" Er wollte den Talar ablegen.
"Behalte ihn an," bat seine Frau, "vielleicht achten sie dies Gewand!"
"Meine gute, kluge Frau!" rief er und drückte sie an sein Herz, "was
wird nun über uns kommen?"
"Was sollen wir tun?" fragte sie dagegen, "das Hoftor und die Haustüre
schließen?"
"Das hat keinen Wert; sie schlagen die Türen ein und dringen dann
schon in feindlicher Stimmung ins Haus. Nein, wir wollen sie wie
Einquartierung behandeln, gutwillig geben, damit sie keine Gewalt
brauchen. Trage auf, was du irgend Gutes im Haus hast und zeige keine
Furcht." Er rief seinen beiden Kleinen, die noch ahnungslos im
Nebenzimmer spielten: "Kinder, es kommen Soldaten ins Dorf,
wahrscheinlich kommen auch welche zu uns zum Mittagessen."
"Keine Feinde, gelt Vater?" sagte Fickchen, als es des Vaters ruhige
Worte hörte.
"Hungrige Soldaten," erwiderte dieser ausweichend. "Hilf der Mutter
den Tisch decken, Stühle herbei tragen; so ist's recht, meine Kleine."
Die Pfarrfrau breitete ein frisches Tafeltuch auf und richtete den Tisch
wie für Gäste.
In diesem Augenblick kam aus der Küche Maruschka, das Mädchen,
totenblaß herein; sie hatte vom Fenster aus in der Ferne russische
Reiter traben sehen und konnte vor Schreck kaum stammeln.
"Still, Maruschka, still; wir bekommen wahrscheinlich Einquartierung.
Sieh, daß das Essen recht gut ausfällt. Man muß den hungrigen
Soldaten gut zu essen und zu trinken geben. Geh in die Küche, ich
komme gleich nach."
"Ei, Mutti," sagte Fickchen, "ich glaube, Maruschka ist bange vor den
Soldaten. Ich gar nicht, ich habe gern Einquartierung."
Eine Weile herrschte tiefe Stille im Ort; kein Mensch wagte sich auf
die Straßen, alle verkrochen
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