Kontrovers-Predigt Ãuber H. Clauren und den Mann im Mond | Page 9

Wilhelm Hauff
ihren Tadel, je mehr die Lust an jenen Produkten unter euch überhand nahm; sie bewiesen mit triftigen Gründen, wie sch?ndlich eine solche Lektüre, wie entwürdigend ein solcher Geschmack sei, wie entnervend er schon zu wirken anfange. Manch herrliches Wort wurde da über die Würde der Literatur, über wahren Adel der Poesie und über euch gesprochen, die ihr nicht err?tet, ihm zu huldigen, die ihr so verstockt seid, das H??liche _sch?n_, das Unsaubere rein, das Kleinliche erhaben, das L?cherliche _rührend_ zu finden. Woran lag es aber, da? jene Worte wie in den Wind gesprochen scheinen, da?, so oft sich auch M?nner von wahrem Wert dagegen erkl?rten, die Menge immer mehr Partei _dafür_ nahm? Man mü?te glauben, der Herr habe ihre Herzen verstockt, wenn sich nicht noch ein anderer Grund f?nde.
Jene Institute für Literatur, die kein Volk der Erde so allgemein, so gründlich aufzuweisen hat wie wir, jene Journale, wo auch das Kleinste zur Sprache kommt und nach Gesetzen beurteilt wird, die sich auf Vernunft und wahren Wert der Kunst und Wissenschaft gründen,--sie sind leider nur für wenige geschrieben! Wer liest sie? Der Gelehrte, der Bürger von wahrer Bildung, hin und wieder eine Frau, die sich über das Gebiet der Leihbibliothek erhoben hat. Ob aber Clauren für diese schreibt? Ob seine Manier diesen sch?dlich wird? Ob sie ihn nur lesen? Und wenn sie ihn lesen, wird ihnen die Stufe von Bildung, auf welcher sie stehen, nicht von selbst den Takt verleihen, um das Verwerfliche einzusehen? Und wenn unter hundert Menschen, welche lesen, sogar zehn w?ren, die sich aus jenen Instituten unterrichten, verhallt nicht eine solche Stimme bei neunzig andern?
So kam es, da? Clauren zu wiederholten Malen angegriffen, getadelt, gescholten, verh?hnt, bis in den Staub erniedrigt wurde; er--schüttelte den Staub ab, antwortete nicht, ging singend und wohlgemut seine Stra?e. Wu?te er doch, da? ihm ein gro?es, ansehnliches Publikum geblieben, zu dessen Ohren jene Stimmen nie drangen; wu?te er doch, da?, wenn ihn der ernste Vater mit Verachtung vor die Türe geworfen wie einen r?udigen Hund, der seine Schwelle nicht verunreinigen soll, das T?chterlein oder die Hausfrau eine Hintertüre willig ?ffnen werde, um auf die Honigworte des angenehmen Mannes zu lauschen, der Ernst und Scherz so lieblich zu verbinden wei?, und ihm von den ersparten Milchpfennigen ein Str?u?chen Vergi?meinnicht abzukaufen.
Man k?nnte sich dies gefallen lassen, wenn es sich um eine gew?hnliche Erscheinung der Literatur handelte, die in Bl?ttern ?ffentlich getadelt wird, weil sie von den gew?hnlichen Formen abweicht oder unreif ist oder nach Form und Inhalt den ?sthetischen Gesetzen nicht entspricht. Hier kann h?chstens die Zeit, die man der Lektüre einer Gespenstergeschichte oder eines ehrlichen Ritterromans widmete, übel angewendet scheinen, oder der Geschmack kann darunter leiden. Solange für die jugendliche Phantasie, für Sittlichkeit keine Gefahr sich zeigt, m?gen immer die Richter der Literatur den Verfasser zurechtweisen, wie er es verdient; das allgemeine Publikum wird freilich wenig Notiz davon nehmen. Wenn aber nachgewiesen werden kann, da? eine Art von Lektüre die gr??tm?gliche Verbreitung gewinnt, wenn sie diese gewinnt durch Unsittlichkeit, durch Lüsternheit, die das Auge reizt und dem Ohr schmeichelt durch Gemeinheit und unreines Wesen, so ist sie ein Gift, das um so gef?hrlicher wirkt, als es nicht schnell und offen zu wirken pflegt, sondern allm?hlich die Phantasie erhitzt, die Kraft der Seele entnervt, den Glauben an das wahrhaft Sch?ne und Edle, Reine und Erhabene schw?cht und ein Verderben bereitet, das bedauerungswürdiger ist als eine k?rperliche Seuche, welche die Blüte der L?nder wegrafft.
Ich habe euch vorhin ein Bild entworfen von dem Wesen und der Tendenz dieses Clauren, nach allen Teilen habe ich ihn enthüllt, und wer unter euch kann leugnen, da? er ein solches Gift verbreite? Wer es kann, der trete auf und beschuldige mich einer Lüge! M?nner meines Volkes, die ihr den wahren Wert einer sch?nen, kr?ftigen Nation nicht verkennt, M?nner, die ihr die Phantasie eurer Jünglinge mit erhabenen Bildern schmücken wollt, M?nner, die ihr den keuschen Sinn einer Jungfrau für ein hohes Gut erachtet, ihr, ich wei? es, fühlet mit mir. Aber ihr mü?t auch gefühlt, gesehen haben, da? jene ?ffentlichen Stimmen, die den Marktschreier rügten, der den Verblendeten Gift verkauft, nicht selten in eure H?user gedrungen sind. Ich habe gefühlt wie ihr, und der Ausspruch jenes alten Arztes fiel mir bei: _"Gegen Gift hilft nur wieder Gift."_ Ich dachte nach über Ursache und Wirkung jener Mimili-Manier, ich betrachtete genau die Symptome, die sie hervorbrachte, und ich erfand ein Mittel, worauf ich Hoffnung setzte. Aus denselben Stoffen, sprach ich zu mir, mu?t du einen Teig kneten, mu?t ihn würzen mit derselben Würze, nur reichlicher überall, nur noch pikanter; an diesem Backwerk sollen sie mir kauen, und wenn es ihnen auch dann nicht widersteht, wenn es ihnen auch dann nicht wehe macht, wenn sie an dieser "Trüffelpaste", an diesem "Austernschmaus" keinen Ekel fassen, so sind sie nicht mehr zu kurieren, oder--es war nichts an
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