Kontrovers-Predigt Ãuber H. Clauren und den Mann im Mond | Page 3

Wilhelm Hauff
von acht Zollen, etwas bleich (er hat den Freiheitskrieg mitgemacht), das eiserne Kreuz im Knopfloch &c. Das ist der Held des Stückes. Eine interessante Figur! N?mlich Figur als wirklicher K?rper genommen, mit Armen, Taille, Beinen &c., und interessant, nicht wegen des Charakters, sondern weil er etwas bleich ist, ein eisernes Kreuz tr?gt und so ein Ding von einem preu?ischen Husaren war. Neben diesen Helden kommt ein frisches, rundes "Dingelchen" zu stehen mit kurzem R?ckchen, sch?nen Zwickelstrümpfen usw. Kurz, das Inventarium ihres K?rpers und ihres Anzuges k?nnt ihr selbst nachlesen oder habt es leider im Kopfe. Das Schweizerkind, die Mimili, ist nun so natürlich als m?glich; d. h. sie geniert sich nicht, in Gegenwart des Kriegers das Busentuch zu lüften und ihn den Schnee und dergleichen sehen zu lassen, da? ihm "angst und bange" wird. Einiger Schweizerdialekt ist auch eingemischt, der nun freilich im Munde Claurens etwas unnatürlich klingt. Kurz, es ist nichts vergessen, die Natur ist nicht nur nachgeahmt, sondern f?rmlich kopiert und getreulich abgeschrieben. Aber leider ist es nur die Natur, so wie man sie mittelst einer Camera obscura abzeichnen kann. Der warme Odem Gottes, der Geist, der in der Natur lebt, ist weggeblieben, weil man nur das Kostüm der Natur kopierte. Zeichnet die n?chste beste Schweizer Milchmagd ab, so habt ihr eine Mimili, und freilich alles so natürlich als m?glich.
Das Dritte, was euch so gut mundete an dieser Geschichte war--das _Rührende_. Wann und wo war der Kummer der Liebe nicht rührend? Es ist ein Motiv, das jedem Roman als Würze beigegeben wird wie bittere Mandeln einem sü?en Kuchen, um das Sü?e durch die Vorkost des Bitteren desto angenehmer und erfreulicher zu machen. Ihr selbst, meine jungen Zuh?rerinnen, und ich habe dies zu ?fteren Malen an euch gerügt, versetzt euch gar zu gerne in ein solches Liebesverh?ltnis, wenn nicht dem K?rper, doch dem Geiste nach. Wenn ihr so dasitzet und n?het oder stricket und über eure Nachbarn geh?rig geklatscht habt, kommt gar leicht in eurer Phantasie das Kapitel der Liebe an die Reihe, und ihr tr?umet und tr?umet und vergesset die Welt und die Maschen an eurem Strickstrumpf. Wenn man nachts durch den Wald geht, so denkt man gerne an arge Schauergeschichten von Mord und Totschlag. Gerade so machet ihr es. Je greulicher der Schmerz eines Liebespaares ist, von welchem ihr leset, desto angenehmer fühlet ihr euch angeregt. Da wollet ihr keine Natürlichkeit, da soll es recht arg und türkisch zugehen, und wie den spanischen Inquisitoren, so ist euch ein solches Autodafé ein Freudenfest. Je l?nger die Liebenden am langsamen Feuer des Kummers braten, je mehr man ihnen mit der Zange des Schicksals die Glieder verrenkt, desto, rührender k?mmt es euch vor, und doch habt ihr dabei immer noch den Trost in petto, da? der Autor, der diesen Jammer arrangiert, zugleich Chirurg ist und die verrenkten Glieder wieder einrichtet, zugleich Notar, um den Heiratskontrakt schnell zu fertigen, zugleich auch Pfarrer, um die guten Leutchen zusammenzugeben. Ihr habt recht, ihr guten Seelen! Ihr wollet nicht gerührt sein durch tiefere Empfindungen, man darf bei euch nicht jene Mollakkorde anschlagen, die durch die Seele zittern. Wer wollte auch mit einer ?olsharfe auf einer Kirchweihe aufspielen! Da ist der schnarrende Konterba? Meister, und je gr??licher es zugeht, desto rührender ist es.
Ich komme aber auf den vierten Punkt der Mimilis-Manier, n?mlich auf--das Reizende. Die drei andern Punkte waren das Schafskleid; das ist aber die Kralle, an der ihr den Wolf erkennet, der im Kleide steckt; jenes war die Kutte, unter welcher er unschuldig wie der heilige Franziskus sich bei euch einführt; aber siehe da, das ist der Pferdefu?, und an seinen Spuren wirst du ihn erkennen. Und was ist dieses Reizende? Das ist die Sinnlichkeit, die er aufregt, das sind jene reizenden, verführerischen, lockenden Bilder, die eurem Auge angenehm erscheinen. Es freut mich zu sehen, da? ihr da unten die Augen nicht aufschlagen k?nnet. Es freut mich zu sehen, da? hin und wieder auf mancher Wange die R?te der Besch?mung aufsteigt. Es freut mich, da? Sie nicht zu lachen wagen, meine Herren; wenn ich diesen Punkt berühre. Ich sehe, ihr alle verstehet nur allzu wohl, was ich meine.
Ein Lessing, ein Klopstock, ein Schiller und Jean Paul, ein Novalis, ein Herder waren doch wahrhaftig gro?e Dichter, und habt ihr je gesehen, da? sie in diese schmutzigen Winkel der Sinnlichkeit herabsteigen mu?ten, um sich ein Publikum zu machen? Oder wie? Sollte es wirklich wahr sein, da? jene edleren Geister nur für wenige Menschen ihre hehren Worte aussprachen, da? die gro?e Menge nur immer dem Marktschreier folgt, weil er k?stliche Zoten spricht und sein Bajazzo possierliche Sprünge macht? Armseliges M?nnervolk, da? du keinen h?heren geistigen Genu? kennst, als die k?rperlichen Reize eines Weibes gedruckt zu lesen, zu lesen von einem Marmorbusen, von hüpfenden Schneehügeln, von sch?nen Hüften; von wei?en Knien, von wohlgeformten Waden und von dergleichen Sch?nheiten
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